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Ter Bri

räthin, sich mit besonderer Huld dem ritterlichen Schreib-
mayer zuwendend.

„Wohl möglich, sogar sehr wahrscheinlich, wie mich be-
dünken will! der Name wenigstens ist auf jeden Fall ein
fingirter; denn mir ist er während meiner dreiundvierzig-
jährigen Aktivität niemals vorgekommen. Nur der alte Dichter
Klopstock hat ihn einmal gebraucht, und zwar in seiner
Epopoee „die Messiade," in welcher der Engel des Verderbens
Abaddona heißt!" replicirte der Gefragte.

„Und der selige Friedrich Gottlicb Klopstock hat ihn hin-
wiederum aus der Bibel geborgt," belehrte der reformirte
Tekau Dr Buchbeißer, dem es erst seit dieser neuesten Wend-
ung der Eonversation so recht wie dem Fische im Wasser
zu Muth wurde. „Im neunten Capitel," fuhr er salbungs-
voll fort, „im neunten Capitel der Apokalypse nemlich führt
diesen Namen, — der übrigens im Griechischen „Apollyon"
heißt, — der König der Heuschrecken, die da kommen werden
zu ihrer Zeit, mit Kronen auf dem Haupte, und mit mensch-
lichen Angesichtern und rasselnden Flügeln, und mit Stacheln
an ihren Skorpionsschwänzen! — Nun aber heißet in der Misch-
nah des Talmuds von Rabbi Jehuda ha Nassi eigentlich —"

„Lassen wir doch die Mischnah und den Talmud, lieber
Herr Dekan! das Zeugs ist ja doch von gar zu relativem In-
teresse!" ries Frau Baronin von Silberfels, die einmal eine
entschiedene Aversion gegen Alles hegte, was nur irgendwie
auf die Kinder Israels zurückführen konnte; und wäre dar-
über fast aus ihrer ganzen wirthlichen Liebenswürdigkeit jäh-
lings herausgestürzt, Hütte nicht Emilie mit der witzigen Er-
mahnung, — seine Heuschreckliche Majestät nunmehr hüpfen
zu lassen, wohin Höchstdieselbe beliebe, — dieses Thema
schnell abgebrochen und die halb pickirte, halb ennuyirte Ge-
sellschaft zum Spieltische geladen.

Um dieselbe Stunde saß Herr Händlmayer-Czartoryiski
mit aufgestreiften Hemdärmeln vor seinem Tische, und fertigte
— statt der geheimen hochpolitischen Correspondenzen nach
Paris, London und Philadelphia — aus Pappe, Flittergold
und farbigem Papier einige Etuis, Cylinder, Becher mit
doppelten Böden, und andere dergleichen Apparate zur bevor-
stehenden 8oiröe maligne, unter Leitung und Beihülfe seines
heute wunderlich lustigen Beschützers an.

„Wie ich Ihnen sage" — begann Abaddona die heilige
Stille zu unterbrechen, — „Sie sind seit Ihrer gelungenen
Selbstläufe der Held des Tages, der König des Bades und
der vielbeneidete Autokrat im Herzen Emiliens von Silber-
fels; und ich halte mein gegebenes Versprechen, — wenn
anders Sie das Ihre pünktlichst erfüllen, — daß innerhalb
drei Tagen die stolze Tochter des Millionärs hier in diesem
Curorte, im Angesichte ihrer Mutter und Schwestern, und
aller Gäste vor Ihnen knieen wird!" — Wer kann es da-
her, auf solche glänzende Aussichten hin, unserm überglück-
lichen Herzens-Czaaren verargen, daß er sich im Geiste schon
wie Robert der Teufel während der Cavatine des vierten
Aktes sah, — wenn die stolze Prinzessin von Sizilien liebe-
’ flehend zu seinen Füßen knieet, — und er darüber einen

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llantring.

Bogen feinsten Goldpapiers, anstatt auf der Revers-, auf der
Goldseite bedächtig mit Kleister überzog, und auf das etwas
polygonartig gerathene Dreieck pappte.

III.

Ter Abend des „kühnen Griffs" war gekommen, die
Stunde der „rettenden That" bereits im unaufhaltsamen
Minutengange. Im eleganten Conversations - Saale warfen
ephcuumschlungene Schwcblampen und schnörkclreiche Giran-
dolen ihren magischen, aus den hohen Wandspiegeln verdoppelt
widerstrahlenden Schimmer über die zahlreiche glänzende Ver-
sammlung. Händlmayer-Czartoryiski hatte von seinem, durch
zwei Lampen und einem dreiarmigen Leuchter erhellten, teppich-
überhangenen Zaubertische aus bereits die oftgesehenen Wunder
des „unverbrennbaren Taschentuches," des „wandernden Tha-
lers" und der „behexten Ooenr Dame" vor einem überaus
freundlichen Publikum mit feuilletonistischer Handfertigkeit,
und aristokratischer Nonchalance zum Besten gegeben, während
die jungen Bade-Löwen, — jeder auf seine Weise, — die
liebenswürdigen Baronessen Emilie und Mathilde flüsternd
versicherten, das ,,Casta diva“ aus Norma niemals so reizend
und seelenvoll gehört, und die ganze „pompöse" Schönheit
der Sonette Ghismonda's aus der gottvollen „Amaranth"
erst jetzt völlig begriffen zu haben, und Mama Silberfels
sich immer unzweifelhafter in der süßen Ueberzeugung sonnte,
daß doch ihre beiden Aelteren unbedingt die alleinigen sou-
veränen Königinnen der Saison seien, und auch Toris, ihre
Jüngste, ein naseweis zierliches Backfischchen, sich mit wahren
Riesenschritten zur Tritten im schönen Bunde herancultivire.
Ta wandte sich der Letzte der Jagellonen, in der Rechten
einen funkelnden Pappendeckel-Pokal an den Kreis seiner Zu-
schauer, mit jener geheimnißvollen, feierlichen Künstler-Miene,
die stets dem Non plus ultra verkündend vorhergeht, und !
erbat sich alsdann, mit einem vielsagenden Blicke und in zier-
licher Rede von „Panna Emilia" einen Brillantring. Abad-
doua, der bisher ziemlich theilnahmslos, wie es schien, in
Mitte des Salons unter der großen Schweblampe gestanden,
trat ein paar Schritte näher zum Tische des königlichen Ma-
giers, warf durch seine goldgefaßte Brille einen seltsam for-
schenden Blick auf die beiden Helden dieses Moments, und
seine runde, glänzend kahle Stirne, und die von einem pech-
schwarzen Collier-Grecque ringsum begrenzten bleichen Wangen
rötheten sich merklich, als Panna Emilia, zwischen Mama
und Schwestern thronend, sich mit stolzer Grazie erhob, das
erbetene Kleinod von dem niedlichen kleinen Finger ihres
Händchens streifte und es mit Glück verheißendem Lächeln in
Händlmayers zitternde Hand gleiten ließ. Dieser begann nun
in gewandter, wenn gleich etwas bebend vorgetragener Rede
von der wunderlichen Fahrt zu berichten, die dieser Ring als-
bald, von Pol zu Pol, von Süden zum Norden pilgernd,
zu machen habe, — das heißt, wie er zuerst aus dem Becher,
in dessen Grund er jetzt ruhe,»in eine, den Zuschauern vor-
gezeigte frische Srange, und dann in eine in Aussicht ge-
stellte Tasse Vanille-Eis wandern müsse, bis ihn endlich Panna
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