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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Lux, Joseph August: Österreichische Werkkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0186

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Österreichische Werkkunst.

GRETE PAPPENHEIM—WIEN.

junge Wein blüht. Wie hoch oder wie
diese Ahnenschaften auch sein mögen, immer
kommen sie als ein Bodenständiges zum Aus-
druck, als ein Produkt des Genius loci dieser
Stadt, die auf alle österreichischen Provinzen
abfärbt und aller österreichischen Kunst den
unverkennbaren Familienzug gibt. Das Sinnende
der österreichischen Seele ist das eigentliche
Merkmal unserer Kunst. Das abstrakte, ana-
lytische Denken ist ihr nicht im gleichen Maße
gegeben; sie lebt mehr im Schauen, in Bildern
und Vorstellungen, darin sich Nahes und Fernstes
zwanglos verknüpfen. In diesem Sinnen, das
sich mit aller Welt innerlich in Übereinstimmung
setzt, liegt die Universalität des Österreicher-
tums. Sie strebt nicht so sehr nach außen, sie
hat keinen Expansionstrieb, sie ist vielmehr
voll Innerlichkeit, eine persönliche Angelegen-
heit, in der es jeder mit sich zu tun hat. Das
bewirkt leicht, daß sich jeder auf sich selber
zurückzieht, auf sein Eigenes, was wieder zur
Folge hat, daß so viele schöpferische Naturen
bei uns in Verborgenheit oder Verkanntheit
leben, wofür es außer Grillparzer, Raimund,
Schubert noch unzählige Fälle hierzulande gibt.
Wenn es einmal anders ist, dann ist es höchstens
ein Ausnahmefall. Das Gefühl der Zurück-
setzung erzeugt wohl auch zuweilen eine ge-
wisse Verbitterung oder vergrößert zumindest

HANDTASCHEN MIT STICKEREI.

eine bloße Verstandessache sei, wie über-
haupt Kunst niemals eine bloße Verstan-
dessache ist. —■ Dies alles, soweit es
scheinbar abliegt, sind doch ganz notwen-
dige und zielstrebige Wegweiser zum
schaffenden Künstler auch von heute, wie
verschieden sein Tun äußerlich auch sein
mag. So amerikanisch sich beispielsweise
Otto Wagner in seinem Großstadt-Entwurf
für den 21. Bezirk Wiens geben mag, so
ist doch unverkennbar, daß tief in seiner
Gefühlsweise die Wienerische Note des
Empires sitzt, ihm selber vielleicht ganz
unbewußt, trotz aller Utilitätsgedanken,
denn solche Nützlichkeitsprinzipien hatten
auch die früheren Bauepochen. Und wenn
ich auf andere lebende Künstler hinblicke,
so finde ich, daß sie in ihrer heimatlichen
Weise doch auch diesen universellen Zug
nach dem Fernen hin haben, dieses sich
Einsfühlen mit Gott und aller Welt, wobei
das scheinbar Entlegenste zugleich das
Allernaheste ist, ob es nun orientalische
oder westliche Einflüsse sind, das reiche
Kunsterbe des 18. Jahrhunderts oder der
Wunderborn slavischer und magyarischer
Volkskunst oder die biedermeierliche
Schlichtheit ländlicher Bezirke, wo der
hoch oder wie fern die Weltscheu und zwingt den Einzelnen, sich
noch mehr in seine Schale zurückzuziehen und
darin wie die Auster Perlen zu zeugen. Aber
die Verborgenheit der Stellung hat keinen ge-
hindert, mit dem Tiefsten der Welt in Gemein-
schaft zu leben, im Gegenteil; wohl aber be-
günstigt sie die Sonderlingsart und nirgends
gibt es, auch im kleinen, so viele Individualitäten
wie hierzulande. Universalität kann nur auf
Individualismus gestellt sein; sie drückt sich
bei uns aus allen diesen geheimen oder offenen
Ursachen immer auf intime Weise aus, ja die
Stadt selbst ist ein Beispiel davon, sie ist die
einzige intime Großstadt der Welt, in der man
wirklich noch angenehm wohnen kann; ja sie
ist als Großstadt glücklicherweise keineswegs
so schematisiert wie andere moderne Welt-
städte; sie ist vielmehr ein Konglomerat von
Provinzstädten oder Bezirken, die ebenfalls
lauter Individualitäten sind und sozusagen alle
österreichischen Wesenszüge in sich verkörpern.
Und dieses zweite Gesicht der Stadt blickt aus
der österreichischen Werkkultur hervor.

Von dem was die Lebendigen heute in Öster-
reich schaffen, bekommt man einen teilweisen
Anschauungsunterricht durch das bei Anton
Schroll, Wien, 1916 erschienene Werk von
Max Eisler „Österreichische Werkkultur",
davon das gegenwärtige Heft einige Beispiele
 
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