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gehoben. Weitere den Handel skizzierende
Nachrichten betreffen 1421 den Bierverkauf
„uppe dat sand“ und 1570 den Kornverkauf.
Aus einer Verordnung des Jahres 1758 geht
hervor, dass auf dem Sande auch Bauholz
angeboten wurde. Vor der St. Johanniskirche
gab es 1422 Fischbänke.
Neben von der Stadt überwachten Brauchwas-
serbrunnen existierte bereits 1472/75 wohl im
östlichen Teil des Sandes ein Zierbrunnen, der,
allerdings nun im oberen, westlichen Teil des
Sandes, Nachfolger fand, so z.B. den 1908
errichteten und im Zweiten Weltkrieg entfernten
Reichenbachbrunnen, der 1983 Aufstellung am
Reichenbachplatz fand. Um die Mitte des
19,Jh. war der Platz einheitlich mit Kopfsteinen
belegt, unterbrochen von zwei Abflussrinnen,
die wenige, niedrige Zierbäume begleiteten. An-
lässlich von Kanalbauarbeiten wurde er
zunächst 1864/65 neu gepflastert sowie mit
Trottoirs ausgestattet und um 1907 durch zwei
mittige, von Zierbäumchen gesäumte Verkehrs-
inseln strukturiert. Diese Niveauunterschiede
hob die jüngste Neupflasterung 1999/2000
wieder auf. Ausgenommen hiervon sind die
Bereiche der westlich gelegenen Bushalte-
stellen, in deren Umgebung einige Bäume ge-
pflanzt wurden. Die gleichzeitig aufgestellten
Laternen orientieren sich formal an den hier
nach 1858 installierten Gaslaternen.
Den Straßenraum begrenzt auf den beiden
Längsseiten eine geschlossene Bebauung aus
bürgerlichen Hausstätten, deren Grundstücke
sich über die gesamte Blocktiefe erstrecken.
Diese Struktur gewährte auch eine Erschlie-
ßung über die rückwärtigen Nebenstraßen,
nämlich die Glockenstraße im Norden und die
Kalandstraße im Süden. Die variierende Grund-
stücksbreite beträgt im Schnitt zwischen 10
und 15 Meter und erreicht bei den großen Patri-
zieranwesen, die sich insbesondere auf den
rund 80 Meter tiefen Baublock auf der Südseite
des Sandes konzentrierten, bis zu 20 Meter. In
ihrer Kernsubstanz gehen die zwei- bzw. drei-
geschossigen Gebäude zumeist auf eine Er-
neuerung der Bebauung im 15. und 16.Jh.
zurück. Dabei handelt es sich in der Regel um
großdimensionierte giebelständige Dielenhäu-
ser mit massiven Umfassungswänden unter
steilen Satteldächern sowie den zugehörigen,
integrierten Durchfahrten und den teilweise er-
haltenen Hofflügeln. Ihre Bauherrschaft setzte
sich aus Patriziern, Brauern, Kaufleuten und
Spediteuren zusammen. Entsprechend der
Funktion des Platzes hatten aber auch Gast-
wirte sowie Gewerbetreibende hier ihren Sitz.
Gegenüber der Nordseite, an der vor allem das
großvolumige Wohn-/Geschäftshaus Nr. 49
und der benachbarte Neubau Nr. 48 das histo-
rische Bild verunklären, vermittelt die Südseite
des Platzes einen relativ homogenen Eindruck
der in unterschiedlichen Bauphasen überform-
ten Fassaden.
Die östliche Schmalseite des Platzes überragt
die aus der Achse nach Süden verschobene,
zurückliegende Turmfassade der St. Johannis-
kirche. Sie kontrastiert zu der nördlich folgen-
den, vergleichsweise kleinmaßstäblichen Rand-
bebauung. Einen insbesondere durch seine
Schwarzfarbigkeit kräftig wirkenden städtebau-
lichen Kontrapunkt hierzu bildet das Doppel-
haus Am Sande 1, 2 an der Westseite des



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Am Sande 1,2, Haupthaus Nr. 1 1548i

Platzes. Während die Erdgeschosszonen, seit
dem letzten Drittel des 19.Jh. mit Ladenge-
schäften, Gastwirtschaften, Banken und Ge-
werbebetrieben ausgestattet, in der Regel stark
verändert sind, stellen die Giebel einen Quer-
schnitt der bauhistorischen und -künstlerischen
Gestaltung der Lüneburger Architektur dar.
Beginnend bei den ältesten Staffelgiebeln des
14. und 15.Jh. (Nr. 50, 53) reicht das Spektrum
über die unterschiedlichen Phasen der Giebel-
entwicklung der Renaissance (u.a. Nr. 46, Nr.
6/7, Nr. 1, 2) bis hin zu Umgestaltungen in
Volutenform des 18.Jh., wie sie die ehemaligen
Staffelgiebel Am Sande 3, 16, 22 und 27 prä-
sentieren. Aus den dominierenden backstein-
sichtigen Fassaden heben sich durch ihren hel-
len Putz die klassizistischen Überformungen
älterer Fassaden heraus, so die Nr. 31 und Nr.
52, letztere spätklassizistisch instrumentiert, die
durch Einbeziehung einer Durchfahrt außerdem
besonders breitgelagert sind. Im Stil des späten
Historismus bzw. des Heimatstils greifen die
Gebäude Am Sande 4, 14/15 und 49 auf
Lüneburger Architekturformen der Gotik und

Renaissance zurück, wobei jedoch das Haus
Nr. 49, betont durch die mittige Lage auf der
Nordseite, aufgrund seiner Größe und Kubatur
die Maßstäblichkeit der historischen Bausubs-
tanz verlässt. Unterschiedliche Maßverhältnisse
dokumentieren auch die nach dem Zweiten
Weltkrieg errichteten Neubauten Nr. 5 (1959),
Nr. 17 (1977) und Nr. 48 (1973). Seit der jüngs-
ten Neugestaltung ist die Weite des Platzes, die
mit seiner ehemaligen Funktion übereinstimmt,
lange Zeit aber durch eine straßenverkehrs-
orientierte Gestaltung beeinträchtigt war, wie-
der erlebbar. Hingegen sind die ehemals die
Struktur belebenden und raumbildenden Ele-
mente wie Ausluchten, Kellerzugänge und Bei-
schläge fast vollständig verschwunden. Den-
noch stellt der Platz Am Sande mit seiner beid-
seitig geschlossenen Bebauung als städtebau-
liches, stadtbau- und wirtschaftsgeschichtli-
ches Zeugnis einen der historisch hochrangigen
Plätze in Nordeuropa dar.
Am Sande 1. Dreigeschossiges, ehemaliges
Dielenhaus, 1548i für den Brauer Härmen

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