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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Commichau, Felix: Rudolf Bosselt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0106
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Felix Commichau—Darmstadt: Rudolf Bosselt.

r

fahrungen über Leben und Leute in Paris
zur Verfügung. — Bosselt war glücklich
und im Juli des Jahres 1897 dampfte er
von Frankfurt nach Paris und belegte an
der academie Julian vor allem das Kolleg
für Akt-Studium unter Professeur Puech.

Der Republikanismus in Frankreich zeigt
sich allüberall; selbst die Verfassung der
academie fulian ist auf ihn gegründet. Die
Uberzeugung, dass der Leitende erst die
sekundäre, die zu Leitenden stets dagegen
die primäre Erscheinung in einer Gruppe,
sie sei von welcher Art sie wolle, seien,
bringt jene grosse Achtung hervor, die der
Einzelne, und sei es auch der Oberste, stets
vor dem Willen der Allgemeinheit besitzt;
und diese Achtung ist es, welche der
Körperschaft der akademischen Schüler jene
grosse Bewegnngs-Freiheit sichert. An der
academie Julian regiert der Schüler, nur der
Schüler. Der Lehrer tritt nicht als Vor-
gesetzter, sondern als älterer, erfahrener Mann
und Freund an ihn heran. — Das Leben
und Treiben im Akt-Saal dieser Schule zeigt
deutlich diesen französischen Zug. Die Schüler,

stark mit ausländischen Elementen, haupt-
sächlich Deutschen, Schweizern, Russen und
Amerikanern durchsetzt, wählen sich einen
Obmann. Meistens fällt die Wahl auf den
Altesten der Gruppe, doch sind auch andere
Qualitäten, ganz besondersSprach-Kenntnisse,
für dieses Ehren - Amt ausschlaggebend.
Dieser Obmann stellt die Initiative der
Schülerschaft dar. Er schlägt vor, die Ge-
samtheit entscheidet, schnell, glatt und fried-
lich durch Aufheben der Hände; so wählt
man die Modelle, die sich am Montag Morgen
auf den Treppen drängen; so bestimmt man,
ob Mann oder Weib für eine ganze Woche
studiert werden soll, und so entscheidet man
sogar über die Stellung, die das Modell auf
dem kleinen drehbaren Podium in der Mitte
der Schüler einnehmen soll. In alle diese
Angelegenheiten mischt sich niemals der
Lehrer. Er kann es auch gar nicht, denn
nur einen Tag in der Woche und zwar am
Sonnabend betritt er den Saal, um das zu
korrigieren, was in 5 Tagen geschafft wurde.
Dass sich bei solcher Beschaffenheit des
Lehrens und Lernens die Individualität
 
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