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98

Der Brillantring.

I.

„Sie glauben also wirklich, ich könnte Emiliens Herz
noch gewinnen?" fragte zweifelnd der Literat Ulrich Händl-
mayer auf seinem bescheidenen Zimmer im Wildbade Trost-
heim seinen vornehmen, wunderlichen Zimmernachbarn, Herrn
Abaddona, der so eben wiederum auf Besuch zu ihm her-
übergekommen war, und sich überhaupt für den jungen Priester
der feuilletonistischen Muse lebhaft zu interessiren schien.

„Des Fräuleins Herz, ihre Hand und ihre 500,000
Thaler dazu, wenn Sie sich mir auf sieben Tage unbedingt
anvertrauen!" gab Abaddona mit strenger Protektor-Miene
zurück; „wo nicht" —fuhr er halb boshaft, halb gutmüthig
weiter — „so legen Sie auch diese verlorne Hoffnung zu
Ihren übrigen Makulaturen, und schreiben Sie dann wieder
einen so katzenjämmerlichen Roman, wie Ihren letzten!"

„Wie meinen Dionys, der Bluthund?" fragte mit ver-
letztem Vaterstolze der Literat.

„Ja, wie Ihren Bluthund," bekräftigte mit unterdrücktem
Lächeln der Fremde.

„Mein Herr! Sind Sie ein nachmärzlicher Censor, im
Solde der blinden Reaction?"

„Weil ich Ihren schlechten, polizeiwidrigen Roman
kenne? Allerdings verdiente er fast kein größeres Publikum!"

„ Mein Herr! Sind Sie vielleicht herübergekommen um - ?"

„Um einen jungen, hübschen Mann, dessen Talent ich
würdige, eine feste Basis, ein sicheres Terrain zu verschaffen!"

„Mein Herr! Sind Sie geheimer Polizist?"

„Bitte, ermüden Sie mich nicht länger mit unpraktischen
Illusionen, sondern hören Sie ruhig an, was ich Ihnen jetzt
zu Ihrem eigenen Wohle sagen werde."

„Ich höre."

„Taufen Sie sich nni! Und zwar heute noch?"

„Wie mein Herr!?

„Kann nicht helfen! — Der selige Papa Ihrer Ange-
beteten der alte Schmajah Lebweiland hat's auch gethan vor
etlichen dreißig Jahren und hinterließ als Hofbanquier Baron
von Silberfels seiner Familie die runde Summe von netto
zwei Millionen. Und von Ihnen fordere ich ja nur eine
ganz bürgerliche, temporäre Selbst-Taufe mit einem obligaten
Pathengeschenke von 500,000 Thalern!"

„Unerklärlich, — doch weiter mein Herr!"

„Entdecken Sie noch heute, oder längstens morgen früh
im Cursaale dem Fräulein in aller Heimlichkeit, daß Ihr
Name ein falscher, Ihr Stand ein fingirter ist."

„Aber meine Werke, die alle unter meinem Namen —"

„Im Gewölbe Ihrer Verleger modern?! Mir wären
die 500,000 Thaler lieber!"

„Und meine Karte, — mein Paß —?"
v Den zogen Sie auf der blutigen Wahlstatt von Arad, —
oder wo Sie sonst wollen, — aus der Brieftasche Ihres an Ihrer
Seite gefallenen deutschen Waffenbruders Ulrich Händlmayer!"

„Ja, wer bin denn aber Ich alsdann nach meinem Tode?"
fragte neugierig der plötzlich bei Arad gefallene Feuilletonist.

„Sie — sind Pan Wladislaw Czartoryiski, der letzte
Sprosse des königlichen Geschlechtes der Jagellonen!"

„ Freut mich recht sehr, meine hohe Bekanntschaft zu machen!"

„Ihr Vater fiel bei Ostrolenka im Heldenkampfe gegen
Diebitsch Sabalkansky! Ihre Mutter, eine edle Türkin —"

„Aus Schweinfurt" — ergänzte der letzte Jagellone.

„ Starb am gebrochenen Herzen im Kloster zuNeugeorg iewsk,
und Sie, junger Aar, Sie fochten unter Ihrem Pathen Dem-
binsky als Capitain in irgend einem Honved-Regimente für
die Idee der europäischen Republik. Durch Görgey's Verrath
schmachteten Sie schwer verwundet in den Kerkern von Munkacs,
Spielberg, Kufstein, — oder wo immer Neigung und Terrain-
kenntniß Sie am liebsten schmachten läßt; wurden von dort
durch ein, Ihnen heute noch unerklärliches Wunder, aus den
Krallen der siegenden Tyrannei gerettet, und kämpfen jetzt in
fremdem Lande und unter fremdem Namen, nachdem Sie, wie
Kosciusko, Ihr Heldenschwert zerbrochen, mit der Feder für die
Zukunft Ihrer zertrümmerten Idee. — Und mit dem Teufel
müßte es zugehen, wenn Sie auf diesem Wege nicht zum
höchsten Ziele Ihrer Wünsche gelangen sollten!" —

„O, Herr Abaddona! Sie kennen Emilien nicht! Ihr
Herz ist so schön, aber auch so kalt, wie die Brillanten an
ihrer schönen Hand, und solch ein Betrug-"

„WiedieSolitair'san des Fräuleins Hand!" rief Abaddona,
in einem so warmen und angelegentlichen Tone als ginge erst
jetzt sein eigentliches Wirken an; „da liegts! — junger Freund,
— da liegts! — Das ist es, was wir wollen, wie Ihr Collega
Prutz einmal gesungen hat! — Schaffen Sie mir diese Bril-
lanten, junger Freund, — aber mindestens auf sechs Stunden
in meine Gewalt, — und ich schaffe Ihnen dagegen das
Fräulein in die Ihrige, ehe noch sieben Tage verstrichen sind!"

„Das wollten Sie?"-

„Das will ich, das kann ich, — und das werde ich — mit
Hilfe Ihrer temporären Selbsttaufe, meiner ewigen Wissenschaft,
und des Brillantringes an des Fräuleins Finger! Lächeln Sie
nur. Sie frivoler Sohn einer frivolen Zeit, die nicht mehr zu
glauben vermag an die geheimnißreichen Wnnderkräfte der Natur
die in Luft und Erde, in Feuer und Wasser aus dem großen
Universum in unseren kleinen Mikrokosmus dienend herüber-
fluten. Ja, es gibt verborgene, stille, magische Kräfte, — eine
festverschlossene Pforte für den Laien, aber ein goldreicher Schacht
für den Wissenden, — das Fremde sich nahe zu bringen, ja
das Widerstrebende sogar sich unauflöslich zu verbinden!"

„Wär's nur schon verbunden!" seufzte leidlich unüber-
zeugt der königliche Feuilletonist.

„Schaffen Sie mir den Ring! — eine Kleinigkeit für
Pan Wladislaw Czartoryiski, — und es ist verbunden!"
stachelte Abaddona lakonisch.

„Ich hab's gefunden, ich hab's gefunden!" rief plötzlich der
bleiche Musensohn in nervöser Begeisterung und sprang von der
Badwanne, auf welcher er gesessen, so freudig empor, wie einst
mit dem selben Rufe Archimedes von Syrakus aus derselben
sprang, und entzückt über die Lösung seines mathematischen Prob-

... J
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