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eckige Granitblöcke den Ort der Enthauptung
zweier Anführer des Prälatenkriegs am 9. Juni
1458 .
Brunnen. So genannter Luna-Brunnen, dessen
Kopie nahezu in der Mittelachse der Rathaus-
front aufgestellt ist, während das bronzene
Original im Museum für das Fürstentum Lüne-
burg aufbewahrt wird. Er setzt sich über einem
Postament aus zwei vermutlich in gotischer Zeit
von dem Lüneburger Hans Snitker entworfenen
Schalen (110 und 64 cm im Durchmesser) mit
Wasserspeiern in Menschen- und Tiergestalt
und einer um 1540 geschaffenen Mittelsäule
zusammen. Auf einem von wasserspeienden
Löwen verzierten Kugelpostament trägt diese
eine 62 cm große Bronzestatue der Göttin Arte-
mis mit Pfeil und Bogen und dem bekrönenden
Halbmond, die nach dem Raub des Originals
1970 von dem Berliner Harald Haacke nachge-
bildet wurde. Von der in der römischen Mytho-
logie als Mondgöttin mit dem Namen Luna
interpretierten Jagdgöttin leitete man im 16.Jh.
den Namen Lüneburgs her und dokumentierte
damit im öffentlichen Raum die das Zeitalter der
Renaissance charakterisierende humanistische
Gelehrsamkeit mit ihrer Adaption der Antike.
Anstatt eines 1771 installierten Steinbeckens
umgibt den Brunnen eine 1850 nach dem Ent-
wurf des Malers F. Soltaus in der neu gegrün-
deten Lüneburger Eisengießerei Wellenkamp
gegossene Bodenschale, die man wohl bei der
Versetzung des Brunnens in die Mittelachse
gegen Ende des 19.Jh. oder um 1900 mit
Sandsteinplatten ummantelte und mit einer von
Mosaiksteinchen belegten Umrandung versah.
Seiner seit dem Spätmittelalter zunehmenden
Bedeutung im städtischen Gemeinwesen als
ein sowohl wirtschaftliche, rechtliche und obrig-
keitliche Funktionen vereinigender Freiraum
trug die den Marktplatz umgebende Bebauung
Rechnung. Dabei nimmt der sukzessive ausge-
baute Rathauskomplex als einziges Bauwerk
der Westseite stadträumlich, seit der frühen
Neuzeit aber auch verstärkt als Symbol bürger-
lichen Selbstverständnisses die vornehmste
und zugleich dominante Position ein. Korres-
pondierend zu dieser selbstbewussten Haltung
waren die großzügig bemessenen Grundstücke
der nördlichen und südlichen Randbebauung
während des 15. und 16.Jh. vorwiegend von
patrizisch-kaufmännischen Anwesen geprägt,
zumeist im Besitz bedeutender Ratsfamilien. In
diesen Kontext band sich nahtlos der ehemals
an der Nordecke zu den Brodbänken gelegene,
nach dem Erwerb des Grundstücks 1466 auf
Veranlassung des Rates erbaute Schütting ein,
der als Gesellschaftshaus nicht nur der Unter-
bringung und Bewirtung von Gästen der Stadt
diente, sondern auch den Sülfmeistern und
Handwerksorganisationen als Veranstaltungs-
ort für Versammlungen und Feste.
Die einschneidendste Veränderung in die Struk-
tur der mit hochaufragenden Giebelhäusern be-
setzten Platzflanken, die sich nach der Retab-
lierung der herzoglichen Landesherrschaft
1639 als Demonstration wieder erstarkter
Macht verstehen lässt, stellt der Bau des so
genannten Schlosses ab 1696 dar (Nr. 7).
Dabei wurden drei Häuser an der Nordseite des
Platzes durch einen dreiflügeligen, walmge-

deckten Baukörper mit breitgelagertem Haupt-
trakt am Markt ersetzt. Als städtische Ent-
gegnung auf diese architektonische Heraus-
forderung kann wiederum die barocke Überfor-
mung der nun als eigener Baukörper unter
Mansarddächern in repräsentativer Architektur-
sprache auftretenden Rathausfront ab 1703
interpretiert werden, deren neu arrangiertes
Figurenprogramm die Legitimation der jahrhun-
dertelang ausgeübten kommunalen Autonomie
erneut zu beschwören scheint. Die historisti-
sche Umgestaltung der Fassade 1868/69
behielt dieses Konzept bei, konzentrierte aber
die Figurenaufstellung auf den hohen, nun auch
auf der Bedeutungsebene herausgehobenen
Mitteltrakt. Bis heute das Zentrum städtischer
Verwaltung bildend, zog das Rathaus seit dem
19.Jh. die Niederlassung weiterer Behörden in
unmittelbarer Nähe an, die sich entlang dem
nördlichen Straßenzug etablierten: 1849 zu-
nächst die Landdrostei am Ochsenmarkt und
1918 die Einrichtung des vormaligen herzog-
lichen Hauses zunächst als Finanzamt und
wenig später als Land- und Amtsgericht.

Die Südseite des Platzes vermittelt weiterhin
das Bild der im 15./16.Jh. entstandenen Platz-
wand mit der geschlossenen Bebauung mehr-
geschossiger Giebelhäuser. Im Einzelnen er-
streckten sich Veränderungen nicht nur auf
Fassadenerneuerungen des 19.Jh. (Nr. 3, 4),
sondern wie im Falle des Eckhauses Nr. 6 auch
auf den Neubau eines historistischen Wohn-/
Geschäftshauses anstelle eines mächtigen
Backsteinbaus, dessen Eigentümer vom 16. bis
18.Jh. Gewandschneider waren. Das größte
Anwesen der Südseite (Nr. 2), das z. T. bis zur
Apothekenstraße reichte und weitere Gebäude
An der Münze (Nr. 11, 12) umfasste, befand
sich in der 2. Hälfte des 15.Jh. im Besitz der
Patrizierfamilie Lange, bevor es 1645 in das
Eigentum der Familie von Dassel gelangte und
von deren Erben 1860 an den Kupferschmied
Fölsch verkauft wurde. Nachdem es 1873
einen durchgreifenden Umbau erfahren hatte,
wurde das stattliche Haupthaus 1962/63 abge-
rissen und durch einen um Anpassung an die
historische Umgebung bemühten Putzbau mit
Steilgiebel ersetzt. Reste des 1709 erneuerten


Am Markt, so genannter Luna-Brunnen

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