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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0478
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Vom Kaiserreich über die Zeit der Weltkriege bis zur demokratischen Republik

von Theologen gestellt. Von ihnen sei hier nur Paul Wilhelm von Keppler genannt,
der dann der sechste in der Reihe der Rottenburger Bischöfe wurde (1899—1926), ein
feinsinnig gebildeter Mann und eine Gelehrtennatur, dazu ein begabter Schriftsteller.
Ihm verlieh die Stadt im Jahre 1924'die Würde eines Ehrenbürgers und benannte
nach ihm einen Teil der Rappenstraße, entlang dem Firmenkomplex von Erhard &
Söhne, in Bischof-Keppler-Straße. 1926 erfolgte die Erhebung der Heilig-Kreuz-
Kirche zum Münster, die Bischof Keppler wenige Monate vor seinem Tod vollzog.
Aus diesem Anlaß fand im Herbst eine große Feier statt, die zugleich die 600-Jahr-
Feier des Münsters darstellte. Es erschien das große Münsterbuch von Professor
Nägele. In den folgenden Jahren bis hinein in den Zweiten Weltkrieg wurden
umfangreiche Erneuerungsarbeiten am Münster vorgenommen. Die Stadt leistete
dazu jeweils ihren Beitrag. 1920 ließen sich die Pallottiner in Gmünd nieder, anfangs
in der Hofelichschen Fabrik, dann bei St. Bernhard. Sie errichteten hier ein Progym-
nasium. 1929 wurde St. Vinzenz, der Neubau bei St. Josef, eingeweiht.100
In der evangelischen Gemeinde wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg eine zweite
und eine dritte Pfarrstelle errichtet, 1920 die vierte. 1905 kam Otto Gittinger hier-
her, er wurde 1918 erster Stadtpfarrer. Bekannt ist Otto Gittinger durch seine volks-
tümlichen Gedichte. »Sein Schwäbisch war gewachsen und nicht gekünstelt, der
Humor stammte aus einer liebenden Betrachtung der Dinge und Menschen, die
Pointe saß stets treffend und witzig«, urteilte Wilhelm Teufel über Gittingers
Gedichte.101 In Gmünd brachte er den Christlichen Verein Junger Männer (CVJM)
zu hoher Blüte. Wichtig für das Leben der evangelischen Gemeinde war der Bau des
Gemeindehauses, der kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach den Plänen des
Erbauers der Fachschule, Martin Elsässer, begonnen wurde. Der Bau wurde auch
nach Kriegsbeginn weitergeführt, und 1916 konnte das Gemeindehaus feierlich ein-
geweiht werden. Die evangelische Gemeinde bekam mit ihm den eigentlichen Mittel-
punkt.102 Darüber hinaus wurde das Gemeindehaus auch zu einem Mittelpunkt im
kulturellen Leben der Stadt, in dem unzählige Vortragsveranstaltungen und Konzer-
te in den Jahrzehnten seitdem stattgefunden haben. 1930 erwarb der Evangelische
Verein unter Stadtpfarrer Plag die ehemalige Kuttlersche Fabrik und baute sie zum
Melanchthonhaus um. Dieses konnte einen Kindergarten sowie ein Altersheim auf-
nehmen.
1926 ging der langgehegte Wunsch der kleinen jüdischen Gemeinde nach einem eige-
nen Gotteshaus in Erfüllung, nachdem sie jahrzehntelang bei der Stadt in Miete
gewesen war, erst in der Schmalzgrube und nach dem Krieg im Refektorium des ehe-
maligen Dominikanerklosters, also in der Alten Kaserne. Die Gmünder Juden konn-
ten die stillgelegte Zweiglesche Fabrik Katharinenstraße 4/1 unterhalb der Ober-
amtssparkasse erwerben und zur Synagoge umbauen. In seiner Weiherede bezeich-
 
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