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Eberlein, Kurt Karl; Friedrich, Caspar David
Caspar David Friedrich der Landschaftsmaler: ein Volksbuch deutscher Kunst — Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.62658#0024
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symmetrische Verteilen der Bildgruppen isi in Friedrichs Bildern das Entscheidende, sondern die
Höhenrichtung, die Giebelung, die Prosilierung und die rhythmische Spannung der einzelnen
Bildteile. Der Bruch und die Gelenkigkeit seiner Umrißlinien, das Zackige, Eckige, Ragende
seiner Bäume und Felsen, Giebel und Äsie ermöglicht diese innere Gotik.
Man betrachte daraufhin den Tetschener Altar, den „Ausblick ins Elbtal", das „Kreuz im
Gebirge" und das „Chasseurwäldchen" (Abbildungen 9, Z7,42, Hz). Es bedarf doch der Baugotik
gar nicht, um diesen gotischen Geisi zu verkörpern, den „die Harfenspielerin" in gleicher Weise aus-
türmen läßt wie „Die Hoffnung im Eis" (Abbildungen io, 52). Friedrich malt ebenso „gotischen"
Wald wie „gotische" Schice, „gotisches" Eis wie „gotische" Musik. Dazu hilft ihm eine
wachsende Asymmetrie, die durch leise Verschiebungen eine türmende Bewegung in denBildsiuß
bringt, so daß man von Gipfeln oder Vorgebirgen sprechen könnte. Daraus isi wohl zu achten,
denn dies isi für die romantische Hochform wichtig.
Die innere Musik dieser Naturgotik isi unverkennbar und läßt sich im einzelnen Bildteil noch
klarer empsinden, wenn man sich mit der Bildblende Einzelbilder herausschneidet. Ich bitte deshalb,
diesen Versuch zu machen, denn das Sonderleben in Caspar David Friedrichs Bildern isi von
ungeahntem Reichtum. Seine symbolische Naturgotik, die auch im Breitformat der Bilder ihr
wachsendes Bauen, ihren Giebelwuchs, ihr Strebewerk bewahrt, zeigt uns, wie sehr er der Meister
der inneren Gotik war, während seine Schüler und Nachfolger, wie Carus, Oehme, Schinkel,
Blechen, doch nur die äußere Baugotik sanden, die so bald in Theaterdekoration, Diorama und
Genrebild endete, so daß dann die „Kunsiverein-Deutschen" die vielen Klosierhöse, Klosterkirchen
und Burgen mit und ohne Schnee bewundern konnten. Vom Erlebnis zur Müde isi immer nur
ein Schritt.

Romantik

ber nichts sind noch heute Meinungen und Deutungen so geteilt wie über die deutsche
I Romantik; womit schon angedeutet wird, daß sie selbst nicht eindeutig, sondern zwie-
"^^^spältig und neuzeitlich war. Man hat, wie mir scheint, die Romantiker und ihre Er-
gebnisse verwechselt; denn man kann bekanntlich Eselinnen suchen und ein Königreich sinden. Das
Verdienst der Romantik isi unbestreitbar ihr Fundergebnis. Ihr verdanken wir die Knüpfung der
zerrissenen Goldkette deutscher Kultur da, wo sie einst durch die Renaissance-Verschüttung Italiens
zerriß. Ihr danken wir die Ausgrabung der „unterweltlichen Wurzelkultur" Deutschlands.
Dies habe ich kurz zu erklären.

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