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Molsdorf, Wilhelm; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 12): Die niederländische Holzschnitt-Passion Delbecq-Schreiber [Teil 1] — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21232#0022
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Bl. 14: Christi Entkleidung (Sehr. 366).

Wenn in die Darstellung dieser Szene die Anwesen-
heit des Johannes und der Maria mit hineingezogen ist,
wie im vorliegenden Falle, pflegt letztere dem entkleideten
Sohne das Schamtuch um die Lenden zu binden.1 Für
unseren Formschneider kam dieser den Passionsspielen
entlehnte Zug nicht in Betracht, da die von ihm ge-
brachten Vorgänge seit der Geißelung Christi eine Wieder-
abnahme des Schamtuches kaum verursachen konnten.

Bl. 15: Vorbereitung zur Kreuzigung

(Sehr. 663).

Das Blatt darf man wohl als das interessanteste der
ganzen Folge ansehen. Die Szene, wie die Knechte bei der

Abb. 8.

Herrichtung des Kreuzes Christo einen Trunk anbieten,
ist sehr selten dargestellt worden. Bei Tscheuschner2
finden sich nur drei solcher Bilder angeführt: ein Holz-
schnitt von Urs Graf in der Postilla Guillermi (Basel:
Adam Petri 1509), ferner ein Blatt des Monogrammisten
C K (Nagler II, Nr. 286, 4) und ein Kupferstich des
Lukas van Leyden (Bartsch VII, S. 380 Nr. 73). Auch
hier ist die Quelle, aus der die bildende Kunst geschöpft
hat, die Passionsbühne, die den altdeutschen Rechts-
brauch, dem Verbrecher vor seiner Hinrichtung noch einen
letzten Trunk zu reichen, mit in die Darstellung hinein-
zog.5 Das Heidelberger Spiel gibt die Szene wie folgt:*
«Der erst Jüdde bewdtt Jhesu zeu drinckenn vnnd sprichtt:

* Vgl. M. Lehrs: Ueber einige Holzschnitte des 15. Jh. in der Stadtbi-
bliothek zu Zürich. Straßbtirg 1906. Nr. 3 sowie das betr. Blatt in den Fürsten-
bergischen Sammlungen, bei Schreiber, a. a. O., Nr. 11.

2 Rcpertorium f. Kunstwiss. Bd. 27, S. 500f.

3 Vgl. Tscheuschner, a. a. 0., S. 500.

* Ausgabe von Milchsack in der Bibliothek des litcr. Vereins in Stutt-
gart. Bd. 150. V. 5343 f.

Jhesus, bistu sere schwach vnnd kranck,
So nym zeu dir diessenn gedranck.
Er ist gemacht von essig vnnd weynn
Versüch, ob er dir woll gesuntt sey.»

In unserem Holzschnitte ist noch besonders auf die
hinter Christo stehende Person hinzuweisen, der wir auch
im Speculum h. s. begegnen (s. Abb. 6) bei der Dar-
stellung, wie der König der Ammoniter die Abgesandten
Davids verhöhnt (2 Sam. 10).

Bl. 16: Christus wird an das Kreuz ge-
nagelt (Sehr. 675).

Auch dieses Blatt hat mit dem entsprechenden Bilde
des Speculum h. s. (s. Abb. 7) manche Berührungspunkte.

Abb. 9.

Die Stellung des Kreuzes mit dem darauf liegenden
Christus ist die gleiche, ebenso die Haltung der beiden
vorderen Knechte, während der dritte ebenso wie der
Mantel Christi abweichend gruppiert sind. Auch hat
unser Formschneider die Szene durch die Anwesenheit
eines Hauptmannes mit Gefolge im Hintergrunde erweitert.

Bl. 17: Christus am Kreuz (Sehr. 488).

Die Komposition lehnt sich ganz an einen der be-
kannten Darstellungstypen dieses Vorganges an. Auf der
einen Seite des Kreuzes steht Johannes mit den heiligen
Frauen, auf der anderen die Kriegsleute mit dem Haupt-
mann an der Spitze, der Christum mit den Worten:
„IBcre fii(i)uö bei erat if(te)" als Gottessohn bekennt.

Bl. 18: Die Kreuzabnahme (Sehr. 500).

Unwillkürlich lenken auf diesem Bilde zwei Personen
die Aufmerksamkeit auf sich : der den Leichnam mit dem
 
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