Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
gg Viertes Kapitel.
bezeichnet man den Tod als das Verhängte und es gibt auch
eine Gottheit dieses Namens, die allerdings mehr das glück-
liche Geschick zu bringen scheint.
Während so das Volk sich seinen Glauben naiv zurecht
machte, dachten die Gelehrten über die Götter nach und
über die Welt; sie nahmen die Grübeleien jener alten Theo-
logen auf, von denen wir im zweiten Kapitel (S. 46) gesprochen
haben, und pflegten eine Philosophie, die die Unterschiede
zwischen den einzelnen Göttern verwischte und die Religion
immer verschwommener machte. Es war das Lebenshaus,
d. h. die Schule der Gelehrten, wo man solche Weisheit
pflegte, aber daß sie auch außerhalb der Schulen in den
Kreisen der Gebildeten herrschte, zeigen uns manche Lieder
dieser Zeit, die in ihrer Frische gewiß nicht im Lebenshause
gedichtet sind und die doch diese Anschauungen enthalten.
Hören wir zunächst, was uns König Ramses IV. auf
seinem Denkstein in Abydos berichtet von dem, was er bei
seinen Forschungen im Lebenshause aus den Büchern, die
er anzusehen nicht abließ, gelernt hatte. Da fand er, daß dein
Wesen, Osiris, geheimnisvoller ist als das aller Götter. Du
bist der Mond, der am Himmel ist. Du verjüngst dich nach
deinem Wunsch, du wirst jung nach deinem Belieben. Du er-
scheinst, um die Finsternis zu vertreiben, gesalbt und gekleidet,
(d. h. in deinem Feststaat) für die Götter und der Zauber
geschieht, um ihre Majestäten zu verklären und ihre Feinde auf
die Schlachtbank zu bringen. . . . Und die Menschen zählen, um
den Monat zu wissen und addieren, um ihre Zeit zu wissen.
Ja du bist der Nil, groß auf den Ufern am Anfang der
Jahreszeit', die Menschen und die Götter leben von der Feuchtig-
keit, die aus dir kommt.
Ich habe deine Majestät auch als König der Unterwelt ge-
funden. . . . Wenn Re alle Tage auf geht und zur Unterwelt
kommt, um dieses Land und auch die Länder zu besichtigen, so
sitzest du auch wie er. Ihr beide zusammen werdet Bai Demdem
genannt. * Die Majestät des Thoth steht neben euch, tim die
Befehle, die aus eurem Munde kommen,. aufzuschreiben 35).
Man sieht, die Rolle, in der jeder Ägypter den Osiris
kannte und verehrte, die des Totengottes, wird hier erst an
dritter Stelle und auch da noch in ungewöhnlicher Weise
erwähnt; dafür wird dem Osiris aber hier die Rolle des
Niles zuerkannt, zu der er ein gewisses Recht hat, und die
des Mondes, der ihn gar nichts angeht. Und in einem Liede,
das auf ähnlicher Gelehrsamkeit beruht, ist Osiris schlecht-
weg die Erde; die uralten Vorstellungen vom Osiris als dem
Gotte der neuen Vegetation sind wieder hervorgesucht und

35) Mar. Ab. II 54—55-
 
Annotationen