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Farbige Stereoskopen aus Wien.

Zu unserer Erzählung gehört cs jedoch zu berichten, daß
Emma immer mehr und mehr herabkam, daß sie Anfangs
noch im Fiaker, wenn auch nicht im permanenten „ohne
Nummer," später aber im Comfortable und endlich im —
Omnibus ihre unbesiegbare Leidenschaft für's Fahren befriedigte.

Eine solche Omnibusfahrt mit all ihrer Erbärmlichkeit
war es, welche Emma zu einer äußersten Wendung ihres
Schicksals trieb.

„Lieber sterben, als in einem solchen Omnibus fahren!"
schwur Emma.

„Aber ich bin noch jung!" fügte sie später hinzu. „Ich
will noch nicht sterben! Im Gegcnthcile ich will noch eine —
Equipage haben!!"

Dabei lachte sic laut und wild-boshaft auf. —

Ob und wie sic zu einer Equipage kam, soll der Leser
im nächsten Kapitel erfahren.

6.

Aus dem Gerichtssaal.

(Der Vorsitzende, die übrigen Gerichtöpersonen, die Angeklagte:
Emma Steigerl, der Klager: Jonas Zinsend erg, der Ver-
theidigcr: t>r. Spaßvogel; Publikum.)

DerVor sitzende (zur Angeklagten): „ Also Sie leugnen
nicht, daß die beiden Wechsel pr. fl. 1000 und fl. 1200
mit Accept deS Herrn Arthur Bären st ein — falsch
seien?"

Emma: „Da Herr Arthur Bärenstein selbst an-
gab, daß die Unterschrift auf den Wechseln nicht die seine
sei, so bleibt mir nichts übrig, als dieß zu bestätigen."

Vorsitzender: „Sie glaubten also, daß HerrBärcn-
stcin den Wechsel einlöscn werde, wenn er auch der Sache
ganz fremd war?"

Emma: „Für ganz unmöglich hielt ich cs nicht."

Vorsitzender: „Was konnte Sic zu einer solchen

Annahme veranlassen?"

Emma: „Ich stand ehemals auf freundschaftlichem

Fuße mit Herrn Bärenstein."

Vorsitzender: „Können Sic darüber etwaö Näheres
angeben, was zu Ihrer Entschuldigung dienen könnte?"

Emma: „Die Sache scheint mir zu delikater Natur,
als daß ich öffentlich —"

Vertheidiger (zu Emma): „Keine Rücksichten! —
Sie fürchten Skandal? Legen Sie diese „Schwäche" ab, die
heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist!" —

Emma: „Und ich bin gesonnen, über meine frühere
Liaison mit Arthur zu schweigen."

Vertheidiger: „Hoher'Gerichtshof! Anö dem Be-
streben der Angeklagten, den sogenannten besseren Gefühlen
Rechnung zu tragen, möge man cs nicht unterlassen, auf
die geistige Unzurechnungsfähigkeit meiner Klientin
einen Schluß zu ziehen."

Der Kläger (ein gebrechlicher, abgcmagerter Greis):
„O sie ist nur zu klug! Da sie wohl wußte, ich werde ihr,
trotz mancherlei Rücksichten für sie, nicht bloß auf ihr Gesicht

die fl. 2200 geben, die sie brauchte, so kam sic auf den
Gedanken, mir falsche Accepte von einem Manne zu geben,
von dem es bekannt war, daß er noch vor nicht langer
Zeit mit ihr auf bestem Fuße stand."

Vorsitzender (zu Emma): „Auf welche Weise wurden
Sie mit dem Herrn Kläger bekannt, und befanden Sic sich
in einem näheren Verhältnisse zu ihm, bevor Sic ihm die
falschen Wechsel gaben?"

Der Kläger wird verlegen und unruhig.

Emma schweigt.

Der Vertheidiger: „Meine Klientin gibt durch ihren
Schonungs-Fanatismus abermals Beweise ihrer Geistes-
schwäche! ES sei mir jedoch erlaubt, an ihrer Statt einige
Aufklärungen zu geben. Der ehrenwerthe Herr Kläger, vor
dessen Verstand ich alle Achtung habe, soll, wie es heißt,
sehr wenig — Herz besitzen. Viele seiner Schuldner wenig- |j
stens sind dieser Ansicht! — Schönen Frauen gegenüber
jedoch scheint sein Herz an Umfang unvcrhältnißmäßig zu-
zunehmen. Auch meine Klientin könnte dieß bestättigen.
Sonderbarerweise jedoch stehen sich bei dem Herrn Kläger
die „Liebe" und das „Geschäft" immer feindlich gegenüber.
Zuletzt siegt bei ihm das „Geschäft," und so kommt es in
der Regel immer, daß der Herr Kläger die zarten Objekte
seiner Anbetung schließlich — pfänden läßt. Das sind die ;
Pfänder der Liebe, für welche Herr Zinsenberg eine :
nicht genug anzuerkennende Zuneigung zu hegen scheint."

Vorsitzender (zum Vertheidiger): „Sic kommen von
der Sache ab. (Zu Emma.) Was thatcn Sic mit dem vom
Herrn Kläger erhaltenen Gclde?"

Emma: „Ich kaufte mir einen prächtigen Phaeton
und zwei ausgezeichnet schöne Pferde. Ach! in dieser Equi- !
page fuhr sich'S himmlisch! — Leider war die Freude kurz! ?
Herr Zinsenberg machte sich mit der Equipage bezahlt,
wenn ich nicht irre, hat er bei dem Verkaufe derselben
profitirt."

Der Kläger: „Kaum vier Prozent Zinsen habe ich '
damit herein gebracht!"

Vertheidiger: „Man muß bekennen, daß Herr Zin-
senberg, wenn seine Angabe richtig ist, sein Kapital bei-
spiellos schlecht anlegte, vorausgesetzt, daß man weiß, Herr
Zinsenberg habe eine schwärmerische Neigung, sich für
100 fl. — 150 fl. bezahlen zu lassen! — Er hat also im
vorliegenden Falle das Außerordentlichste von menschlicher
Zuneigung geleistet, denn bisher sind die Leute, die er bis
zum Wahnsinn liebte, niemals unter 25 bis 30 Pro-
zent für feine materielle Hilfe weggekommcn. Auf jede»
Fall ersieht man aus dem Ganzen, daß man auf die Frage!
Auf welchem Fuße meine Klientin mit dem Herrn Kläger
stand? im besten Falle nur antworten kann: Auf den»
gesetzlichen Zinsfüße!"

(Das Publikum auf den Gallcricn lacht und kichert.
Der Vertheidiger lächelt selbstzufrieden mit. Die Richter
ziehen sich zurück. Nach kurzer Frist kommen sie wieder und
sprechen über Emma das „Schuldig!" aus.)
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