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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Schulz, Fritz Traugott: Die Wiener in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0147

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Die Wiener in Nürnberg.

eindrucksvollen Darstellung des malerisch auf-
gebauten Städtchens Krumau in Böhmen, E rn s t
Eck mit seinem stimmungsschweren Dürnstein
an der Donau, einem Bilde, in dem vor allem
das Ärmliche der Gegend herausgeholt ist, ferner
Dr. Alfred Poll, dessen großzügige Winter-
bilder ungemein starkauffallen, Richard Harl-
finger mit drei Ausschnitten aus der Wachau,
die in weiten Fernsichten den Habitus dieses
herrlichen Stückchens Erde greifbar reflektieren,
Josef Stoitzner mit einem sonnigen Motiv
aus Kirchberg am Wechsel, das unwillkürlich
an Goethes Mailied erinnert (Abb. S. 125), und
Ludwig Sigmundt, dessen strichelnde Manier
sich vor allem für trübe Stimmungen eignet.
Wilhelm Dachauer schildert in seiner „Obst-
ernte" in leicht an Richter anklingender, in
modernem Sinne selbständiger Art die Seg-
nungen des Herbstes. Viel Gutes bietet
auch die kleine Schwarzweißgruppe der Sezes-
sion. Es genügt, die Namen von Ferdinand
Schmutzer, dessen virtuose Radierkunst auch
hier wieder in günstigstem Licht erscheint, von
Karl Friedrich Bell, KarlMüller, Alfred
Offner und Franz Wacik zu nennen, um
damit das Milieu, in dem sich diese Abteilung
bewegt, wenigstens anzudeuten.

Ernst und Größe der Auffassung, bewährtes
Können und reife Meisterschaft ergeben sich
als Kennzeichen der Sonderkollektion der
Künstlergenossenschaft. Wenn man sich
in die Betrachtung dieser meist großen Wer-
ke , denen die Künstler durch gründlichste
Erschöpfung des Vorwurfs allgemeinen Wert
zu leihen gewußt, vertieft, wenn man von Bild
zu Bild wandert und immer wieder neue Ideen,
neuartiges Wollen entdeckt, so ist es, als blät-
tere man in einem Codex aus fern zurück-
liegenden Zeiten, in dem jeder Satz, ja jedes
Wort seine Bedeutung hat und uns somit zum
Nachdenken anregt,zumNachempfinden zwingt.
In Oswald Grills großem Bild „Winter"
(Abb. S. 131) ist der Winter wirklich Winter,
d. h. es ist an einem an sich schlichten Motiv
das Wesen des Winters ergründet, in Bildform
gegossen, von grüblerischem Geist durch-
drungen und damit zum Reflex dessen ge-
macht, was wir gemeinhin unter dem Namen
„Winter" begreifen. Es friert den Betrachter
vor dem Bilde und doch kann er sich nicht
enthalten, den unsagbaren Reiz dieser herr-
lichen Winterlandschaft ganz in sich aufzu-
nehmen. Wie winzig klein, wie unsagbar un-
wichtig erscheint die kleine Figur des schreiten-
den Mannes gegenüber der Allgewalt der Schöp-
ferkraft, wie sie uns Ferdinand Brunner in
seinem großen Bild „Der Wanderer" offenbart!

Und doch, wie leer wäre das Bild, wenn in
ihm die Krone der Schöpfung, der Mensch,
fehlte ! Nicht minder inhaltsschwer istThomas
Leitners „Verlorenes Paradies". Und was hat
Emanuel Baschny in seinen reizenden Na-
turausschnitt, den er in der feuchten Stimmung
nach einem Gewitter mit scharfem Malerauge
sah, hineinzuzaubern gewußt! Wie von einem
drückenden Alp befreit, scheint die Natur wie-
der aufzuatmen (Abb. S. 121). Auch Hugo
D ar n a ut s nordische Heidelandschaften wirken
unmittelbar auf unser Empfinden ein. In gestei-
gertem Maße gilt dies von Eduard Kasparides
großem Bild „Porte Pille bei Ragusa", während
Künstler wie Friedrich Beck, Josef Köpf,
Eduard Zetsche undMax Suppantschitsch
die Natur rein als Natur sehen und wieder-
geben. Dort Umsetzung des der Natur Abge-
lauschten in Empfindungswerte, hier reine Wirk-
lichkeit! — Im Gegensatz zur Sezession hat die
Genossenschaft eine stattliche Reihe trefflicher
Porträts aufzuweisen, und zwar sowohl der äl-
teren bewährten, in ihrer unverrückbaren Treue
und peinlichen Sorgfalt immer wieder erfreuen-
den Art (Heinrich von Angeli (Abb. S. 127),
Fritz Zerritsch, Heinrich Rauchinger),
wie der neueren Richtung, die einerseits nur
auf das Charakteristische im Gesichtsausdruck
ausgeht, anderseits den Reiz der Persönlichkeit
durch glänzende Stoffe noch zu heben sucht
(Wilh. Viktor Krauß (Abb. S. 120), Viktor
Stauffer). Das markige Bildnis des Ministers
Marchet von Stauffer bildet geradezu einen
Ruhepunkt in der Ausstellung. Von Hugo
Charlemonts viel gerühmter Stillebenkunst
haben wir in seinem Dachstubenwinkel mit
alten vergilbten Folianten ein treffliches Beispiel.
Max von Poosch führt ähnlich wie der
Sezessionist Ernst Stöhr mit seinem Zuge der
hl. drei Könige den Beweis, daß man ein altes
Thema mit Glück auch in ein neuzeitliches Ge-
wand kleiden kann. Artur Straßer läßt in
seiner technisch virtuosdurchgeführtenMajolika-
figur eines Bischofs die monumentale Grabmal-
kunst der Frührenaissance wieder aufleben,
während Franz Zelezny („Schmerzhafte Mut-
ter") und namentlich Karl W oll ek („Christus")
auf eine selbständige Lösung alter Thematas
ausgehen. Flott und lebendig geben sich An-
ton Endstorfers „Brunnenknabe" und Josef
Breitners „Rattenfänger".
— Ich komme zur Klimtgruppe. Sie ist nicht
jedem faßbar, aber gleichwohl flößt sie Achtung
ein. Hier flotte Mache, gänzliches Sichlossägen
von aller Konvention, durchaus eigenes Wollen
und Streben. Dort — und daher rein äußer-
lich eine starke Dissonanz! — hochentwickelte
 
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