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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Habicht, H.: Kultur und Kunst (Wünsche und Ziele)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0272

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Kultur und Kunst f Wünsche und Ziele).

sondern die Gesamtanschauung der Umwelt,
also die reine Kultur, wird die Möglichkeit zum
Reifen einer neuen stilkräftigen und stilbilden-
den Kunst erwecken können. Eine rück-
blickende Betrachtungsweise wird nicht zögern,
der Religion — im weitesten Sinne — die neu-
bildende Kraft als Erweckerin zuzubilligen.
In der Tat sind es ja um 1400 in Egypten, um
500 in Griechenland, um 1100 im Norden usw.
die breiten religiösen Strömungen gewesen, die
eine Änderung des Lebensgefühles und der
Weltanschauung im Gefolge hatten und damit
die Kultur und Kunst eines Echnaton, eines
Perikles, des Mittelalters usw. geschaffen haben.
Es konnte nicht ausbleiben, daß man aus diesen
Gründen auch in unseren Tagen eine Erneue-
rung von den tatsächlich bemerkbaren religiösen
Wallungen erhoffte. Allein , die völlig verän-
derte Zusammensetzung unserer Gesellschafts-
schichten, die Vielstrebigkeit der religiösen An-
schauungen selbst und die Gleichgültigkeit
weiter Kreise werden es kaum zulassen, daß
wir das Entstehen einer neuen Kultur und

Kunst auf diesem Boden erwarten können. Vor
Allem auch deswegen, weil sich kein Zwang
mehr in dieser Hinsicht ausüben läßt und weil
damit die Geschlossenheit und Einheitlichkeit
— die Grundbedingungen einer jeden neuen,
eigenen Kultur und Kunst — wegfallen. In
Wirklichkeit ruht ja das gewaltige, vereinheit-
lichende Band unserer Tage auch nicht hierauf.
Umso ausgesprochener, klarer und eindeutiger
ist das Fundament, auf dem wir alle stehen und
das zweifellos auch als das der neuen Kultur
und Kunst anzusehen sein wird: das Deutsch-
tum. Von vorneherein läßt sich für die Stel-
lung dieses Zustandes als gebietenden Macht-
haber über unser künftiges Lebensgefühl und
unsere Weltanschauung geltend machen, daß
der Zwang zum deutschen Fühlen und Denken
an und für sich ja kommen muß. Leider hat
die leicht überhebliche Entwicklung der Geistes-
richtung unserer Tage auch unter den Künstlern
eine Anarchistik gezüchtet, die alles andere
eher als eine Unterwerfung unter ein Allge-
meines — was es auch sei — dulden möchte.

E. BARLACH. »RUSSISCHER BAUER« AUSF: SCHWARZEURGER PORZELLANFABRIK.
 
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