Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

DOI Artikel:
Prellwitz, K.: Die "Schlichte Einfalt"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0339

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die -»schlichte Eivfalt<

macht, ist die pädagogische Rückwirkung auf
die moralische Haltung des von den Ausschwei-
fungen der Aristokratie bedrohten oder bereits
angekränkelten Bürgertums. Nicht die Farbe,
nicht die Linie, nicht die Komposition, nicht die
sinnliche Wirkung aufs Auge war ihm wesent-
lich, sondern das Thema um seiner Ehrbarkeit
und Wohlanständigkeit halber. Mehr ein Pastor
denn ein Kunstkritiker, spendete er Beifall,
weil einer auf die Idee gekommen war, den
„Familienvater, der aus der Bibel vorliest",
darzustellen. Daß einer nicht eine auf Aben-
teuer erpichte Schöne beim Schminken und
Pudern, sondern ein die „Hände faltendes
Mädchen" malte, daß er nicht ein intimes Tete
ä Tete heimlicher Genüßlinge, sondern eine
ehrbare Verlobung mit Heiratskontrakt, Ausge-
dinge, mit Freuden- und Rührungstränen bot,
fand er lobenswert und wird in dem Punkt
wenigstens zum Prototyp jener Kunstbetrach-
tung, die über dem Äußerlich-Stofflichen das
eigentlich Künstlerische eines Kunstwerkes
ganz übersieht. Der Philister, zu dem Diderot
redet, der Spießbürger, für den er sich die Mühe
macht, die Kunst auf ihre Brauchbarkeit und
Ordentlichkeit zu untersuchen, machte und man
darf ja wohl auch sagen: macht sich einen Spauz
aus dem, was wir so die malerische Qualität
nennen, ihn interessiert lediglich die Wahl des
Stoffes, die Eindringlichkeit der Tendenz, mit
der er gerade angesprochen wird. Die gute Ge-
sinnung, die Tugendhaftigkeit, die Sentimenta-
lität des Vorwurfs, das ist es, worauf er sich
versteht und was er bei solcher Gelegenheit
an erster Stelle schätzt. Deshalb hat er sich
bei der Wahl zwischen Greuze und Fragonard
für den ehrbar tuenden Kitschkünstler Greuze
entschieden. Der Diderot war das Mundstück
der vom Standpunkt des Künstlers aus banau-
sischen Masse. Ihm ist auch schon das Schick-
sal dieser Massenurteile geworden; die Kunst-
geschichte hat ihn widerlegt, indem sie die
Geister, die er verwarf, in immer strahlenderer
Glorie aufsteigen ließ, während man gegenüber

der Produktion eines Greuze sich damit abfand,
daß man sie „eben als Bilder fürs Publikum,
des raschen Erwerbs wegen gemalt" (Woer-
mann), ablehnte. —Für den lebenden Künstler,
der ringt, der sich durchsetzen will und sich
von denen, die sein Publikum sein sollten, durch
solche Verständnislosigkeit abgeschnitten sieht,
ist solch posthume Rechtfertigung schließlich
nur ein Stimulansmittel. Wer weiß, was Fra-
gonard noch geschaffen, wie die französische
Kunst zur Zeit des Interregnums, bis Ingres
und Delacroix da waren, sich entwickelt hätte
ohne diese Ästhetik kunstfremder Dogmen.

Und es ist die Frage, um wieviel Kunst, um
wieviel schöpferische Leistung auch wir uns
betrügen durch ein verkehrtes Dreinreden,
durch Vorschriften und Forderungen, die un-
sachlich an den Schaffenden gestellt werden.
Die Gefahr scheint heute weniger groß, weil es
eine allein seligmachende Ästhetik nicht mehr
zu geben scheint und weil der Schaffende heute
erzogen ist, mit einer gewissen Entrüstung
Zumutungen abzulehnen, die ihm vielleicht am
wenigsten von der Seite der Kritik, aber doch
immer noch von einem künstlerisch ungebildeten
Publikum gemacht werden. Das mag eine ge-
wisse Gelassenheit rechtfertigen; aber es ist zu
bedenken, wieviel Kraft, wieviel Lebenskraft
unsere Schaffenden verbrauchen, verzetteln
müssen in der Abwehr solcher Forderungen,
wie viele künstlerisch und seelisch zugrunde
gehen, indem sie schließlich vor dem so unge-
stümen Begehren zusammenklappen, indem sie
das tun, was man „ihren Frieden mit dem Pub-
likum" machen heißt. Man kann sagen, daß
es um diese so wenig Standhaften nicht schade
ist, daß die Kunst ihnen nicht nachzutrauern
brauche, daß solche Auslese vielleicht sogar
im Interesse des großen Kunstganzen zu er-
wünschen wäre. Doch wird man nicht bestreiten,
daß diese Art Kunstleute in jene Kreise, die
sich dem Großen der Zeit so ablehnend ver-
halten, doch noch einen Abglanz des Künst-
lerischen senden könnte.......k. prkllwitz.

porzellan-
manufaktur-
nymphenburg.

tintenzeug. entwurf von professor adelbert nie meyer münchen.

323
 
Annotationen