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Der theuere Braten.
und in demselben saß in einem Reifen ein Vogel, desgleichen
weder Gian-Maria noch sein Begleiter je einen gesehen hatten.
Denn sic Beide fragten sich zugleich: „Oi, Gevatter,
sieh da, was für eine wunderliche Kreatur?"
Besagtes Geschöpf aber war von der Größe eines Raben,
krumm und stumpf beschnabelt, hatte kleine runde Augen
und ein Gefieder von den prachtvollsten Farben, grün, purpur,
scharlach, azurblau und golden, das wie Atlas und Sammt
j erglänzte und weich schien, wie Eiderduncn.
„Diese Bestie scheint mir ein Vogel," meinte nach näherer
Betrachtung der Kamerade Gian-Maria's.
„Mir gleichfalls," sagte dieser, „aber gewiß ein sehr
rarer, wie man sie nicht auf jedem Roccolo*) fängt. Wo,
bei Gottes Leichnam, mag der Gauner Bortolo dieses Meer-
wunder aufgegriffen haben?"
Der Wirth, oben genannter Bortolo, zeigte sich gerade zur
rechten Zeit, um diese Frage seines Gastes zu beantworten.
„Ach, Ihr betrachtet meinen Rothschopf!" rief er den
1 Buchensteinern zu, „ein kostbares Stück von einem Vogel,
ein Spatz, wie Ihr noch nicht viele gesehen haben werdet!"
„All' mein Lebctage noch keinen! Wie heißt Ihr dieses
j Geflügel? "
„Es ist ein Papagallo, — ein indianischer oder marokkani-
scher Rabe, wie sie in jenen Wcltthcilen in den Wäldern zu
Hunderten herumfliegen. Mir hat ihn ein Schwager geschenkt,
! der dort drüben über dem Waffer war und nun mit vielen
seltenen Thieren reiset, mit einer Menagerie, wie man so
sagt, und vor kurzem hier passirte. Der grüne Bursche ist
etwas melancholisch und mein Schwager ist kein Freund von
melancholischen Papageyen; er hat ihrer lustige genug."
Noch lange wußten die Beiden viel über den niegesehenen
Vogel zu fragen und der Wirth gleich viel zu erzählen, bis
sich dieser endlich verlor, um einen „Tropfen Wein" herbeizu-
schaffcn für die Gäste. Jndeffen saß der Papagallo ernsthaft
und nachdenklich in seinem Ringe und rührte sich nicht, wenn
auch die zweie mit ausgespreizten Beinen, die Hände an's
Knie gestemmt und mit offenen Mäulern ihn betrachteten.
Mit einemmale rief da eine Stimme: „Was schaust du?
— Maul-Affe! — Was schaust du?"
Gian-Maria und sein Freund betrachteten sich gegenseitig,
— sie sahen sich um, — keine Seele war im Zimmer und
plötzlich erscholl wieder derselbe Spottrus.
„Bei der allerheiligsten Mutter," — stieß der eine her-
vor — „ich glaube diese Bestie redet wie ein Christmensch!"
„Gottes Tod!" schwor der Andere, — „der Vogel sagt
uns Grobheiten in's Gesicht so schön wie nur Einer!"
„Das geht nicht mit Rechtem, theurer Peppo!"
„Da hat der alte Spitzbube böse Praktiken im Spiel!"
Und schon waren sie geneigt alles mögliche, nur keinen
Vogel mehr hinter dem Rothschopf im Käfige zu vermuthen,
und dachten daran, unter Bekreuzungen das Weite zu suchen,
als ihnen Bortolo abermals auch diesen Vorzug seines
") Vogelheerd.
Papagallo auseinander setzte und ihnen versicherte ohne
'Teufelei und Hexerei, lediglich durch eigenen Menschenver-
stand hätte es dieser in der Redekunst so weit gebracht.
Gian-Maria wäre es viel lieber gewesen, etwas von Zauber
und Schwarzkünsten zu vernehmen, denn nun schämte er sich
dem Wirthe gegenüber mit seiner fodomischen Unwiffenheit und
seinem Hochmuth wollte cs durchaus nicht behagen, daß ein
Vogel, sei's auch ein indianischer oder afrikanischer, ihn den
reichsten Mann von Livinalongo zum Besten gehabt habe.
(Schluß folgt.)
Mei' Sach.
„Pfeift mir der Kerl jetzt schon den dritten Tag, jeden
Abend zwei geschlagene Stunden lang vor dem Fenster den
Hurrah-Galopp und die Jägerpolka; da mag der Teufel ar-
beiten." (Das Fenster öffnend.) „Hannes!" — „Wasis?"
— „Er kann gar schön pfeifen; wo hat er das gelernt?"
— „Das Hab ich von mir selbst gelernt." — „So; da trink
Er einen Schnaps und eß Er einen Kümmelweck dazu."
(So geht dies acht Tage lang jeden Abend. Am neunten
Tag aber bleibt das Fenster zu. Hannes klopft.)
„Was will Er?" — „Ei, ich wollt mei' Sach." —
„Damit ists jetzt aus, Lieber. Heute morgen hat mir der
Bürgermeister sagen lasten, Er müsse jeden Abend vor
meinem Fenster pfeifen und zwar umsonst." — „Was! den
will ich sehn, der mir waö zu befehle hat. Heunt war's
zum letztemol gepfiffe; hot Ers geheert!"
Der theuere Braten.
und in demselben saß in einem Reifen ein Vogel, desgleichen
weder Gian-Maria noch sein Begleiter je einen gesehen hatten.
Denn sic Beide fragten sich zugleich: „Oi, Gevatter,
sieh da, was für eine wunderliche Kreatur?"
Besagtes Geschöpf aber war von der Größe eines Raben,
krumm und stumpf beschnabelt, hatte kleine runde Augen
und ein Gefieder von den prachtvollsten Farben, grün, purpur,
scharlach, azurblau und golden, das wie Atlas und Sammt
j erglänzte und weich schien, wie Eiderduncn.
„Diese Bestie scheint mir ein Vogel," meinte nach näherer
Betrachtung der Kamerade Gian-Maria's.
„Mir gleichfalls," sagte dieser, „aber gewiß ein sehr
rarer, wie man sie nicht auf jedem Roccolo*) fängt. Wo,
bei Gottes Leichnam, mag der Gauner Bortolo dieses Meer-
wunder aufgegriffen haben?"
Der Wirth, oben genannter Bortolo, zeigte sich gerade zur
rechten Zeit, um diese Frage seines Gastes zu beantworten.
„Ach, Ihr betrachtet meinen Rothschopf!" rief er den
1 Buchensteinern zu, „ein kostbares Stück von einem Vogel,
ein Spatz, wie Ihr noch nicht viele gesehen haben werdet!"
„All' mein Lebctage noch keinen! Wie heißt Ihr dieses
j Geflügel? "
„Es ist ein Papagallo, — ein indianischer oder marokkani-
scher Rabe, wie sie in jenen Wcltthcilen in den Wäldern zu
Hunderten herumfliegen. Mir hat ihn ein Schwager geschenkt,
! der dort drüben über dem Waffer war und nun mit vielen
seltenen Thieren reiset, mit einer Menagerie, wie man so
sagt, und vor kurzem hier passirte. Der grüne Bursche ist
etwas melancholisch und mein Schwager ist kein Freund von
melancholischen Papageyen; er hat ihrer lustige genug."
Noch lange wußten die Beiden viel über den niegesehenen
Vogel zu fragen und der Wirth gleich viel zu erzählen, bis
sich dieser endlich verlor, um einen „Tropfen Wein" herbeizu-
schaffcn für die Gäste. Jndeffen saß der Papagallo ernsthaft
und nachdenklich in seinem Ringe und rührte sich nicht, wenn
auch die zweie mit ausgespreizten Beinen, die Hände an's
Knie gestemmt und mit offenen Mäulern ihn betrachteten.
Mit einemmale rief da eine Stimme: „Was schaust du?
— Maul-Affe! — Was schaust du?"
Gian-Maria und sein Freund betrachteten sich gegenseitig,
— sie sahen sich um, — keine Seele war im Zimmer und
plötzlich erscholl wieder derselbe Spottrus.
„Bei der allerheiligsten Mutter," — stieß der eine her-
vor — „ich glaube diese Bestie redet wie ein Christmensch!"
„Gottes Tod!" schwor der Andere, — „der Vogel sagt
uns Grobheiten in's Gesicht so schön wie nur Einer!"
„Das geht nicht mit Rechtem, theurer Peppo!"
„Da hat der alte Spitzbube böse Praktiken im Spiel!"
Und schon waren sie geneigt alles mögliche, nur keinen
Vogel mehr hinter dem Rothschopf im Käfige zu vermuthen,
und dachten daran, unter Bekreuzungen das Weite zu suchen,
als ihnen Bortolo abermals auch diesen Vorzug seines
") Vogelheerd.
Papagallo auseinander setzte und ihnen versicherte ohne
'Teufelei und Hexerei, lediglich durch eigenen Menschenver-
stand hätte es dieser in der Redekunst so weit gebracht.
Gian-Maria wäre es viel lieber gewesen, etwas von Zauber
und Schwarzkünsten zu vernehmen, denn nun schämte er sich
dem Wirthe gegenüber mit seiner fodomischen Unwiffenheit und
seinem Hochmuth wollte cs durchaus nicht behagen, daß ein
Vogel, sei's auch ein indianischer oder afrikanischer, ihn den
reichsten Mann von Livinalongo zum Besten gehabt habe.
(Schluß folgt.)
Mei' Sach.
„Pfeift mir der Kerl jetzt schon den dritten Tag, jeden
Abend zwei geschlagene Stunden lang vor dem Fenster den
Hurrah-Galopp und die Jägerpolka; da mag der Teufel ar-
beiten." (Das Fenster öffnend.) „Hannes!" — „Wasis?"
— „Er kann gar schön pfeifen; wo hat er das gelernt?"
— „Das Hab ich von mir selbst gelernt." — „So; da trink
Er einen Schnaps und eß Er einen Kümmelweck dazu."
(So geht dies acht Tage lang jeden Abend. Am neunten
Tag aber bleibt das Fenster zu. Hannes klopft.)
„Was will Er?" — „Ei, ich wollt mei' Sach." —
„Damit ists jetzt aus, Lieber. Heute morgen hat mir der
Bürgermeister sagen lasten, Er müsse jeden Abend vor
meinem Fenster pfeifen und zwar umsonst." — „Was! den
will ich sehn, der mir waö zu befehle hat. Heunt war's
zum letztemol gepfiffe; hot Ers geheert!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Mei' Sach"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 15.1852, Nr. 356, S. 156
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg