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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Knoll, Petar: Arbeiten aus süd-slavischer Kunstwerkstätte
DOI Artikel:
Unus, Walther: Wille , Idee und Leidenschaft in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0286

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ARBEITEN AUS SÜD-SLAVISCHER KUNSTWERKSTÄTTE.

Nachstehende Abbildungen bringen zwei
kunstgewerbliche Arbeiten von der Hand
der Frau Ruza Mestrovic, der Gattin des Bild-
hauers Ivan Mestrovic, welche sich in Zagreb —
dem Sammelpunkte südslavischer Künstler —
ihrem Kunstgewerbe widmet.

Eines davon ist ein gesticktes Bild mit der
Muttergottes und dem Jesuskinde von Engel-
scharen umgeben, gefaßt in einem getriebenen
Zinnrahmen von quadratischer Form. Das Bild-
chen ist flächenhaft aber mit Raumkonzession
komponiert. Gesicht und Gebärde der stili-
sierten Figuren und ihre symmetrische Anord-
nung verraten einen Zug strenger Feierlichkeit,
der an den Stil mittelalterlicher Schmelzkunst
gemahnt. Mittelalterlich empfunden ist auch
der getriebene Zinnrahmen darum, mit jener
feinen Rankenbordüre und den althergebrachten
Evangelisten-Symbolen in den Ecken. Kräftig
differenziert ist hier die tiefergelegene, getrie-
bene Fläche zum äußeren scharfkantigen Lei-
stenrabmen und dem hervorspringenden Kreis-
rund, welches das gestickte Bild umrahmt.

Mittelalterlich spricht uns auch das Reli-
quienkästchen an, welches uns zwei wei-

tere Abbildungen veranschaulichen. Zunächst
seine bauwerkliche Form mit dem steilen Dach-
deckel, aber auch die getriebenen Gestalten
auf den Flächen, wenn auch ihre unvergleich-
lich schöne und ausdrucksvolleZeichnung durch-
wegs expressionistisch gedacht ist. Vorne die
Beweinung Christi, darüber ein kniendes Engels-
paar, an den seitlichen Dachsteilen Paare von
Engelsköpfen, und an den beiden Seitenwänden
je ein kniender Engel. Die Figuren sind auf
gerauhtem Grunde in hoher Treibarbeit aus-
geführt und auf starke Lichtwirkung berech-
net. Die altertümlich kubische Form des Käst-
chens, welches auf jedes Ornament verzichtet,
und das ausdrucksvolle Figuren-Relief darauf
schließen sich zu einem äußerst wirksamen
Ganzen zusammen.

So berührt sich Mittelalter mit modernem
Schaffen. Im Kunstgewerbe vielleicht noch
mehr, als in den freien Künsten. Aber auch im
slavischen Süden vielleicht noch mehr als sonst,
wo doch ernster Geist mittelalterlicher Kunst
niemals erloschen und ein durch Jahrhunderte
geläuterter Fnrmsinn zur treibenden Kraft zeit-
genössischer Kunst geworden ist. dr. p. knüll.

WILLE, IDEE UND LEIDENSCHAFT IN DER KUNST.

Es ist das schöne Vorrecht der Gegenwart,
sich zu überschätzen. Um den zum Neu-
gestalten nötigen Schwung zu haben, den wir
Wille nennen, sobald er an der Oberfläche des
Bewußtseins erscheint, brauchen wir dielllusion:
jetzt wird das Wichtige getan, die Natur er-
obert und erhoben, der Kern der Dinge ent-
deckt, das Glück der Vollendung ist nahe. Dem
Strom dieser vorquellenden Fluten pflegen wir
Namen anzuheften, Ideen zu unterlegen, wie
Wegweiser an Straßen stehen. So sollen uns
auch die Schlagworte der Kunstrichtungen nur
über das geistige Gelände orientieren, aber wir
alle, Künstler wie Kunstfreunde, dürfen keinen
Augenblick vergessen, daß das einzig und allein
Wichtige, Maßgebende, Bleibendenurdie Kunst-
werke selbst sind, die geschaffen werden; daß
kein noch so kluges Wort über sie an ihnen
haften bleibt und ihnen in der Zukunft Wert
gibt und Beachtung sichert. Und bedeuten
können sie nur etwas durch das, was sie er-
obert haben. Was erobern die Kunstwerke, die

heute bei uns geschaffen werden? Die Frage
scheint zuerst unbeantwortbar. Der Masse nach
— und diese ist unbedingt wichtig, denn sie
charakterisiert die Gesamtbedingungen, unter
denen überhaupt Bilder gemalt und gebraucht
werden, — der Masse nach beweist jedegrößere
Kunstausstellung eine solche Fülle völlig mit-
einander unvereinbarer Tendenzen, Wünsche,
Ziele, Bedürfnisse, daß wir in dieser Buntheit
keine Synthese finden können. Doch klärt sich
die Lage schnell: wir erinnern uns, daß nur Er-
oberungen — nicht Wiederholungen etwa, Recht
auf Dasein geben. Bunt war ja zu allen Zeiten
die Fülle der Kunstproduktionen, die heterogen-
sten Dinge wurden nebeneinander geschaffen,
aber organischer Zusammenhang verknüpfte
immer Meister und Schüler, die man stets zu-
sammenfassend betrachtet, trotz der chrono-
logischen Unterschiede; und so fügen sich die
still Fortarbeitenden geräuschlos an ihre Vor-
gänger, — erobert wird zu unserer Zeit nur
durch den Expressionismus; — freilich ein

XXVII. Februar 1921. C
 
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