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Ein Äonig und ich 14*

die früher ganz vertraulich sich mit mir unterhalten hatten, zo-
gen sich scheu von mir zurück, bückten, wenn ich in dm Saal
trat, sich so tief zur Erde, daß sie vollkommene Nullen bilde-
ten und wagten kaum zu antworten, wenn ich eine Frage an
sie richtete. Einer von den Stammgästen, ein reicher Papier-
fabrikant, der früher oft über Politik mit mir disputirte und
dabei seine radikalen Ansichten mit vieler Lebhaftigkeit entwi-
ckelte, trat eines Abends in schwarzem Frack und weißer steifer
Cravatte auf mich zu, verneigte sich bis auf den Boden und
bat in einer auswendig gelernten Anrede um Verzeihung we-
gen seiner gegen mich ausgesprochenen Ansichten. Ich hörte
ihm ruhig zu, da ich glaubte, er habe den Raps bekommen
und als er geendigt, klopfte ich ihm freundlich auf die Schul-
ter und gebot ihm, sich zurückzuziehcn, was er dann unter vie-
len lächerlichen Reverenzen that.

„Als ich nun einen Andern der Gäste nach der Ursache
des sonderbaren Benehmens jenes Fabrikanten fragte, machte er
eine wo möglich noch tiefere Verbeugung und rief mit beben-
der Stimme: „O!" Mehr als dieses nichtssagende,,O" konnte
ich nicht aus ihm herausbringen. Bei dem rappelt's ebenfalls,
dachte ich und wendete mich an einen Dritten, dem ich zur
Aufmunterung eine Prise anbot. Nach vielem zimperlichen
Weigern und nachdem er sich vorher mehrere Male mit den
Rockschössen die Finger abgeputzt, tauchte er dieselben mit lä-
cherlicher Schüchternheit in die Dose und rief statt meine Frage
zu beantworten: „Ich werde diese Gnade nie vergessen!" Ein
Vierter, dem ich mich nähern wollte, ergriff die Flucht, und
als ich mich an den Wirth um Auskunft über das sonderbare
Benehmen seiner Gäste wendete, machte er ein Dutzend Ka-
tzenbuckel hintereinander, rieb sich in Ehrfurcht die Hände und
war nicht fähig ein verständliches Wort herauszubringen. Auf
meine Frage, was ihn so plötzlich verwandelt, antwortete er
nach langem Weigern endlich: „O es bleibt nichts verborgen!"
und lachte dabei so dumm, daß es mir ganz miserabel zu
Muthe ward und ich nicht übel Lust hatte, wie ein Donner-
wetter in die Philister zu fahren. Da ich indessen mein hef-
tiges Temperament kenne, dachte ich es am angemessensten, den
Saal zu verlassen. Auf dem Gange begegneten mir mehrere,
die mir schon auswichen und hastig die Hüte abnahmen und
bis auf den Boden senkten.

Gegen elf Uhr Abends kehrte ich in den Saal zurück.
Die Gäste hatten sich indessen verlaufen, was mir sehr ange-
nehm war. Ich setzte mich nun an den Tisch und bestellte
wie gewöhnlich um diese Zeit ein Glas Grog. Ich mußte sehr
lange auf den Grog warten und als ich dem Kellner die Läs-
sigkeit vorwarf, lächelte er höchst bedeutungsvoll und zog sich
schweigend zurück. Endlich kam der erwünschte Trank, aber
auf eine höchst unerwartete Weise. Er wurde mir nämlich von
der Tochter des Wirthes überreicht, einem sehr schönen Mäd-
chen, das sich für diese Feierlichkeit mit vieler Sorgfalt vor-

bereitet hatte. Sie trug ein weißes Mouffelinkleid mit rosen-
rothen Bändern, weiße Altlasschuhe und einen höchst korpulen-
ten Kranz auf dem niedlichen Köpfchen. Das schüchterne Kind
war geschmückt, als ob es eben am Altäre das süße „3 a" zum
ewigen Bunde aussprechen sollte. Sie zitterte sichtbar, als
fie sich mir näherte; und als sie mir den Trank überreichte,
machte fie eine unbeholfene Verbeugung, was allerliebst war.

Wenn mir nun die Huldigung von Setten eines solch'
schönen Kindes gefallen mußte, so hatte doch die ganze Situa-
tion etwas Lächerliches, das mich tief verletzte. Die Scene
wurde aber noch lächerlicher, als das Mädchen sich anstrengte,
einen Vers zu rezitircn, den es wahrscheinlich in der Geschwin-
digkeit auswendig gelernt, aber in dem furchtbaren Bewußtsein
einem Könige gegenüber zu stehen, ganz und gar vergessen
hatte, was ihrem Vater, der an der offenen Thüre stand, um
Zeuge des feierlichen Aktes zu sein, einen nicht geringen Aer-
ger verursachte. Das arme Kind konnte über das „Heil
Dir!" nicht hinwegkommcn. Ich ließ natürlich das Mädchen
nicht lange in der entsetzlichen Verlegenheit, sondern sagte ihm
ganz einfach, daß ich der Obrist von M*** sei, daß ich nie
das Glück gehabt, eine Krone zu tragen und folglich auch nicht
das Unglück gehabt haben konnte, eine Krone zu verlieren. Aber
der Glaube an meine irdische Mäjestät hatte in dem Hause
schon solche tiefe Wurzeln gefaßt, daß mein Prolestiren nur
dazu diente, die Gläubigen zu bestärken.

Wer das falsche Gerücht verbreitet hat, weiß ich nicht;
ich kann aber vermuthcn, wodurch es veranlaßt worden. Der
Eikönig von Schweden ist nämlich oft unter dem Namen Obrist
von M*** gereist und so mochte Jemand, der meinen Namen
im Fremdenbuch gelesen, entweder absichtlich um einen Spaß
zu machen, oder in dem Glauben, ich sei wirklich jener abge-
dankte König, jene Nachricht verbreitet haben, die so viel bei-
trägt, mir die Reise höchst unangenehm zu machen und zwar
nicht blos, weil die Reverenzen der Leute mich anwidern, son-
dern weil man mir überall Rechnungen macht, die mit der
Verschämtheit auch nicht die entfernteste Verwandtschaft haben.
Ich hoffte von allen diesen lächerlichen Unannehmlichkeiten be-
freit zu werden, sobald ich Nürnberg den Rücken gekehrt ha-
ben würde. Aber wie sehr hatte ich mich getäuscht! Auf der
ganzen Reise von der guten alten Reichsstadt bis nach Mün-
chen empfing ich in allen Gasthöfen königliche Ehrenbezeugun-
gen. Was half all mein Protestiren? Was halfen alle Grob-
heiten, die ich, ich darf es kühn behaupten, so sehr verschwen-
dete, als wäre mein Vorrath davon unerschöpflich? Zm Gc-
gentheil! man schien meine Grobheit als den sichersten Beweis
für mein gekröntes Dasein zu halten. Nun bin ich leider ein
Mensch, der sich in der schlechtesten Gesellschaft noch immer
behaglicher fühlt, als in gar keiner, und so konnte ich keinen
Augenblick unter den Leuten zubringen, ohne von deren thö-
richter Zudringlichkeit gequält zu werden. 3ch habe hier schon

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