Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI article:
Lux, Joseph August: Österreichische Werkkunst
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0184

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Österreichische Werkkunst.

PROFESSOR OSKAR STRNAD—WIEN.

»BLICK IN EIN SCHLAFZIMMER«

der ganzen Alpenkette, die im Süden bis auf
Sehweite zur Stadt heranrückt. Alle diese
Elemente sind in der Stadtseele als lebendige,
wirksame Kräfte tätig, als ein verbindendes
Allbewußtsein, das so viele Gegensätze, land-
schaftliche,menschliche, kulturelle vereinigt, und
den Genius loci bildet, davon jeder Schaffende
hier irgendwie ein Ausdruck ist. Der Fremde,
der zu uns kommt, mag vielleicht zunächst
enttäuscht sein, weil man diese vielseitig zu-
sammenwirkenden Elemente nicht äußerlich mit
dem Finger zeigen kann; aber sie sind ein inner-
lich Gegenwärtiges, das im Gefühlsleben seinen
Bestand hat, und das man selbst nur wieder
durch ein gleichgestimmtes Fühlen kennen
lernen kann. Man muß es innerlich erleben.

Weil aber der hiesige Mensch das Nahe und
längst Gewohnte seiner Stadt nicht missen kann
und doch zugleich so stark in dem Fernen lebt,
so tut ihm das Ferne den Gefallen, zu ihm zu
kommen und in seiner Gefühlsweise da zu sein,
um an seinem Werk mit magischen Händen mit-
zuschaffen. Das gibt dem heimatfrohen Öster-
reicher sein ihm angeborenes Wesen der Uni-
versalität. Ein Genius, der diesen tiefsten
Grundzug des österreichischen Geistes am sicht-
barsten verkörperte, war Mozart. Erist derrhyth-
mische Ausdruck der österreichischen Land-
schaf t und der österreichischen Seele und zugleich

war er in diesem höchsten Maße Europäer, daß
die gesamte Kunst seiner Zeit und aller Kultur-
völker in ihm ihre Erfüllung fand. Aber er war
zugleich der rhythmische Ausdruck der öster-
reichischen Kaiserstadt, die selber bei all ihrer
Eigenart ein universelles Gleichnis ist. Daran
muß man denken, wenn man irgendwie den Weg
auch heute zu unseren schaffenden Menschen
finden will, gleichviel wie groß oder wie klein
sie im Verhältnis zu diesen Beispielen stehen,
oder wie groß oder wie klein die Provinz ihrer
Kunst ist. Man muß daran denken, daß im
Herzen der Stadt das tiefe deutsche Gemüt sich
einen steinernen Baldachin errichtet hat und in
dem mystischen Dunkel der Stephanskirche
seine Gottesgedanken hegt, Unendlichkeits-
gedanken , die zur geistigen Luft dieser Stadt-
seele gehören. Das Fernste ist zugleich das
Nächste und blüht im gotischen Stein hervor
als gemeißeltes Bild oderLegende. Das Sinnlich-
Besinnliche spricht hier stärker als irgendwo
und drückt das Wesen unserer Kunst aus. Und
kommen wir schon nicht immer hinaus in den
Wiener Wald, so kommt doch er herein, mitten
in das Herz und steht als Wahrzeichen am Stock
im Eisenplatz, als jener älteste Baum der Welt,
über und über benagelt und eisengepanzert von
den kunstgerechten, gottseligen, wandernden
Schlossergesellen, die seit Jahrhunderten nach
 
Annotationen