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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 5.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1207#0070
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machte, die nach seinem Tode so gekreuzt blieben und über dem Grabe
herausragten, um dafür zu zeugen, daß er als Christ sterbe, nämlich
seine Sünden bereuend, glaubend, liebend und ho-ffend auf Gott!"

,,Die fromme Alte fiel auf die Kniee, faltete die Hände und rief!

Gott sei gepriesen! gebenedeit seist du, Mutter der Barmher-
zigkeit, die du mein Gebet vernommen und erlangt hast, daß es erhört
wurde, da der Tod meines Sohnes der Tod eines Christen gewesen ist!
Gebenedeit sei die Vorsehung Gottes, die mir diesen letzten Trost zu-
sendet!" '

„Und die arme Mutter fiel mit dem Gesicht auf die Erde nieder;
als man sie aufhob, war sie todt."

Ein ägyptisches Drama.

In der Geschichte des spanischen Theaters hatte man sich
bisher vielfach ans zwei Dramen spanischer Araber bezogen, von-
denen Casiri in seiner sehr unzuverlässigen Libliotheoa Escuria-
lensis eine kurze Notiz giebt. Weiteres, als was in dieser Notiz
enthalten ist, war nicht darüber bekannt; jetzt aber bietet ein Schrei-
ben des Professors Joseph Müller, der schon seit fast zwei
Jahren im Aufträge der bayrischen Regierung auf der Bibliothek
des Cscurial arbeitet, folgende sehr willkommene Aufklärung.
„Große Hoffnungen — dies sind die Worte Müller's — hatte
ich auf ein Werk gesetzt, das von Casiri als eine comoedia de
equo vendito angegeben und einem spanischen Poeten zugeschrie-
ben wird. Freilich sah ich mich genöthigt, meine Erwartungen
etwas herabzustimmen, als ich in einem spanischen Werke die No-
tiz eines Gelehrten las, welcher in jener Handschrift nur ein Ge-
spräch zwischen einem Advokaten und Richter gefunden hatte.
Aber auch so wäre es für die Sittengeschichte immer ein brauch-
bares Büchlein. Die Sache ist aberfolgende: das Werk ist nicht
spanisch-arabisch, sondern ägyptisch, aber in der That ein Drama,
wenn man so den Versuch.nennen kann, aus den in Aegypten
gebräuchlichen Puppenspieler: oder eigentlich ombres chinoises
ein Produkt literarischen Charakters herauszuarbeiten. Eigentlich
sind es drei Darstellungen, die uns das Manuscript bietet; zu-
erst handelt es sich bloß um die erste, die Geschichte eines lüder-
lichen Mamluken-Offiziers, der von einer Reise aus Asien an die
Ufer des Nils zurückkehrend, zu seinem Leidwesen eine große Ver-
änderung der Dinge wahrnimmt, strengere Polizei und besonders
nachdrückliche Aufrechthaltung des Verbots des Weintrinkens.
Nach vielen Klagen in Prosa und Versen, nebst Recapitulation
seines früheren Lebenswandels in einem Gespräch mit einer Art
Polichinell und anderen Personen, entschließt er sich, in den Stand
der Ehe zu treten und seinem Sündenleben zu entsagen. Eine
gute Bekannte aus früherer Zeit soll ihm die Gemahlin aus-
suchen. Die Kupplerin thut ihm den Gefallen, und nachdem alle
Formalitäten erfüllt sind und die junge Frau entschleiert, wird,
zeigt sich diese dem entsetzten Offizier als ein .Muster von Häß-
lichkeit. Aus seiner Ohnmacht erwacht, entschließt er sich, eine
fromme Wallfahrt nach Mekka zu machen, von welcher er wahr-
scheinlich als derselbe Sündenmensch, wenn nicht noch lasterhafter,
zurückkehren wird. Der Jrrthum Casirüs, als handle die ganze
Comödie de equo vendito, rührt- daher, weil wirklich unter den
Lumpenstreichen des Mamluken auch der erwähnt wird, daß er
ein von dem Vezir ihm aus Mitleiden geschenktes Pferd auf
schnöde Weise verlotterte. — Im Casiri'schen Catalog ist noch
ein anderes dialogisirtes Werk von vierzig Jnterlocutoren ange-
führt. Obwohl ich bestimmte Gründe habe,' auch dieses Stück
nicht für spanisch zu halten, so hätte ich eZ doch gern näher an-

gesehen. Aber es ist nicht mehr vorhanden, wie so viele andere
Manuscripte, aus denen ich einige Ausbeute mit Recht erwartet
hatte. Nicht weniger als zwanzig Nummern habe ich vergeblich
verlangt; es findet sich keine Spur mehr davon. Seit Philipp II.
haben wohl 1400 Mönche das Eseurial bewohnt, aber kein ein-
ziger hat jemals die Gelegenheit benutzt, aus dem früher so rei-
chen Schatz orientalischer Handschriften etwas zu bearbeiten, wohl
aber haben sie diese Schätze auf gewissenlose Weise verschleudert."

Das Theater in Holland.

Vor kunstcn God,_ an ’t'Y inet geestdrift aangebeen,
Kroont hier in ’t heilig’ koor verdienst en deugd alleen.

Als ich Ihnen vor einigen Monaten Etwas über die „Re-
derykerkamers" mittheilte, , versprach ich Ihnen zugleich einige
Notizen über das gegenwärtige holländische Theater, dessen Ur-
sprung, wie ich schon damals bemerkte, zu den mittelalterlichen
Nederykerkammern zurückdatirt. Durch Koster wurde in Amster-
dam zuerst ein stehendes Theater gegründet, welches jedoch, kaum
ein halbes Jahrhundert hindurch stand und um 1750 ein Raub
der Flammen wurde. Daß man sich in Amsterdam seither ver-
gebens, bemüht hat, für das damals erbaute hölzerne Noththeater
ein anderes, der Nation würdiges Theatergebäude zu erlangen,
habe ich gleichfalls schon bei andern Gelegenheiten berichtet.

Ich will mich heute in Kürze jenes Versprechens entledigen.

Das holländische Nationalschauspiel gelangte bekanntlich von
1650—1750, wo eben der unglückliche, fast ominöse Theaterbrand
vorfiel, zu einer weit größeren Blüthe als selbst das deutsche, und
die Theaterstücke des I. v. Vondel, van der Goon, Notgans, de
Mare, Duyf u. a. berühmter Dichter, wiewohl theilweise nur
Nachbildungen fremder, übertresfen weit die der. sogen. Gottsched-
schen Periode der deutschen Literatur, wie denn überhaupt die
holländische Literatur im 17. Jahrhundert eine breite Entwick-
lung fand. .

Wie in der Malerei, so auch in der Dichtkunst und den
Schwesterkünsten erlag jedoch der gesunde Nationalgeschmack der
Niederländer in. der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den
Einflüssen Frankreichs, und wenngleich auch in neuerer Zeit die
Dichter Veith, Bilderdijk, da Costa, Klein, Tollens, Schimmel und
viele andere eine Wiedergeburt der Nationalliteratur auch für die
Bühne bewirkten, so hat es doch den Bestrebungen dieser trefflichen
Männer nicht gelingen wollen, ein eigentliches Nationaltheater
zur Aufführung, der Stücke einheimischer Dichter wieder zu be-
gründen. Mit Ausnahme eines einzigen Stückes des I. v. Vondel,
„Gysbrecht van Amstel", welches regelmäßig alljährig um die
Neujahrszeit zur Aufführung kommt, gehören Aufführungen von
Nationalschauspielen in Holland zu den Seltenheiten. Ob die
wieder erblüh enden Nederykerkammern in dieser Beziehung eine
Reaktion bewirken werden. —■ an guten: Willen scheint' es nicht
zu fehlen — muß' die Zeit entscheiden. Einstweilen erbaut man
sich in dem Stadttheater (Stadsschouwbnrg) an den haarsträuben-
den Produkten der französischen Muse, an den Spektakelstücken der'
Frau Birch-Pfeiffer und Genossen und selbst unser A. Kotzebue ist,
wie auch Jffland, noch , nicht ganz von dem Repertoire verschwun-
den; auch werden. Stücke von R.-Benedix, Mosenthal, Laube
mitunter mit Beifall gegeben. Die Dramen Shakespeare's — mit
Ausnahme etwa des Hamlet — Goethe's und Schiller's, die man
ab und zu aufgeführt hat, wollen nur wenig behagen und fallen
in der Regel ganz durch. Nur die „'Räuber" machten Effekt;.
 
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