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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Stiller, Richard: Gedächnis-Ausstellung für Gotthardt Kuehl
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0354

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Gedächtnis-Ausstellung für Gotthardt Kuehl.

und der starken
Farbenbetonung
der Blütezeit be-
sitzen. In Werken,
wie die „Trauri-
gen Nachrichten"
der Münchener Pi-
nakothek (1890),
als Vorläufer des
gleichnamigen und
ähnlich angeord-
neten Gemäldes
derDresdenerGa-
lerie (1893) und
dem unter althol-
ländischem Ein-
fluß entstandenen
Bilde „Plauder-
stunde "(Ende der
1880 er Jahren)
klingt nicht nur
der auchheut noch
nicht erloschene

Zeitgeschmack
nach (der im Bilde
nur das Gegen-
ständliche sucht),
sondern vollzieht
sich bereits der
Übergang durch
tonlichen Schmelz
und stärkere Her-
vorkehrung des

Farbig-Maleri-
schen. — Für den
malerischen Stoff-
bereich Kuehls,
dem er in wei-
ten Umrissen treu
blieb .mögen schon
frühe Jugendein-
drücke bestim-
mend gewesen
sein. Die nieder-
deutsche Heimat

bot dem Sohne der alten Hansastadt Lübeck
einen reichenSchatz an architektonischenBildern
in Hafenplätzen und Straßen, Kirchen und merk-
würdigen Gebäuden mit altertümlichen Räumen.
Die wohlvertrauten Orte zogen ihn auch bis in
seine letzten Lebensjahre immer von neuem an
und fanden in mannigfachen Motiven aus seiner
Vaterstadt, aus Travemünde, Hamburg und
anderen nördlichen Städten bis hinauf nach
Danzig durch ihn künstlerische Gestalt. Im
Lübecker Dome und zumal im Waisenhause
fand er sich malerisch angeregt. Das Rot und

GOTTHARDT KUEHL t DRESDEN. GEMÄLDE »PLAUDERSTUNDE« UM 1890.

Blau der Tracht
der Waisenkinder
gab ihm dieGrund-
f arben für dasDrei-
teilbild der Dres-
dener Galerie
(1892) und das
Rot gibt den far-
bigenKlang in dem
Bilde derStrümpf e
stopfenden Wai-
senkinder vom
Jahre 1912. —
Indessen hatte es
Kuehl, der in Dres-
den seine Studien
begonnen und in
München fortge-
setzt hatte, wie
Liebermann und
viele andere deut-
sche Künstler, in
den 1870er Jahren
nach Paris, der
Hochschule der
Malerei des 19.
Jahrhunderts, ge-
lockt. Die An-
regungen , die er
von dort aus der
unmittelbaren Be-
rührung mit der
neuen Naturbe-
trachtung des Im-
pressionismus mit
heimbrachte, be-
gründeten seine
Eigenart als Ma-
ler und sind an
dauerndem Werte
nicht vergleichbar
mit den prakti-
schen Fingerzei-
gen für eine be-

liebte Stoffwahl,
die er (nebst andern Malern) von seinen Ab-
stechern nach Holland aus den Werken der
gemütlichen alten Holländer herauslas. Der
Schüler Frankreichs und Hollands besaß aber
das nötige Maß von eigener malerischer Trieb-
kraft und Geist, um das Empfangene selbständig
zu verarbeiten. Dazu fand er namentlich in
der heiteren Barock- und Rokokopracht der
katholischen Kirchen Süddeutschlands und
Österreichs die natürlichsten Anreize. Da
flutet das Licht durch die weiten Räume und
löst das Weiß der Wände auf in eine Fülle

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