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der ursprünglichen Sprache", hatten ihre deutsche Seelensprache durch diese Großmeister
der Kunst wiedergesunden. Und nicht nur das, sondern doch auch den Weg zur Mystik des
Nordens. Jakob A^ju^ Mystik blühte in Runges Romantik wieder aus und nicht umsonst
nannte man Friedrich in Berlin den „Mystiker".
Ich werde über die Romantik noch zu sprechen haben, will aber hier schon andeuten, daß ihre
Kunst Hingabe und Opfer eines heldischen, tragischen Daseins verlangte. Hier bedurste es eines
Heldentums, wie es srüher dem Ritter geziemte, denn nun war der Künstler der leidende, opsernde
Held des Geistes. Diese Romantik ist deutsche Kampskunst, ist Entsagungskunst, ist Opserkunst.
Vielleicht ist jedes große deutsche Kunstwerk ein Opfer!
Blicken wir von solchem Standpunkt zurück, so ist nicht nur das Nordische in der Mystik,
sondern auch das Mystische in der Nordkunst verständlicher. Auch in der Romantik bleibt das
Mystische unverkennbar. In Caspar David Friedrichs Wesen und Werk ist dies Mystische ganz
besonders deutlich. Sein Glaube war mystischer Art. Die Kirche schien ihm, wie er es sagte und
malte, eine Ruine zu sein. Er suchte und sand Gott überall, im Sandkorn wie im Mvnd, im
Baum wie im Licht. Er hatte das „Fünklein" Meister Eckharts gesunden. Auch er stand einsam
verlassen in mystischer Schau, wie sein „Kapuziner am 3Neer", vor dem Wunder des All. Er
war allein wie jener einsame Sören Kierkegaard, der dänische Gottsucher. Der Geist stellt diese
beiden Zeitgenossen nebeneinander. Einer wie der andere, in Dresden wie in Kopenhagen, leben ste
am Rande ihrer Zeit, verzweiselt, gläubig, gottsuchend und schauerlich allein. Der eine malt, der an-
dere schreibt seine Not, seine Hingabe, sein Opfer. Aber vor Gott schweigen ste beide wie der Bruder
Eckhart. Die beiden größten Mystiker ihrer Zeit, tapser, männlich, nordisch, Helden des Herzens und
Ritter der Seele, deren Kamps um das „Entweder-Oder" gegen den Verrat der Kunst, gegen
das Unwahre, Verspielte, Gottlose ging, Friedrich und Kierkegaard stnd Brüder. Auch aus
Friedrichs Grab könnte stehen, was stch der Däne als Grabschrist wünschte:,, Jener Einzelne."

Gotik

ur im Hinblick aus Friedrichs Kunst soll hier von der Gotik und dem gotischen Kunst-
I geist in der deutschen Kunst gesprochen werden.
Ich unterscheide zwischen der gotischen Kunst des Mittelalters, der deutsch-eng-
lischen Neugotik des achtzehnten Jahrhunderts und der norddeutschen Gotik aus der Zeit der
deutschen Romantik. Alle drei stnd nordischer Art. Um diese letzte Gotik geht es hier. Nicht das
äußere Fortleben gotischer Bausormen und ihrer Spiegelungen ist wesentlich - denn dies kannte

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