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OTTO DIX

Dix — geboren 1891 zu Gera — bildete sich von sächsischem Florentinertum
zu einem Zeitmaler, dessen malerische Kraft nicht immer den keß gewählten
Stoffen entspricht. Nach Dresdener Quattrocento wedekindert man pan-
dorisch im lehrhaft Unsittlichen. Dix malt veristisch (Abb. 497—499); mit-
unter mag man sich Rousseaus oder der falschitalienischen Deutlichkeit
Böcklins erinnern. Von Dada her weiß man Photos und deren Präzision zu
schätzen. Dix stellt den Zeitgenossen dar, unpersifliert, da diese Zeit an sich
fratzenhafte Persiflage in ihrer stupiden Alltäglichkeit ist. Dix ist der Sohn
des Krieges und vergeblicher Revolte, entschlossen, nicht allzu rasch zu ver-
gessen; er wagt zeitsachlichen Kitsch, doch seine Malerei kann daran sich selber
leicht banal erweisen; man vertraut zu sehr dem erregenden, interessanten
Motiv. 1924 versuchte er das Zeichen des Krieges zu malen — eine peinliche
Allegorie. So malte man früher die Tugend süßlich, wie Dix aus Schreckens-
kammern die Schlager hervorstöbert; man denkt an Wiertz, und eine klein-
liche Maltechnik gibt umgekehrtes Gartenlaubenidyll. In seinen graphischen
Arbeiten regt sich allzuoft der Einfluß des präziseren Grosz, der desLautrecin
den farbigen Lithos, wobei Hang zu kitschiger Farbe enttäuscht. Diese Malerei
wird zu dämonischem Genrebild auffliegen, wenn sie nicht mehr vom aktuellen
Jetzt verteidigt wird; oder das Formale müßte stärker werden als die Aktualität
eindringlicher Reportage, mit der man gegen deduktive Kunst protestiert. Viel-
leicht ist man im Herzen malender Reaktionär am linken Motiv.
Hier stellten wir bereits den Ausgang des kurzatmigen Expressionismus fest,
der in die Not einer Zeit ein Idyll pflastern wollte. Die Südsee, an sächsische
Seen importiert, zerflattert. Wir zeigten bei Grosz und Dix, wie das Motiv dank
der Mächtigkeit der Not die formalen Entschlüsse schwächt und zurück-
drängt. Die nur-ästhetische Problemstellung erweist sich als zu eng, doch nur
wenige sind kräftig genug, darüber hinaus eine neue seelische Konstellation
zu erzeugen. Die stärkste, doch noch nicht geglückte Bemühung hierzu stellten
wir bei Beckmann fest.
Andere sinken in einen abbildenden oder illustrierenden Verismus zurück;
die anscheinend originelle Formparade bricht zusammen, und aktuelle Motive
ermüden in altem Handwerk.
Solche Rückwirkung ist zweifellos durch die Not der Deutschen bedingt, für
die die unmittelbaren Probleme des Lebens weit wichtiger werden als Bilder.
Verständlich, wenn den Malern Motive und Milieu sich aufzwingen und aus der
Not die Wendung zu einer mitunter tendenziösen Schilderung entsteht. Andere
mögen grade um so leidenschaftlicher versuchen, der Aktualität zu entfliehen
und gegen diese die Kraft ihrer Einbildung zu erproben. Gegenüber all dem,
was man als Zeitbild bezeichnet, stellen wir fest, daß hier eben der stärkste Ge-
stalter nicht die Künstler, sondern Zeit und Milieu sind; Gemälde verengen zu
Illustrationen.
 
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