D I E
VORBEDINGUNGEN
Einmal mußte der zu lang aufgesattelte Schönheitsbetrieb, der in den Be-
* zirken feiger, professoraler Malerei abgenutzt war, vor anderen oder verborge-
nen Erfahrungen und Erlebnissen niederbrechen, da diese in ererbte Schemen
nicht mehr einzuordnen waren. Die klassizistische Bildordnung und die maleri-
schen Mittel waren längst verbraucht und übermüdet. Kaum noch beschäftigte
man sich mit einem ursprünglichen Bildganzen oder schuf eine Anschauung,
vielmehr arrangierte man feige Umgruppierungen und verschob innerhalb einer
fertigen Bildanlage zweitrangige Teile und Stufungen. Das klassische Maß war
zu Mäßigkeit und Mangel an Begabung verkommen, und die Ewigkeit stiller
Größe hatte zu lange blöd gelächelt. Übriggeblieben war das einfältige Gebaren
mißverstehender Philologen, die eine rationalistisch verschnittene Antike lehr-
ten, deren geschichtliche Akzente falsch gesetzt waren, da man den spät-
griechisch-römischen Manierismus den primären mythischen, allerdings fast
barbarischen Eründungen der Alten vorangestellt hatte.
Mit dem Impressionismus rückte Aufruhr heran, und bisher gewisse Form-
schemen wurden aufgelöst. Man empörte sich gegen die philologisch hoch-
stapelnden Nachbeter und ihre Erbschaft und bekämpfte die akademisch billige
Ausbeutung der klassischen Überlieferung. Vom Impressionismus aus begann
von neuem der kräftige Aufruhr gegen den Klassizismus, der später mit hefti-
gerem Entschluß fortgesetzt wurde.
Die Impressionisten hatten Natur als Parole ausgegeben. Allerdings jene
wurde als Lichtdrama definiert; also eine rein malerische und technisch ein-
seitige Formel; zumal heute Natur immer eine gesonderte Übereinkunft be-
deutet. Schon in den Wäldern von Fontainebleau hatte man gegen die Übungen
der ecole des beaux-arts gemalt, Wirklichkeit und atmosphärische Lockerung
wurden üblicher Bildanfertigung entgegengestellt. Das Genetische der Bilder
lag nicht mehr verborgen, die erregte Handschrift wurde gezeigt. Das Heroen-
tum aus moralischer Pappe, die staatlich geschützten Zeichenformeln wurden
auf den Theaterspeicher verstaut. Die abstrahierte Zeichnung, die plastisch
aufgedonnert worden war, wich flächigen und biegsamen Zeichen; wiederum
begann man, was als gegenwärtige, untheoretische und ungeschichtliche Natur
man verspürte, in die Fläche einzufangen.
In der Dichtung durchbrach man gleicherweise die Übereinkunft des pathetisch
herrschenden Ereignisses, man löste die gipserne Ewigkeitspose der Helden
in fast indifferentes Geschehen oder ein inneres Entwickeln und versuchte noch
zaghaft und unwissend über die Fassade des geschlossenen Charakters zu
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VORBEDINGUNGEN
Einmal mußte der zu lang aufgesattelte Schönheitsbetrieb, der in den Be-
* zirken feiger, professoraler Malerei abgenutzt war, vor anderen oder verborge-
nen Erfahrungen und Erlebnissen niederbrechen, da diese in ererbte Schemen
nicht mehr einzuordnen waren. Die klassizistische Bildordnung und die maleri-
schen Mittel waren längst verbraucht und übermüdet. Kaum noch beschäftigte
man sich mit einem ursprünglichen Bildganzen oder schuf eine Anschauung,
vielmehr arrangierte man feige Umgruppierungen und verschob innerhalb einer
fertigen Bildanlage zweitrangige Teile und Stufungen. Das klassische Maß war
zu Mäßigkeit und Mangel an Begabung verkommen, und die Ewigkeit stiller
Größe hatte zu lange blöd gelächelt. Übriggeblieben war das einfältige Gebaren
mißverstehender Philologen, die eine rationalistisch verschnittene Antike lehr-
ten, deren geschichtliche Akzente falsch gesetzt waren, da man den spät-
griechisch-römischen Manierismus den primären mythischen, allerdings fast
barbarischen Eründungen der Alten vorangestellt hatte.
Mit dem Impressionismus rückte Aufruhr heran, und bisher gewisse Form-
schemen wurden aufgelöst. Man empörte sich gegen die philologisch hoch-
stapelnden Nachbeter und ihre Erbschaft und bekämpfte die akademisch billige
Ausbeutung der klassischen Überlieferung. Vom Impressionismus aus begann
von neuem der kräftige Aufruhr gegen den Klassizismus, der später mit hefti-
gerem Entschluß fortgesetzt wurde.
Die Impressionisten hatten Natur als Parole ausgegeben. Allerdings jene
wurde als Lichtdrama definiert; also eine rein malerische und technisch ein-
seitige Formel; zumal heute Natur immer eine gesonderte Übereinkunft be-
deutet. Schon in den Wäldern von Fontainebleau hatte man gegen die Übungen
der ecole des beaux-arts gemalt, Wirklichkeit und atmosphärische Lockerung
wurden üblicher Bildanfertigung entgegengestellt. Das Genetische der Bilder
lag nicht mehr verborgen, die erregte Handschrift wurde gezeigt. Das Heroen-
tum aus moralischer Pappe, die staatlich geschützten Zeichenformeln wurden
auf den Theaterspeicher verstaut. Die abstrahierte Zeichnung, die plastisch
aufgedonnert worden war, wich flächigen und biegsamen Zeichen; wiederum
begann man, was als gegenwärtige, untheoretische und ungeschichtliche Natur
man verspürte, in die Fläche einzufangen.
In der Dichtung durchbrach man gleicherweise die Übereinkunft des pathetisch
herrschenden Ereignisses, man löste die gipserne Ewigkeitspose der Helden
in fast indifferentes Geschehen oder ein inneres Entwickeln und versuchte noch
zaghaft und unwissend über die Fassade des geschlossenen Charakters zu
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