Begleit - Wort.
georg kolbe—berlin. kleinplastik »traum«
Hauptspaß bei der Sache, das Suchen, das Mar- kulativ. Personliche Veranlagung der Begabung
schieren. Heute entstehen meine Arbeiten über- ist durchaus vom Begriff des Künstlerischen zu
haupt nicht mehr vor der Natur, außer Zeich- trennen. Die ägyptische Plastik ist sicher eine
nungen, in denen ich Bewegungen einfange. Ich Musterschule für den Bildhauer. Michelangelo
bin dem Wesen des Plastischen nähergekom- darf ich aber trotzdem bewundern, und beim
men, kann der Form an sich mehr Ausdruck Anblick einer extatischen Schnitzerei der nor-
geben. Meine Skulpturen sind architektonischer dischen Gotik erregt werden,
geworden. — Und so wird der Marsch weiter Das bildhauerische Werk ist geordnete Form
gehalten, ich kenne die Richtung meines Weges, zu bestimmtem Ausdruck in einem bestimmten
Der Deutsche liebt im allgemeinen das Pro- Material. Jede große Kunstzeit pflegte ein
blematische, das Ungelöste. Ich hingegen strebe gutes Handwerkerwissen. Einer überlieferte es
nach dem Gelösten. Man sagt deshalb tadelnd dem anderen und selbst der Stümper profitierte
von mir, daß ich keine Probleme habe. Es ist davon. Obwohl nun auch heute solche Erhal-
aber bei mir üblich, die Aufgabe vorher nach tung aller Erfahrungen als kostbar erkannt wird,
Möglichkeit zu lösen, ehe ich das Werk fertig gefällt man sich, besonders bei uns im Lande,
erkläre. Bei uns will man immer gern ein Frage- in nörgelndem Anderswollen als der Andere —
zeichen haben, dann läßt sich so gut mitreden in parteiischem Gezänk. Überlieferung über-
und mitberaten. Man hält das Ungelöste auch nehmen gilt als Beeinflußt-sein, als Schande,
für tiefer. Der Deutsche erlebt Kunst nicht mit Welche Querköpfigkeit, welcher Selbstmord!
den Augen, sondern mit dem Hirn oder dem Auseinandersetzung, aktiver Streit sind gut
Gemüt. Formvollendung vermißt er nicht, wo und fruchtbar, wenn sie dem gemeinsamen
sie fehlt. Ich aber suche nur sie. Ganzen dienen, ohne Liebe zu diesem hin-
Und dann noch im Besonderen gilt mir das gegen morden sie jegliches Leben.
Skulpturale als „gegenständlich" nicht als „bild- In Sportsachen weiß heute das Volk schon
haft". Eine Skulptur ist allseitig. Hildebrandt's so ziemlich Bescheid— erkennt die Notwen-
Theorie verstehe ich nicht. digkeit ernster Tradition und deren Pflege. Mit
Man sagt, dies oder jenes habe etwas Goti- Selbstverständlichkeit wird der Mann entlarvt
sches und schwärmt dafür, wenn gotisch gerade und abgelehnt, der nicht „fair" kämpft. In
Mode sein sollte. Aber ob barock oder gotisch, der Kunst aber ist die Masse ahnungslos und
ob ägyptisch, chinesisch oder sonst wie, das klatscht noch Beifall, wo Frechheit und Nicht-
ist ganz und gar gleichgültig. Eine solche Ein- können sich vordrängt und das Maul unVer-
stellung ist sentimental, snobistisch oder spe- antwortlich weit aufreißt............ g. k.
georg kolbe—berlin. kleinplastik »traum«
Hauptspaß bei der Sache, das Suchen, das Mar- kulativ. Personliche Veranlagung der Begabung
schieren. Heute entstehen meine Arbeiten über- ist durchaus vom Begriff des Künstlerischen zu
haupt nicht mehr vor der Natur, außer Zeich- trennen. Die ägyptische Plastik ist sicher eine
nungen, in denen ich Bewegungen einfange. Ich Musterschule für den Bildhauer. Michelangelo
bin dem Wesen des Plastischen nähergekom- darf ich aber trotzdem bewundern, und beim
men, kann der Form an sich mehr Ausdruck Anblick einer extatischen Schnitzerei der nor-
geben. Meine Skulpturen sind architektonischer dischen Gotik erregt werden,
geworden. — Und so wird der Marsch weiter Das bildhauerische Werk ist geordnete Form
gehalten, ich kenne die Richtung meines Weges, zu bestimmtem Ausdruck in einem bestimmten
Der Deutsche liebt im allgemeinen das Pro- Material. Jede große Kunstzeit pflegte ein
blematische, das Ungelöste. Ich hingegen strebe gutes Handwerkerwissen. Einer überlieferte es
nach dem Gelösten. Man sagt deshalb tadelnd dem anderen und selbst der Stümper profitierte
von mir, daß ich keine Probleme habe. Es ist davon. Obwohl nun auch heute solche Erhal-
aber bei mir üblich, die Aufgabe vorher nach tung aller Erfahrungen als kostbar erkannt wird,
Möglichkeit zu lösen, ehe ich das Werk fertig gefällt man sich, besonders bei uns im Lande,
erkläre. Bei uns will man immer gern ein Frage- in nörgelndem Anderswollen als der Andere —
zeichen haben, dann läßt sich so gut mitreden in parteiischem Gezänk. Überlieferung über-
und mitberaten. Man hält das Ungelöste auch nehmen gilt als Beeinflußt-sein, als Schande,
für tiefer. Der Deutsche erlebt Kunst nicht mit Welche Querköpfigkeit, welcher Selbstmord!
den Augen, sondern mit dem Hirn oder dem Auseinandersetzung, aktiver Streit sind gut
Gemüt. Formvollendung vermißt er nicht, wo und fruchtbar, wenn sie dem gemeinsamen
sie fehlt. Ich aber suche nur sie. Ganzen dienen, ohne Liebe zu diesem hin-
Und dann noch im Besonderen gilt mir das gegen morden sie jegliches Leben.
Skulpturale als „gegenständlich" nicht als „bild- In Sportsachen weiß heute das Volk schon
haft". Eine Skulptur ist allseitig. Hildebrandt's so ziemlich Bescheid— erkennt die Notwen-
Theorie verstehe ich nicht. digkeit ernster Tradition und deren Pflege. Mit
Man sagt, dies oder jenes habe etwas Goti- Selbstverständlichkeit wird der Mann entlarvt
sches und schwärmt dafür, wenn gotisch gerade und abgelehnt, der nicht „fair" kämpft. In
Mode sein sollte. Aber ob barock oder gotisch, der Kunst aber ist die Masse ahnungslos und
ob ägyptisch, chinesisch oder sonst wie, das klatscht noch Beifall, wo Frechheit und Nicht-
ist ganz und gar gleichgültig. Eine solche Ein- können sich vordrängt und das Maul unVer-
stellung ist sentimental, snobistisch oder spe- antwortlich weit aufreißt............ g. k.