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Aus dem Tagebuche des Herrn Chung Ata».

139

Papier-Tiger, dafür aber inhaltsreich und weise, wie ein Jün-
ger des göttlichen Kung-fu-tse, in dessen geweihtem Porzrllan-
tempel Wan-miao zu Nan-kang-fu er einst die Weisheit ge-
trunken hat. Wie man den Opiumraucher am gelben Gefichte
und an den weißen Zähnen erkennt, also erkennt man den
Weisen an der Wölbung der Stirne. Zuletzt las er uns einige
Goldsprüche aus dem 10000 Worte reichen Buche Wan-yen-yu,
und dem 261sten und letzten Bande des lehrreichen Werkes Te-tfing-
hoy-tten vor, welches er mitgebracht hatte. Denn ein Gelehr-
ter trennt sich eben so wenig von seinen Büchern, als ein ar-
mer Mann von seinen Schweinen. O Fo, der Du in so zahl-
reichen Gestalten lebst, als der Sand des Heng-Ho, ich danke
Dir, daß ich ein Chinese bin, und wünsche mir Glück dazu!
Hier kostet Alles Geld, — sogar der gedruckte Ausruf, den
wir ergehen ließen an die Menschen von Mu-en-chen, uns zu
huldigen und Tribut zu entrichten, gleichwie der ganze Erd-
kreis huldigt und Tribut entrichtet unserm ruhmreichen Kaiser,
dem erhabenen Sohne des Himmels, der über die Menschen
gesetzt und verantwortlich ist für die Ordnung der Welt und
die Ruhe der Völker. Ein Unter-Mandarin-Dieners-Gehilfe

des großbilligen Klein-Zeitungsblattes forderte uns heute, als
wir beim Heyson-fkin saßen, mit lieblicher Rede und zierlichem
Anstande einen Beutel runder Ta-ens aus dem unedlen Me-
talle Tschen dafür ab. Wir gaben, was der Jüngling begehrte.
Denn dem Netze des Gesetzes zu entgehen ist schwer, und wer
frische Fische haben will, darf nicht auf die Kosten schauen.
Meine Schwägerin hat diesen Besuch des jungen Doktors mit
freiem Haarpinsel treu und lieblich abgemalt.

So oft meiner lieben Frau der Aerger zwischen den Au-
genbrauen fitzt, — und er fitzt oft dort, — verlieren diesel-

ben die Aehnlichkeit mit dem zweitägigen Neumonde fast gänz-
lich; ich sagte ihr dieses schon oft, aber von Rattenzähnen er-
hält man kein Elfenbein, und ich will die Porzellanschüffel mei-
ner Weisheit nicht stets gegen den irdenen Teller ihres eige-
nen Willens versuchen.

Den 24tm.

Bei uns im himmlischen Reiche der Mitte, dessen Unter-
than ich durch die Gnade des großen Fo sein darf, — wer-
den die Käufer und Raucher des finnbetäubenden Krautes Opium
mit 100 Bambus-Streichen bestraft, und zwei Monate lang
an den Pranger gestellt; hier dagegen wird das Kraut Opium
mit Aloe, Schierling und anderen Giftpflanzen zu einem brau-
nen Tranke gemischt, den fie Bie-er nennen, und in dieser Ge-
stalt ftei und ohne Scheu öffentlich getrunken. Noch mehr!
Die Regierung von Mu-en-chen läßt diesen Trank sogar durch
ihre eigenen Mandarinen (mit dem blauen Knopfe) bereiten,
und in einem eigenen Regierungs-Trink-Tempel (wie bei uns
das Regierungs-Speise-Haus Kung-kuan) zum Kaufe und Ge-
nüsse feilbieten. In der gewölbten, schwarzen Halle dieses von
keiner schöngeblumten Laterne lieblich erhelltm Trink-Tempels
fitzen Gelehrte, Ackerbauende, Krieger, Weisheits-
Lehrlinge, Gaukler und Barbiere, ja selbst Mandarine
mit Knöpfm aller drei Grade ohne alle Rangordnung
unter einander und betäuben fich mit dem braunen
Safte Bi-er, den fie aus häßlich geformten Krügen
von westlichem Porzellan in unbeschreiblicher Menge
in fich gießen. Die Wirkung dieses Trankes soll der
des Krautes Opium vollkommen gleichen; die also
Betäubten sehen das westliche Paradies ihres großen
Fo offen, und ihre Herzen werden voll Weisheit und
ohne Aergerniß; fie sehen die heilige Lotusblume und
Bäume und Edelsteine entzückend wehen, wie die Be-
wegung einer ungeheueren Fläche von gestickter Seide,
und wenn fie in die Höhe blicken, sehen fie das
Firmament voll von Tu-lu-lu-Blumen, welche in
schöner Verwirrung, wie Regen herabfallen. Ihr
Geficht wird hell, lieblich und wohlriechend; fie klei-
den fich nicht, und doch find fie nicht kalt; fie essen
nicht, und doch find fie nicht hungrig; fie trinken stets
und doch werden fie niemals durstlos, und ihr Alter ist ohne
Maß! — Und wie die Raucher des Krautes Opium ein täg-
liches Verlangen nach diesem Kraute tragen, und, wenn fie
dasselbe zur bestimmten Stunde nicht erlangen können, hinfäl-
lig an den Gliedern, und unfähig jeder Arbeit werden, also
werden auch die Geister der Männer von Mu-en-chen, nach
einem gesetzlich angeordneten Trünke vom Safte Bi-er, auf
unglaubliche Weise wieder hergestelll und zu Werken der Weis-
heit und Liebe angetrieben.

Die Geschichte des hiesigen Trunkes vom Kraute Opium
habe ich meiner Schwägerin ganz verschwiegen, — denn was
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem Tagebuche des Herrn Chung Atai"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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abweichende Titelschreibweise ("Tagebuche" statt "Tagebuch")

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Besuch
Teezeremonie
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Deutsche <Motiv>
China <Motiv>
Chinesen <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 17.1853, Nr. 402, S. 138
 
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