Die Entwicklung des Götterglaubens in älterer Zeit.
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Auch das andere Auge des alten Himmelsgottes, der
Mond, hatte seine Sagen, die sich an dessen auffälliges Wesen
knüpften, an sein Schwinden und Wachsen und an seine
schreckliche Verfinsterung. Der Gott Seth verletzte das Auge
des Horus im Kampfe, aber Thoth der Mondgott heilte es,
daß es wieder voll wurde, und gab es seinem Herrn zurückXI);
seitdem heißt es das Gesunde. Wir werden unten sehen, wie
diese Sage in die große Osirissage eingeflochten worden ist;
daneben hatte sie dann noch einen seltsamen Ableger getrieben.
Danach hatte Re einmal mit Horus die Welt betrachtet, und
ihm war dabei ein schwarzes Schwein aufgefallen. Da sagte
Re zu Horus: »blicke doch auf jenes schwarze Schwein.« Da
blickte er darauf, und plötzlich empfand er einen furchtbaren
Schmerz im Auge. Er sagte: »Siehe mein Auge [schmerzt)
wie bei jenem Schlage, den Seth gegen mein Auge getan hatte.«
Es reute ihn. Re sagte zu den Göttern: »Legt ihn auf sein Bett,
möge er gesund werden. Es ist Seth gewesen, der sich in das
schwarze Schwein verwandelt hat.« Seitdem ist das Schwein
ein Abscheu für Horus Ia).
Wir sahen oben, wie das Geschlecht des Re sich fort-
pflanzte und wie seine Enkel der Gott Keb und die Göttin Nut
waren, die Erde und der
Himmel. Aber noch
waren Erde und Himmel
nicht getrennt, und Nut
lag noch auf ihrem
Gatten, dem Keb. Da
schob sich ihr Vater Schu
unter sie und hob sie in
die Höhe und mit ihr
hob er alles in die Höhe,
was bis dahin an Göttern
geschaffen war, und Nut
bemächtigte sich ihrer,
zählte sie und machte
sie zu den SternenD).
Und auch die Sonne
selbst war davon nicht
ausgenommen, und sie
alle fahren nun in ihren
Schiffen auf dem Leibe
der Nut. Das war die
jetzigen Welt; seit Himn
43. Schu hebt Nut hoch, unten liegt
Keb. Auf der Nut die Schiffe der
Sonne. (Berlin 8.)
eigentliche Entstehung unserer
?1 und Erde so voneinander ge-
TI) Vgl. Leiden V. 1; Totb. ed. Nav. 17, 30 ff. u) Totb.
ed. Nav. 112; der Text stammt etwa aus dem mR. J3) Die Sage
ist zuerst von Maspero (Ltudes de mythol. I 340) hauptsächlich auf
Grund der Bilder rekonstruiert. Anspielungen darauf z. B. Pyr. 784.
3*
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Auch das andere Auge des alten Himmelsgottes, der
Mond, hatte seine Sagen, die sich an dessen auffälliges Wesen
knüpften, an sein Schwinden und Wachsen und an seine
schreckliche Verfinsterung. Der Gott Seth verletzte das Auge
des Horus im Kampfe, aber Thoth der Mondgott heilte es,
daß es wieder voll wurde, und gab es seinem Herrn zurückXI);
seitdem heißt es das Gesunde. Wir werden unten sehen, wie
diese Sage in die große Osirissage eingeflochten worden ist;
daneben hatte sie dann noch einen seltsamen Ableger getrieben.
Danach hatte Re einmal mit Horus die Welt betrachtet, und
ihm war dabei ein schwarzes Schwein aufgefallen. Da sagte
Re zu Horus: »blicke doch auf jenes schwarze Schwein.« Da
blickte er darauf, und plötzlich empfand er einen furchtbaren
Schmerz im Auge. Er sagte: »Siehe mein Auge [schmerzt)
wie bei jenem Schlage, den Seth gegen mein Auge getan hatte.«
Es reute ihn. Re sagte zu den Göttern: »Legt ihn auf sein Bett,
möge er gesund werden. Es ist Seth gewesen, der sich in das
schwarze Schwein verwandelt hat.« Seitdem ist das Schwein
ein Abscheu für Horus Ia).
Wir sahen oben, wie das Geschlecht des Re sich fort-
pflanzte und wie seine Enkel der Gott Keb und die Göttin Nut
waren, die Erde und der
Himmel. Aber noch
waren Erde und Himmel
nicht getrennt, und Nut
lag noch auf ihrem
Gatten, dem Keb. Da
schob sich ihr Vater Schu
unter sie und hob sie in
die Höhe und mit ihr
hob er alles in die Höhe,
was bis dahin an Göttern
geschaffen war, und Nut
bemächtigte sich ihrer,
zählte sie und machte
sie zu den SternenD).
Und auch die Sonne
selbst war davon nicht
ausgenommen, und sie
alle fahren nun in ihren
Schiffen auf dem Leibe
der Nut. Das war die
jetzigen Welt; seit Himn
43. Schu hebt Nut hoch, unten liegt
Keb. Auf der Nut die Schiffe der
Sonne. (Berlin 8.)
eigentliche Entstehung unserer
?1 und Erde so voneinander ge-
TI) Vgl. Leiden V. 1; Totb. ed. Nav. 17, 30 ff. u) Totb.
ed. Nav. 112; der Text stammt etwa aus dem mR. J3) Die Sage
ist zuerst von Maspero (Ltudes de mythol. I 340) hauptsächlich auf
Grund der Bilder rekonstruiert. Anspielungen darauf z. B. Pyr. 784.
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