Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI Artikel:
Schulz, Fritz Traugott: Die Wiener in Nürnberg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0148

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Wiener in Nürnberg.

Kultur, glänzendes Können, abgeklärte Ruhe,
Raffinement. Es wird schwer, zwei so ver-
schieden geartete Künstler wie Karl Moll
(Abb. S. 123) und Oskar Kokoschka dicht
nebeneinander zu verstehen. Moll ruhig, wür-
devoll, sicher, gereift und doch keineswegs
rückständig. Kokoschka wirr drauflosstürmend,
extravagant, weder maltechnisch noch zeichne-
risch recht faßbar.noch ungeklärt. Wie ungemein
beruhigend wirkt dem gegenüber Anton Fai-
stauers bestimmte und festumrissene Art
(Abb. S. 129) oder Koloman Mosers gehalt-
volles Bild „Regentag". Und dann endlich die
hochentwickelte Kunst Gustav Klimts, bald
aus dem Born der Natur schöpfend, bald rätsel-
haft, bunt, symbolisch, allegorisch und teilweise
zum Widerspruch herausfordernd. Klimt kennt
und studiert die Natur. Die ausgestellten Land-
schaften zeigen, daß er scharf beobachtet und
ihre Gesetze keineswegs verleugnet. Sein
„Forsthaus", seine „Kirche am See", sein
„Garten in Riva" sind Schöpfungen, so wahr
und so naturecht, dabei so locker und weich
hingestrichen, so duftig und frisch, daß man
eine gewisse Spanne Zeit gebraucht, um neben
ihnen sein auf den ersten Blick japanisch anmu-

tendes Damen-Porträt oder sein symbolisches
Werk „Tod und Liebe" gleich zu verstehen.
Aber Klimt ist Klimt, immer eigenwillig und ganz
seine eigenen Wege gehend, unbekümmert um
das Urteil der Menge. Aber ist es nicht kolossal,
wie Klimt den Gegensatz von Tod und Liebe
bewältigt und verschärft, wie er das Gräßliche
des auf seine Beute lüsternen Todes einerseits
und das anmutige, ahnungslose Träumen ander-
seits durch teils abstoßende, teils dem Auge
wohltuende, mosaikartig aneinandergereihte
Farben zu steigern gewußt hat! Man ist fast
versucht, von feindlichen oder häßlichen und
von sympatischen oder freundlichen Farben zu
sprechen. „Eine Farbensymbolik" wäre die
passendste Bezeichnung für diese auf hoher
Stufe stehende Schöpfung.

Die Wiener Kunst unserer Tage stellt keines-
wegs ein in sich abgeschlossenes Ganzes dar.
Überall gärt und brodelt es und sproßt und keimt
auf wohl vorbereitetem Boden die junge Saat.
Aber ein gemeinsamer Zug eint doch das im
einzelnen so verschiedenartige Streben, das ist
ein raffinierter Geschmack, eine hohe Malkultur
und eine wohltuende ^Eleganz. Die Wiener
Kunst ist eben in erster Linie Gefühlskunst. —

FELIX ALBRECHT HARTA -WIEN. GEMÄLDE »ENTFÜHRUNG«
 
Annotationen