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Fitschen durch den Zimmermeister J. A. Have-
mann wiedererrichtet. Damals am Giebeldrei-
eck des Zwerchhauses die Jahreszahl 1630
(kein ersichtlicher Zusammenhang zum Bau)
sowie das Renovierungsdatum 1894 ange-
bracht. Im verputzten Erdgeschoss mittig zwi-
schen vier faschengerahmten Fenstern über
vier Stufen erreichbarer Rundbogeneingang mit
gestuftem Gewände und barocker Tür mit pi-
lasterbesetztem Stehflügel. Dieser gegenüber
erhebt sich im Hof ein polygonaler Treppenturm
aus Backstein, der zu dem wohl, nach der hof-
seitigen Fachwerkkonstruktion zu urteilen,
gleichzeitig mit dem Vorderhaus errichteten,
westlichen Trakt überleitet. Im Vorderhaus in
einem der westlichen Erdgeschossräume Reste
einer Wandmalerei über der Tür, die zwei über-
einanderliegende Rundbogen-Biforien mit Blei-
rutenverglasung abbildet, zusätzlich im oberen
Feld ein Fruchtgehänge aus Granatäpfeln und
Weintrauben. Im rückwärtigen Flurbereich zwei-

läufige Treppe mit ausgesägtem Brettgeländer
des 18.Jh. Unter dem nördlichen Hausbereich
quer zum First gelagerter Keller mit Segment-
bogengewölbe von ca. 2,35 Metern Scheitel-
und ca. 1,46 Metern Seitenhöhe. Spitzbogiger
Zugang zu der gemauerten Spindel des
Treppenturms.
- Hinterhaus unter Flachdach mit einer in Fach-
werk errichteten Südfassade, das älteres
Mauerwerk als Ausfachung enthält.
Bei der St. Nikolaikirche 4. Ev. Kirche St.
Nikolai. Zurückgesetzt auf der Westseite der
Bardowicker Straße erhebt sich hinter einer
Reihe von Giebelhäusern die jüngste und
kleinste der mittelalterlichen Backsteinkirchen
Lüneburgs, St. Nikolai. Auf einem zum Teil vom
Scharnebecker Zisterzienserkloster erworbe-
nen Terrain unweit von Rathaus und Markt
wurde sie kurz nach 1407 durch den Rat der
Stadt gegründet, die sich in den Jahrzehnten

zuvor ebenso von landesherrlichem wie
bischöflichem Einfluss zu emanzipieren ver-
mocht hatte und eigenständig im wirtschaft-
lichen Raum der Hanse agierte. Öffentlichen
Ausdruck dieser im Fürstentum wirtschaftlich
und auch politisch hervorgehobenen Stellung
konnte sich die bürgerliche Oberschicht Lüne-
burgs durch einen repräsentativen Kirchenneu-
bau schaffen, zumal eine städtische Pfarrkirche,
in der Regel am Markt in Nachbarschaft des
Rathauses gelegen, nicht existierte. Der ge-
wählte Bauplatz befand sich zumindest in
unmittelbarer Nähe des städtischen Zentrums
und überdies in dem einzigen Viertel, das bis
dahin nicht über ein Gotteshaus verfügte. Den
Bauplatz dreieckigen Zuschnitts begrenzte
nördlich, nur durch eine schmale Gasse
getrennt, der Scharnebecker Stadthof. Südlich
tangiert ihn die von der Bardowicker Straße
nach Osten zum llmenauhafen leicht abfallende
Straße, die zum Lüner Tor führte. Die trotz des
Verlustes der Gebäude des Scharnebecker
Hofs heute noch gut nachvollziehbare topogra-
fische Situation erklärt die enge räumliche
Einbindung des Kirchengebäudes, das sich
ohne größere Freifläche - lediglich im Westen
auf dem vormaligen Friedhofsterrain breitet sich
ein kleiner, mit Feldsteinen belegter Vorplatz aus
- in die Umgebung der nahe heranrückenden
Bürgerhäuser einfügt. Seine in diesem stadt-
räumlichen Kontext monumentale Wirkung
beruht auf dem hohen und zugleich kurzen
Mittelschiff mit schmalen Seitenschiffen, die
sich in Einsatzkapellen mit Emporen nach
außen erweitern und im Chorbereich in einen
Umgang mit Kapellenkranz übertreten. Stei-
gernd beeinflussen dieses Erscheinungsbild der
Westturm der 2. Hälfte des 19.Jh. sowie die
neugotischen Formen eines offenen Strebe-
werks.
Bindet St. Nikolai einerseits in der Ausformung
einzelner Motive eng an die örtliche Bautradition
der so genannten „Lüneburger Gruppe“ um St.
Johannis an, so folgt sie andererseits in der
Großform der Lübecker Marienkirche und der
von ihr geprägten, nachfolgenden spätgoti-
schen Bautengruppe im Raum der Ostsee-
küste. Von dieser und insbesondere von den
Kirchen der unmittelbaren Umgebung hebt sich
St. Nikolai durch spezifische Details ab, u.a. die
für die späte Entstehungszeit ungewöhnliche,
sechseckige Krypta. Wesentlich für die Raum-
wirkung sind insbesondere die einheitliche
Überdeckung des Mittelschiffs mit achtstrahli-
gen Sterngewölben sowie die aus Brandenburg
und Mecklenburg bekannten Achteckpfeiler, die
hier aber übereck gesetzt sind und erstmals
leicht konkav einschwingende Seitenflächen
besitzen.
Die spärlichen urkundlichen Nachrichten, die
Aufschluss über den Bau von St. Nikolai geben,
bezeugen für das Jahr 1407 den Verkauf einer
Leibrente, die der finanziellen Sicherung des
geplanten Kirchenbaus dienen sollte. Wohl in
demselben Jahr begonnen, konnte eine Kapelle
bereits 1409 durch den Vikar des Verdener
Bischofs, Burghard v. d. Berge, geweiht wer-
den. Den Status einer Kapelle behielt der
Sakralbau mindestens noch bis zur Reforma-
tion bei; erst im Zuge dieser, für das kirchliche
Leben der Stadt gravierenden Veränderungen
wurde er mit einiger Sicherheit zur Pfarrkirche


Bei der St. Nikolaikirche 4, ev. Kirche St. Nikolai, Nordostansicht

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