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Außer für die erwähnten Berufsgruppen galt die
Bäckerstraße darüber hinaus für öffentliche
Gebäude als bevorzugter Standort, wie bei-
spielsweise die seit 1967 von Ersatzbauten be-
standenen Grundstücke Nr. 6 und 7 belegen
(2006 durch ziegelsichtige Neubauten ausge-
tauscht, die sich mit ihren Giebeln der histori-
schen Architektur anzupassen suchen). In dem
1966 abgerissenen Gebäude Nr. 6, das bereits
seit 1437 als Apotheke diente, soll neueren
Erkenntnissen zufolge zwischen 1475-1524 die
Ratsapotheke vor dem Bezug des 1598 errich-
teten Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 9
betrieben worden sein. Das Haus auf der Par-
zelle Nr. 7 war vermutlich ab August 1484 Sitz
der sozial hochrangigen Theodori-Gesellschaft,
eines 1461 vollzogenen, exklusiven Zusam-
menschlusses von Lüneburger Ratsherren und
Patriziern (Junkerngilde), der den Junkernlektor
in der St. Johanniskirche finanzierte, bei
Einführung der Reformation aber aufgelöst
wurde. In der Folge diente das Gebäude, seit
1592 im Besitz des Rates, bis 1651 als
Physikatshaus. Das die Bäckerstraße im mittle-
ren Abschnitt bis heute aufgrund seines Bau-
volumens und der herausragenden Portalge-
staltung dominierende Gebäude auf der West-
seite ist die Ratsapotheke, deren neunteiliger
Staffelgiebel die übrige Bebauung überragt (Nr.
9). Schräg gegenüber an der Südostecke der
einmündenden Zollstraße liegt das unscheinba-
re, jedoch ehemals die wichtige Funktion eines
Zollhauses einnehmende Gebäude Nr. 20.
Insbesondere seit der Mitte des 19.Jh., als sich
die Bäckerstraße zur Hauptgeschäftsstraße
Lüneburgs entwickelte, wurde das bis dahin in
Teilen bereits barocken und klassizistischen
Gestaltungsvorstellungen anverwandelte Er-
scheinungsbild der Fassaden durch den Einbau
von Ladengeschäften erneut verändert und
gleichzeitig den aktuellen architektonischen und
stilistischen Strömungen angepasst. Bis in die
Gegenwart hinein werden dabei die vielfach
entkernten Erdgeschosszonen am häufigsten
überarbeitet. Die giebelständigen Gebäude der
Ostseite sind mit Ausnahme der beiden zwei-
geschossigen Häuser Nr. 20 und Nr. 24 unter
abgewalmtem Dach drei- bis viergeschossig
und zumeist verputzt. Ausnahmen bilden hier
lediglich die in der 2. Hälfte des 19.Jh. vorge-
blendeten Fassaden von Nr. 15 und Nr. 19
sowie der Verblendziegelbau Nr. 22, der über
dem Keller eines ehemaligen Patrizierhauses
1896 für einen Kürschnermeister errichtet
wurde. Sein zu der roten Ziegelverblendung
kontrastierender Putzdekor in reichen Formen
der Neurenaissance bildet in der Achse der
Apothekenstraße einen wirkungsvollen Blick-
punkt. Im südlichen Baublock dieser Seite ver-
mitteln die Gebäude Nr. 16, 17, 18 und 19
unterschiedliche Zeitstufen klassizistischer
Fassadengestaltung. Als charakteristisch für
das 1. Drittel des 19.Jh. kann dabei der flache
Dreieckgiebel mit Halbkreisfenster gelten, wie
ihn die Häuser Nr. 16 und 18 (um 1829) besit-
zen. Dagegen dürfte der geometrisch ausgebil-
dete Volutengiebel mit Dreieckbekrönung des
Hauses Nr. 18 (wohl vor 1541 erbaut) vermut-
lich unter dem Kramer Heinrich Julius Teuerlein,
der seit 1789 Besitzer war, aufgebracht worden
sein, während nach der Entfernung einer links-
seitigen Auslucht 1893 die Faschen und

Gesimse eine Zutat des Historismus darstellen.
Bis 1950 akzentuierte ein Balkon mit schmiede-
eisernem Geländer die beiden Mittelachsen im
zweiten Obergeschoss. Ebenfalls einen klassi-
zistischen, jedoch steinsichtigen und mit einem
Klötzchenfries dekorierten Giebel ließ sich 1849
der Goldarbeiter Johann Heinrich Klencker an
dem Gebäude Nr. 19 aufführen, das ab dem
zweiten Obergeschoss rückwärtig in Fachwerk
konstruiert ist. Entscheidend wurde es 1954
umgebaut, indem ein Rundbogenportal und
zwei beidseitige zweigeschossige Ausluchten
sowie die Holzbalkendecke des Kellers entfernt
wurden. Dass sich hinter diesen Fassaden ehe-
malige Dielenhäuser verbergen, die dem 15.
und 16.Jh. entstammen, gibt am deutlichsten
die Rückansicht des Hauses Nr. 16 mit dem
schlichten, durch segmentbogige Luken mit
Klappläden gegliederten Backsteingiebel zu
erkennen. Dagegen zeigt das Gebäude Nr. 17
am Rückgiebel ab dem zweiten Obergeschoss
eine Fachwerkkonstruktion. Es wurde ebenso
wie die Nr. 18 zwecks Anlage einer Passage
zum Glockenhof 1973 starken Eingriffen, insbe-
sondere des hohen Erdgeschosses unterzo-
gen, indem die gesamte rechte Achse unter
Entfernung des zweischiffigen Kellergewölbes
zu einem Durchgang geöffnet wurde. In dem-
selben Zusammenhang trug man den 1543 für
Lucas Damingck erbauten Hofflügel des Nach-
barhauses Nr. 18 ab und versetzte ihn zur

Schaffung von Laden- und Büroflächen in eine
neue Flucht an der Passage. Dabei fand ledig-
lich das mit Fächerrosetten und Porträts
geschmückte Fachwerk einschließlich der
Schwelle mit Inschrift eine Wiederverwendung.
Die Fassaden des nördlich anschließenden
Baublocks tragen, sieht man von der klassizis-
tisch instrumentierten des monumentalen
Eckgebäudes Nr. 26 ab, die Charakteristika
einer historistischen Überarbeitung. Sie be-
schränkt sich bei dem siebenachsigen Haus Nr.
23 auf profilierte Stockwerkgesimse und Fens-
terfaschen sowie eine Gliederung durch
schlichte Pilaster, die auch das große, dreieck-
übergiebelte Zwerchhaus rahmen. Das wohl ins
15. /16.Jh. datierende Patrizierhaus wurde um
1800 grundlegend mit einem neuen Walmdach
umgebaut, erhielt 1882 seine jetzige Fassade,
das heutige Mansarddach jedoch erst 1970.
Von den drei zugehörigen, 1803 in der Brand-
kassen-Taxation erwähnten Flügelbauten ist
lediglich einer überkommen. Eine vergleichbare
Umbaugeschichte weist das wohl aus dem
16. Jh. stammende und bis ins 17.Jh. als
Nebenhaus zu Nr. 26 geführte Gebäude Nr. 25
auf. Nachdem der „Cämmerey Cassier“ Jürgen
Stehr 1763 zunächst zwei Ausluchten hatte
abtragen lassen, folgte um 1764 ein durchgrei-
fender Umbau, den im Äußeren das Mansard-
dach widerspiegelt. Seit 1823 von einem zwei-
achsigen Zwerchhaus dominiert, aufgebracht


Große Bäckerstraße (nach Städteatlas Lüneburg, 1993, Tafel 1, Katasterkarte 1873/75)

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