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Der Teufel in Blasenheim.
Eines Abends zog Meister Zundel den zukünftigen Schwie-
gersohn mit in den goldenen Löwen, wo sich die Trinkgenossen
des Schneiders alltäglich znsammenfanden. Sie trafen Alles
andächtig znhörend dem Handelsmanne Glimmer ans Blasen-
heim, der heute von einer weiten Reise znrückgekehrt war.
Eben begann er eine Geschichte, welche sich im fernen Lande
Ungarn, nicht weit von einem Städtchen, das er des Handels
wegen besucht hatte, zngetragen. Dort wohnte in einem präch-
tigen Schlosse ein steinreicher Graf mit seiner wunderschönen
Tochter, um die sich alle Edellente von fern und nah gar eif-
rig bewarben. Aber sie schlug alle Anträge ans, denn ans
einer Reise nach dem schönen Rhein hatte sie in der uralten
Stadt Köln einen grundgelehrten Professor kennen gelernt von
trefflichem Herzen und herrlichem deutschen Gemüth, den wollte
sie haben und sonst keinen andern. Und der Vater sagte nicht
nein, denn er achtete Verstand, Gelehrsamkeit und ein gutes
Herz höher als Geburt und Rang. Schon war der Hochzeits-
tag angesetzt, da vermeinte ein schlechter Geselle dem wackern
Professor einen Stein in den Garten zu werfen, denn es kam
eines Tages ein Brief an den alten Herrn, der Vater und
Tochter vor jener Verbindung warnte, da der zukünftige Gatte
und Schwiegersohn nichts weiter sei, als der Sohn eines arm-
seligen Schusters. Aber der schurkische Geselle kam an den
Unrechten, denn der brave Deutsche hatte dem reichen Manne
seine niedre Abkunft keineswegs verschwiegen, der vornrtheils-
freie biedere Graf aber dennoch sein Jawort gegeben. „Und,"
für Glimmer fort, „obgleich sich so etwas nicht alle Tage zn-
trägt, so ist auch für uns bemerkenswerth, daß jener hämische
Brief ans unsrer guten Stadt Blasenheim gekommen sein soll."
Da rielhen die braven Bürger hin und her, wer wohl einer
solchen Schurkerei fähig sein könnte, und manche trafen den
rechten. Auch Heinrich hatte nnwillkührlich an den Advokaten
gedacht, der gcheimnißvolle Fremde fiel ihm wieder ein, wirre
Gedanken durchkreuzten seinen Kopf, der ungewohnte Wein-
gennß regte ihn noch mehr ans, er trank rasch sein Glas ans
und sagte den Andern gute Nacht. Tiefe Dunkelheit lag ans
den Straßen; da war es ihm, als ginge vor ihm her eine
hohe schwarze Gestalt, die ihm nicht unbekannt schien, er eilte
ihr nach, aber vor Greifmanns Hanse war sie plötzlich ver-
schwunden. Bon der Nachtlnft abgekühlt, mußte wohl Heinrich,
da nichts mehr zu sehen und zu hören war, alles seiner er-
regten Einbildungskraft znschreiben.
Aber am andern Tage ging es wie ein Lauffeuer durch die
ganze Stadt, der Herr Advokat Greismann sei todt in seinem
Hanse gefunden worden. Ungefähr um Mitternacht hatte ein
Nachbar ein sonderbares Geräusch, dann einen schweren Fall
gehört, nach welchem Alles still geworden. Als sich am andern
Tage das von Greifmann allein bewohnte Hans nicht öffnen
wollte, sprengte man die Thüre und fand den Eigenthümer
todt mit gebrochenem Genick unten an der Treppe liegend.
Das Gericht untersuchte und brachte heraus, daß Greifmann
wahrscheinlich nach seiner Gewohnheit seine nächtlichen Um-
gänge gemacht, sich ans das schadhafte Treppengeländer ge-
stützt, dies gebrochen und er durch den Sturz die Treppe hinab das
Leben verloren habe. Der Schneider aber betete im Stillen
und meinte, er wisse es besser. Greifmann mar ohne Testa-
ment ans der Welt gegangen, und so sahen sich seine armen
Verwandten plötzlich ans aller Noth befreit; auch das Hansel
betreffende Dokument fand sich vor und der Junge dankte Gott,
der ihm an Herrn Lohmann einen redlicheren Vormund gegeben.
Vier Wochen später wurde die Hochzeit Heinrichs und
Marias gefeiert. Am Trannngstage erhielt die glückliche Braut
ein zierliches Kistchen; in diesem prangte gar manches köstliche
Geschmeide, und daneben lag ein Briefchen von zarter Frauen-
Hand; das lautete also:
Meine herzliebe Freundin Maria!
An dem Tage, der Dich unaussprechlich glücklich machen
muß, gedenke Deiner Freundin in der Ferne, auch sie ist
glücklich und verzeiht von Herzen der sündigen Hand, die
einen Fenerbrand in ein friedliches Hans schlendern und sei-
nen Himmel trüben wollte. — Als damals Dein geliebter
Heinrich sich löwenmnthig unter die wüthenden Rosse warf,
die meinen zerschmetterten Wagen und mich jammernd in ihm,
in vollem Laufe in euer Städtchen schleppten, als ich todt-
krank vor Schmerz und Schreck an Deinem Busen lag, Du
die Fremde gastlich in Dein Hans nahmst, die Kranke liebreich
pflegtest, und der Genesenden einst in einer traulichen Stunde
Tein ganzes Herz anfschlossest, Dein Leid der Freundin klag-
test, da versprach ich Dir einen zu senden, der gewiß helfen
würde. Sag Herzliebe! habe ich nicht Wort gehalten?
Lebe wohll und vergiß nie deine Freundin
Äurora von drr Lruffe.
Der Teufel in Blasenheim.
Eines Abends zog Meister Zundel den zukünftigen Schwie-
gersohn mit in den goldenen Löwen, wo sich die Trinkgenossen
des Schneiders alltäglich znsammenfanden. Sie trafen Alles
andächtig znhörend dem Handelsmanne Glimmer ans Blasen-
heim, der heute von einer weiten Reise znrückgekehrt war.
Eben begann er eine Geschichte, welche sich im fernen Lande
Ungarn, nicht weit von einem Städtchen, das er des Handels
wegen besucht hatte, zngetragen. Dort wohnte in einem präch-
tigen Schlosse ein steinreicher Graf mit seiner wunderschönen
Tochter, um die sich alle Edellente von fern und nah gar eif-
rig bewarben. Aber sie schlug alle Anträge ans, denn ans
einer Reise nach dem schönen Rhein hatte sie in der uralten
Stadt Köln einen grundgelehrten Professor kennen gelernt von
trefflichem Herzen und herrlichem deutschen Gemüth, den wollte
sie haben und sonst keinen andern. Und der Vater sagte nicht
nein, denn er achtete Verstand, Gelehrsamkeit und ein gutes
Herz höher als Geburt und Rang. Schon war der Hochzeits-
tag angesetzt, da vermeinte ein schlechter Geselle dem wackern
Professor einen Stein in den Garten zu werfen, denn es kam
eines Tages ein Brief an den alten Herrn, der Vater und
Tochter vor jener Verbindung warnte, da der zukünftige Gatte
und Schwiegersohn nichts weiter sei, als der Sohn eines arm-
seligen Schusters. Aber der schurkische Geselle kam an den
Unrechten, denn der brave Deutsche hatte dem reichen Manne
seine niedre Abkunft keineswegs verschwiegen, der vornrtheils-
freie biedere Graf aber dennoch sein Jawort gegeben. „Und,"
für Glimmer fort, „obgleich sich so etwas nicht alle Tage zn-
trägt, so ist auch für uns bemerkenswerth, daß jener hämische
Brief ans unsrer guten Stadt Blasenheim gekommen sein soll."
Da rielhen die braven Bürger hin und her, wer wohl einer
solchen Schurkerei fähig sein könnte, und manche trafen den
rechten. Auch Heinrich hatte nnwillkührlich an den Advokaten
gedacht, der gcheimnißvolle Fremde fiel ihm wieder ein, wirre
Gedanken durchkreuzten seinen Kopf, der ungewohnte Wein-
gennß regte ihn noch mehr ans, er trank rasch sein Glas ans
und sagte den Andern gute Nacht. Tiefe Dunkelheit lag ans
den Straßen; da war es ihm, als ginge vor ihm her eine
hohe schwarze Gestalt, die ihm nicht unbekannt schien, er eilte
ihr nach, aber vor Greifmanns Hanse war sie plötzlich ver-
schwunden. Bon der Nachtlnft abgekühlt, mußte wohl Heinrich,
da nichts mehr zu sehen und zu hören war, alles seiner er-
regten Einbildungskraft znschreiben.
Aber am andern Tage ging es wie ein Lauffeuer durch die
ganze Stadt, der Herr Advokat Greismann sei todt in seinem
Hanse gefunden worden. Ungefähr um Mitternacht hatte ein
Nachbar ein sonderbares Geräusch, dann einen schweren Fall
gehört, nach welchem Alles still geworden. Als sich am andern
Tage das von Greifmann allein bewohnte Hans nicht öffnen
wollte, sprengte man die Thüre und fand den Eigenthümer
todt mit gebrochenem Genick unten an der Treppe liegend.
Das Gericht untersuchte und brachte heraus, daß Greifmann
wahrscheinlich nach seiner Gewohnheit seine nächtlichen Um-
gänge gemacht, sich ans das schadhafte Treppengeländer ge-
stützt, dies gebrochen und er durch den Sturz die Treppe hinab das
Leben verloren habe. Der Schneider aber betete im Stillen
und meinte, er wisse es besser. Greifmann mar ohne Testa-
ment ans der Welt gegangen, und so sahen sich seine armen
Verwandten plötzlich ans aller Noth befreit; auch das Hansel
betreffende Dokument fand sich vor und der Junge dankte Gott,
der ihm an Herrn Lohmann einen redlicheren Vormund gegeben.
Vier Wochen später wurde die Hochzeit Heinrichs und
Marias gefeiert. Am Trannngstage erhielt die glückliche Braut
ein zierliches Kistchen; in diesem prangte gar manches köstliche
Geschmeide, und daneben lag ein Briefchen von zarter Frauen-
Hand; das lautete also:
Meine herzliebe Freundin Maria!
An dem Tage, der Dich unaussprechlich glücklich machen
muß, gedenke Deiner Freundin in der Ferne, auch sie ist
glücklich und verzeiht von Herzen der sündigen Hand, die
einen Fenerbrand in ein friedliches Hans schlendern und sei-
nen Himmel trüben wollte. — Als damals Dein geliebter
Heinrich sich löwenmnthig unter die wüthenden Rosse warf,
die meinen zerschmetterten Wagen und mich jammernd in ihm,
in vollem Laufe in euer Städtchen schleppten, als ich todt-
krank vor Schmerz und Schreck an Deinem Busen lag, Du
die Fremde gastlich in Dein Hans nahmst, die Kranke liebreich
pflegtest, und der Genesenden einst in einer traulichen Stunde
Tein ganzes Herz anfschlossest, Dein Leid der Freundin klag-
test, da versprach ich Dir einen zu senden, der gewiß helfen
würde. Sag Herzliebe! habe ich nicht Wort gehalten?
Lebe wohll und vergiß nie deine Freundin
Äurora von drr Lruffe.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Teufel in Blasenheim"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 15.1852, Nr. 342, S. 47
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg