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86 II. Abschnitt: Leukas, das homerische Ithaka. (W. Dörpfeld)

zu den drei übrigen Inseln und auch zu Elis besteht. Es wird dort geschildert, was
man von dem Schiffe aus sieht, das um Elis herum nach Delphi fährt (428):

xtti öcpiv imex vecpecov 'I^dx^c; t' öpoc; cnno Tiscpavco
AouAt^iov xe Zd|ar( re xai v\r\eöaa Zär.uv&oc;.

„Und ihnen wurde sichtbar über die Wolken herausragend das Gebirge von Ithaka,
ferner Dulichion mit Same und auch das waldige Zakynthos."

. Wer heute von der Küste von Elis nach Westen und Norden ssieht, erblickt tat-
sächlich zunächst die drei grossen Inseln Zakynthos, Kephallenia und Thiaki und
weiter bei besonders guter Beleuchtung auch die vierte Insel Leukas, deren Gebirge
zuweilen über einem Dunst- oder Wolkenschleier sichtbar ist.

Nach diesen zahlreichen Bestätigungen dürfen unsere drei aus den Worten des
Epos gewonnenen Erkennungzeichen für das homerische Ithaka als vollkommen ge-
sichert gelten und daher ohne jedes Bedenken benutzt werden, um das wahre home-
rische Ithaka wiederzuerkennen. ..... . '

Zu diesem Zwecke wollen wi(r uns zunächst fragen, ob das heutigelthaka
allen Anforderungen entspricht, die wir nach Homer an die Heimatinsel des Odysseus
stellen müssen, und ob insbesondere die drei Erkennungszeichen auf diese Insel passen.
Werfen wir, um diese Frage zu beantworten, einen Blick auf die Karte der jonischen
Inseln (Tafel 1 und 19), so können wir mit Bestimmtheit folgendes feststellen:

1. Das heutige Ithaka ist unzweifelhaft eine der vier „schön-abendlichen" Inseln,
die im Westen Griechenlands liegen und nach Homer zum Reiche des Odysseus ge-
hörten. Um Thiaki herum liegen ferner tatsächlich ausser den drei grossen Inseln
Leukas, Kephallenia und Zakynthos noch viele kleine, wenig bewohnte Felseninseln.
Aber ein Punkt unseres ersten Merkmals passt nicht. Unter den drei grösseren Inseln,
die Thiaki umgeben, gibt es keine besondere Gruppe von zwei zusammengehörigen
Inseln. Jede liegt für sich: von Ithaka aus südlich Zakynthos, westlich Kephallenia,
nördlich Leukas.

2. Thiaki liegt nicht nahe am Festlande, sondern ebensoweit von diesem entfernt
wie die Inseln Kephallenia und Zakynthos; die vierte Insel Leukas liegt dagegen dicht
an der Küste von Akarnanien. Unser zweites Erkennungszeichen, die Nähe des Fest-
landes, passt also auf das heutige Ithaka absolut nicht; es passt dagegen nur auf Leukas!

3. Ebensowenig entspricht Thiaki den Anforderungen des Epos in Bezug auf die
Himmelsrichtungen. Das homerische Ithaka soll die westlichste der Inseln sein, Thiaki
ist aber die östlichste! Die anderen Inseln sollen von Ithaka aus alle nach Osten oder
auch nach Süden gerichtet sein; nach Osten liegt aber keine der grossen Inseln. Am
meisten nach Westen liegt heute unbedingt die Insel Kephallenia. Das dritte Merkmal
scheint also am besten auf Kephallenia zu passen, während das zweite uns auf Leukas
hinwies. Wie ist das zu erklären? Sollen wir hieraus mit vielen älteren Homerforschern
schliessen, dass Homer die Geographie der odysseischen Inseln gar nicht kannte und
als Dichter das Recht hatte, sich Ithaka im Gegensatz zur Wirklichkeit so zu denken,
wie es ihm beliebte? .
 
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