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82 Aus jungen

das meine Kathrine versichern wird; aber diese Hand führte
schon zu der Zeit ganz fertig den Bogen, und meine liebe
Geige hat vom Alter weniger gelitten als ich. Wenn ich des
Abends in meinem Häuslein saß und geigte so für mich, da
öffnete sich manchmal in dem großen Nachbarhause das Fenster
und das Kathi guckte heraus; dann zog es mich gleichfalls
zum Fenster; freundlich plaudert' ich mit dem Mädchen und
gar bald ivußte» wir, daß Eins dem Andern gut sei. Ihr
müßt aber wissen, daß die Kathrine eine Mündel Ivar vom
reichen Bauer Michel Wilmsen, mit dem sie verwandt, ohne
indeß selbst gar reich zu sein. Wenn aber Michel Wilmsen
sein Gold in einem mäßigen Beutel unterbringen konnte, so
fand sein Stolz getviß nicht Platz im größten Sacke. Die
Leute spotteten und lachten daher gar sehr über den armen
Dorfmnsikanten, der das Kathi freien wollte. Dennoch war
ich getrosten Muthes und als ich eines Sonntagsabends be-
sonders viel Geld eingenommen hatte, wagte ich es, den andern
Tag bei Michel Wilmsen anznklopfen. Er saß in dem großen
geblümten Lehnsessel und verzeichnete eben im Kalender den
Preis, den er am Morgen in der Stadt für sein Korn er-
halten ; der mußte aber wohl recht hoch sein, denn er lächelte
überaus zufrieden. Dieser fröhlichen Stimmung mocht' ich
es auch verdanken, daß er meine Bewerbung als einen Scherz
aufnahm „Bist ja sehr spaßig!" lachte er, „sehr spaßig,
Klas? Ist doch meines Wissens heut nicht der erste April!"

Und wie auf meinen Scherz eingehend, sprach er vertraulich:
„Thnst wohl, Spielklas, daß du heirathest, und das Kathi
ist auch eben die rechte für dich; Geld wirst du genug ver-
dienen." Bei diesen Worten, die ich Narr ernsthaft nahm,
zog ich meinen Verdienst vom letzten Abend, zwei Gulden,
mit denen ich schon die ganze Zeit geklappert hatte, aus der
Tasche und sagte mit ehrlicher Miene und nicht geringem
Stolze: „Seht, so viel Hab ich gestern verdient und es kann
noch besser werden!" Nun merkte der Alte doch, daß es mit
dem Spafse nichts sei, und hielt es eher für einen Schimpf, den
ich ihm anthun wolle. Grobe Worte bekam ich zu hören, was
solch ein elender Musikant wohl denke, das Kathi sei nicht
so ein Blümchen, das am Zaune wachse und von jedem Bett-
ler gepflückt werden könne; und endlich zeigt'er mir die Thiire.—
Wüthend ging ich nach meinem Hause; zumeist wurmte
mich der „elende Musikant." In einer Art Verzückung griff
ich nach meiner Geige und fidelte die schönsten Stücke, um
sie deni Michel hören zu lassen. Damit ich diesen Zweck
besser erreichte, stieg ich ans das Dach meines niedrigen
Hauses und setzte mich rittlings ans den First desselben. In
gleicher Höhe mit diesem luftigen Sitze war eine Oberkam'mer
des Nachbarhauses, in welcher der stolze Bauer schlief. Ich
bemerkte, wie am späten Abend Michel Wilmsen mit einem
Licht in diese Kammer trat, um sich in das Bett zu legen.

Nun begann ich mit neuem Eifer zu geige». Gar bald er-
schien der Alte am Fenster und rief mir barsch zu: „Hör'
ans mit deinem Gcfidel, so kann ich nimmer schlafen !" „Elen-
der Musikant!" brummte ich mit verhaltener Wuth und fidelte
lustig weiter. „Will dir zur Abwechselung mal elende Musik

Jahren.

hören lassen," sprach ich dann, und begann nun meiner Geige
so kreuzerbärmliche Töne zu entlocken, daß sich die Dachziegel
hätten Ohren wünschen mögen, um sie nur zuhalten zu können;
ich selbst ertrug es kaum. Nicht lauge währt' es, als ich
Michel Wilmsen halbentkleidet, die Schlafmütze auf dem greisen
Köpfe, am Fenster erschien; diesmal war er schon demüthiger:
Willst du mich verrückt machen, Klas? Gern geb ich zu, daß
du ein guter Musikant bist; aber nun hör auf und du kannst
dir morgen einen Gulden von mir holen." Weiter vernahm
ich ihn nicht; schrillend ließ ich die verstimmten Saiten er-
klingen, von denen bereits zwei gesprungen waren. — Ward
mir der Arm müde, so stimmt ich mit brüllender Stimme das
Lied an:

Wohlauf ihr Musikanten
Nun spielet auf der Geigen.

So kam der Morgen heran, wo ich mich todmüde hernuter-
schlich und das Bett suchte. Aber kaum war des Abends im
obern Zimmer das Licht wieder erglommen, als ich von neuem
nieine hohe Stellung cinnahm. Fürsorglicher Weise halt'
ich meine Ohren mit Baumwolle dicht verstopft, so daß ich
weder das Schelten noch das Bitten des Alten vernahm, der
wiederum mehrere Male den Köpf aus dem Fenster steckte.
Ich rief ihm zu: „Er solle Abbitte thun wegen des „elenden
Musikanten" und mir das Kathi zum Weibe geben." Er
schüttelte den Kopf und brach die Verhandlungen ab.

Den andern Morgen ward ich zum Schulzen beschieden;
Michel Wilmsen hatte mich bei demselben verklagt. Ich erklärte,
meiner Ansicht nach sei mir so gut erlaubt auf meinem Dache
zu musiciren, als darunter; der Schulze gab mir Recht und
that dem Kläger den Bescheid zu wissen! man könne mich in der
Ausübung meiner Kunst nicht hindern, so lange ich in und auf
meinem Besitzthnme verbleibe. Der Schalk war mit dem stolzen
Bauern verfeindet und gönnte ihm die Nachtmusik von Herzen.

Als ich in der dritten Nacht bemerkte, daß der Alte sein
Schlafzimmer nach der andern Seite des Hauses verlegt hatte,
nahm ich eine Trompete mit aufs Dach, eingedenk der Worte:
Viole, Baß und Geigen,

Die müssen alle schweigen
Vor dem Trompetenschall!

Tie Posaune des jüngsten Gerichts kann nicht besser dröhnen,
als dazumal meine Trompete. Die Fenster klirrten, einige
Dachziegel stürzten sich in Verzweiflung selbstmörderisch vom
Hause herunter, und, was das Beste, am andern Tage kam
das Kathi mit der Botschaft: der Alte habe in unsre Heirath
gewilligt und verlange mit mir zu sprechen. Ich ging sogleich
hinüber; Michel Wilmsen saß wieder im Lehnstuhl, er hatte
ein Tuch um den Kopf gebunden und sah sehr blaß aus;
die drei Nachtwachen hatten ihm stark zugesetzt. Mit grimmiger
Freundlichkeit gab er mir zu verstehen, ich könne mit seiner
Mündel Hochzeit halten, sobald ich wolle; dahingegen müsse
ich ihm eidlich versprechen, die nächtlichen musikalischen
Hebungen einznstellcn. Gern willigte ich ein, denn diese
Nachtstündchen waren mir selbst nicht weniger lästig.

So Hab ich mir meine Frau erspielt. Freilich sagte die
Kathrine später, sie habe dem Alten begreiflich gemacht, nach
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