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ere Braten.

162 Der theu

herrschte ihm der reiche Mann von Villagrande zu, — „brate
ihn schnell und gut!"

Bortolo belächelte den launigen Einfall, aber ein strenger,
erneuter Befehl zeigte ihm den vollen Ernst des seltsamen Ge-
lüstes feines Gastes.

„Pah, verehrter Herr und Freund!" sagteer, „solche Braten
sind zu theuer, die werden auf keines Papstes Tisch verspeist!"

Damit aber halte er eS übel angestellt. „Zu theuer!" Das
war nicht das Wort, womit man dem Gian-Maria Foppa nahe
auf den Leib kommen durfte. Das kitzelte ihn hinauf in seine
schlimmste und übcrmüthigste Laune und schraubte seinen Eigeu-
I sinn fest in seinem Gehirn, daß ihn alle Prediger und Advo-
katen nicht mehr zurecht drehen konnten, „Zu theuer!" das hatte
noch Keiner zu ihm gesagt, den er nicht am selben.Platze Lügen
gestraft hatte und hätte er selbst ungespcist und ungetränkt baar-
fuß nach Buchenstein zurücklaufen müssen, um das oranggelbe
Tuch mit den dreiundzwanzigtausend Gulden dem Zweifler vor
die Füße Wersen zu können.

So höhnte er denn auch jetzt mit einer vollen Lache dem
kleingläubigen Gasthalter zu: „Zu theuer, sagst du, — o Sohn
einer Kuh! — mir zu theuer, dem Gian-Maria Foppa aus
Villagrande? Weißt du, mein blödsinniger Bajazzo, wen du in
deiner höchst jämmerlichen Kneipe zu bewirthen die Ehre hast?
Ich werde dich Sitte lehren, Leuten, wie ich bin, sagen zu wollen,
was ihre Börse leisten könne! Sag' an, was kostet dieser Vogel,
den du ungesäumt braten wirst?"

Bortolo merkte, hier helfe nur die gleiche Anmaßlichkcit und
antwortete flugs: „Zwanzig Napolconsd'or!" Mit diesem Gebot
meinte er die Thorheit eines sodomischen Großhansen besiegt zu
haben, — aber mit nichten.

Mit hastiger Gebärde riß Gian-Maria den Gürtel los,
brachte eine Seidenbörse hervor, schüttelte den goldneu Inhalt
über den Tffch und befahl: „Hier nimm deinen Bettel und —
schaff' uns den Braten, der Handel ist richtig!"

Nun freilich verlegte sich der Wirth auf andere Mittel der
Beschwichtigung und Belehrung, um seinem armen Rothschopf
das Leben zu retten, doch ohne allen Erfolg. Er sprach von
den wohlfeilsten feinsten Braten, von Kapaunen, Truthähnen,
Federwild edelster Art, die er für den hochwerthen Herrn und
Gönner beischaffen wollte, versicherte, der Papagallo wäre ein
steinaltes, zähes, ungenießbares Best, — es half nichts.

„Du hast den Preis geboten, nnd ich bezahle ihn" — ent-
gegncte Gian-Maria, — „und willst du, Fraß des Satans, den
Handel nicht cinhalten, hier sind Zeugen, mein Vetter Peppo
und dein Schcntbube, — ich führe einen Prozeß mit dir durch
alle Gerichte der Welt und mache dich bankerott, ich schwör' es
beim gebenedeiten Leib der Madonna!"

Erschöpft war Bortolos Beredsamkeit und — seine Stand-
haftigkeit. Er nahm die zwanzig Napoleon und erbettelte noch
zwei dazu, — dann ging er zum Käfig, den Rothschopf zum
Opfertode nach der Küche zu bringen.

Das arme Thier mochte schier eine Ahnung haben von dem,
was ihm bevorstund, es sträubte sich heftig gegen die Fäuste

des Mörders und schrie dazu: — „Diavol port», diavoP reca!‘-

— zu deutsch: „Bringts der Teufel, so holt er's auch!"

Von seinem frühern Herrn hatte er diesen Leibsprnch erlernt,

von jenem angewandt, so oft er Geld einnahm. — Jetzt, wo
die Goldstücke klapperten am nahen Tisch, citirte er schleunig
sein altes Sprüchlein.

„Hört, Sior Gian-Maria!" begann der Wirth neue Vor-
stellungen versuchend, — „wie weise dieser arme Vogel spricht.
Bedenkt es wohl: „Der Teufel bringt's, der Teufel holt's.
Schonet Euer Geld und laßt den Papagallo leben!"

Da half aber weder die Weisheit eines Papageien, noch die
Mahnung eines Gastwirthes. „Gerade weil er mir Lektionen
geben will, wie die Christina daheim, soll er gebraten werden,"
befahl mit boshaftem Lachen der reiche Mann von Villagrande

— und Papagallo wurde gebraten.

Bor dem Wirlhe und seiner betrübten Familie gestunden sie
es nicht, die beiden Buchensteiner, daß ihnen der Braten keines-
wegs mundete. Standhaft verschluckten sie das zähe, säst- und
geschmacklose Fleisch und fühlten alsbald wie es ihren Magen
schwer belaste. Gian-Maria war schier geneigt, diese Beschwerden
für Gcwiffcnsbissc zu halten, aber er versuchte sie mit manchem
Gläschen „Lebenswasser" zu überwinden. In seinem Uebermuthe
verpackte er noch die Gebeine Papagallos in seine Taschen und
kaufte um einen weitern Napolconsd'or die Federn des Gemor-
deten, mit denen er seinen Hut schmückte, worauf er in großer
Befriedigung seine Reise sorlsctzte.

Anzusehen wie ein Kazike, mit einer Federkrone von allen
Farben am Haupte, trat Gian-Maria einige Tage darnach in
seine Stube zu Villagrande, pflanzte sich aufrecht vor sein ver-
blüfftes Weib, schüttelte ihr des verspeisten Vogels Knochen auf
den Tisch und sprach:

„Ich bin gekommen, dich nun glänzend Lügen zu strafen,
Einfältige, die du bist! Nimm und benage diese Knochen und
wiffe, sic gehörten einem Vogel, der auf des Papstes Tafel ein
zu theurer Braten ist, — Gian-Maria Foppa hat ihn aber
bezahlt und den Papagallo gespeiset, weil er ein reicher Mann
ist und wohl weiß, wie viel er gilt!"

Darauf erzählte Vetter Peppo die ganze Geschichte von dem
theuren Braten, und Christina entsetzte sich besonders da sie
vernahm, der Vogel habe sprechen gekonnt. Ihr Gatte erschien
ihr beinahe wie ein Menschenfreffer. Der aber wandelte mit
seinem Federschmuck durch's ganze Thal in alle sechs Wirths-
häuser desselben und Peppo mit ihm; jedem Vetter und Busen-
freund schenkte er ein buntes Federchen und allerwärts erscholl
der Ruhm des reichsten Mannes von Villagrande, der einen
redenden Vogel verzehrt habe, welcher zweiundzwanzig goldene
Napoleoni gekostet.

Nun ging Gian-Maria's Sonne auf in ihrer vollsten Herr-
lichkeit. Jetzt erst lebte er, wie sich's gebührte, von Allen hoch-
geehrt, geschmeichelt, bestens bedient, über die Maßen belobt.
Sonntags fuhr er nun stets in die Kirche, mit der einzigen
Halbkaroffe, die im Thal zu finden war, auf dem einzigen Fahr-
wege, nur eine Strecke von einer Viertelstunde, — erst wenn
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