Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
42

Wie man sich bei Soupers um

Einladungsschreiben, wie viel Trinkgelder an diesem Abende
wieder für sie abfallcn werden, indem sie bei dieser Berechnung
etwa die Herren Räthe zu zwanzig Silbergroschen, die
Herren Assessoren zu fünfzehn und die Referendare zu zehn
Silbergroschen pro Kopf tarnen; cs sollen jedoch auch wieder-
holt Fälle vorgekommen sein, wo Friedrich und Johann die
Gäste des Herrn Präsidenten bedeutend überschätzt haben.
Einmal z. B. fand Friedrich unter den in die verlangend
ausgestrcckte Hand gelegten Münzen einen — Knopf und
die besondere Form desselben ließ kaum noch Zweifel übrig,
daß er früher dem Leibrockc eines ziemlich corpulcnten Re-
gierungörathes angehvrt habe. Friedrich mochte in seiner
düsteren Vermuthung sich auch wohl nicht irren, denn einem
sehr vertrauten Freunde gegenüber hatte jener dicke, den
leiblichen Genüssen mit Liebe huldigende Regierungsrath die
Aeußerung gethan, daß er die Einladungen zu der Tafel des
Präsidenten für die schwersten Prüfungen seines Lebens halte,
weil dort sowohl Speisen alö Getränke unter aller Würde
schlecht wären und es schade um daö Trinkgeld sei, welches
man Schande halber zuletzt noch den unverschämten Dienern
zu geben gezwungen werde.

Kurz vor Ostern des vergangenen Jahres gab der
Präsident wie alljährlich um dieselbe Zeit auch wieder sein
solennes Abendessen, wobei eS sich ebenfalls wie alljährlich
die geladenen Gäste alle erdenkliche Mühe kosten ließen, um
so beglückt und heiter als möglich zu scheine». Der alte
Spruch: „Sauer macht lustig" — muß jedoch ganz be-
deutend schwache Seiten haben, denn obgleich die Bezeichnung
sauer mit vollem Rechte auf die Weine des Präsidenten
anzuwenden war, so konnte man hicgegcn von der dadurch
nach jenem Sprüchworte bei den Gästen zu erzeugenden
Lustigkeit gar nickts bemerken. Hier und da erschallte
wohl bei den humoristisch-leutseligen Auslassungen des hoch-
gestellten Festgebers ein conventionelles Lachen; allein das-
selbe bestand nur aus gewaltsam hervorgepreßten Tönen
und einer mühevollen Verzerrung der Gesichtsoberfläche zu
fröhlichen Mienen; tiefer vermochte jedoch die Fröhlichkeit
nicht einzudringen und die Herzen der Gäste blieben davon
gänzlich unberührt. Je später es aber wurde, desto öfter
sah man die hierzu trefflich geeigneten Servietten zum Munde
führen, als ob dieselben bestimmt gewesen wären, jenes Eß-
und Trinkwerkzeug nach dem Gebrauche wieder hübsch reinlich
abzuwischen: in Wahrheit wurden jedoch diese Servietten zu
Schutzwehren, hinter denen sich das nicht mehr zu unter-
drückende Gähnen wenigstens verbergen sollte.

Endlich erhoben sich einige der ältesten Herren Räthe,
welche ihr zeitiges Aufbrechen aus diesem lieben Kreise
nur durch ihr Alter dem Präsidenten gegenüber zu entschul-
digen bemüht waren; doch allmählig lichteten sich die Reihen
immer mehr und man konnte, ohne großer Menschenkenner
zu sein, auf den Zügen des vornehmen Wirthes trotz aller
Versicherungen des Gegcntheils dennoch wahrnehmen, daß er
sich herzlich freue, die verehrte Gesellschaft loS zu werden,
ohne deren Wiedererscheinen vor Jahresfrist fürchten zu müssen.

daö Trinkgeld drücken kann.

Unter den letzten der sich verabschiedenden Gäste waren
auch zwei der jüngsten Referendare, welche kurz vorher noch
ein anscheinend höchst wichtiges Gespräch geführt und dabei
mit Aengstlichkcit cs vermieden hatten, daß unberufene Ohren
auch nur eine Silbe ihrer Unterhaltung hören konnten. Ed
waren jedoch nicht etwa verbrecherische Anschläge gegen die
Einrichtungen des preußischen Staates, dem sic zu dienen
berufen waren, auch kein Austausch freisinniger Ideen über
Politik, welche ihrer Laufbahn hätten Schaden bringen können,
sondern das so leise und vorsichtig geführte Gespräch betraf
nur ihre eigenen Angelegenheiten und zwar die empfindlichste
Seite derselben — den augenblicklichen Geldmangel.

„Gott sei Dank!" hatte der Referendar Stern seinen
Nachbar, den Referendar Feldner angeredet, „Gott sei Dank,
daß wir nun bald diese schwere Prüfung überstanden haben.
Mir hat der Wein unseres ver — ehrten Präsidenten in>
Magen einen Schaden zugcfügt, der nicht so leicht zu über-
winden sein wird; ich habe so etwas von zerrissenen Ge-
fühlen in meinem Innern. Nur ein oder einige Gläser echt
bayerischen Bieres können bei meinem traurigen Zustande
bedenkliche Folgen verhüten und ich werde mich deshalb auch
sogleich von hier nach dem „goldenen Löwen" verfügen, uw
Alles zu meiner Rettung zu thun."

„Ich gehe mit, Kollege," flüsterte der Referendar Feldner;
„denn ich habe in der Thal bei diesem Abendessen so viel
Hunger bekommen, daß ich mir uothwendigcr Weise noch
ein Beefsteak gönnen muß. Und wie schmachte ich nach dein
Genüsse einer Cigarre! Der Präsident raucht nicht und aus
diesem Grunde hält er cs wahrscheinlich auch nicht für nöthig,
seinen Gästen nach aufgehobener Tafel Cigarren anzubieten."

„Es wird wohl auch ein wenig Geiz mit im Spiele
sein, oder die Frau Präsidentin fürchtet, daß ihre Gardine»
und Meubels durch den Tabaksrauch leiden können," bemerkte
leise Stern.

„Verdammt!" rief plötzlich Feldner, nachdem er seine
Taschen einer flüchtigen Prüfung unterworfen hatte, ,,nu»
muß ich auch noch mein Portemonnaie zu Hause liegen ge-
lassen haben! Das ist wahrhaftig fatal. Nun, Kollege, sie
borgen mir wohl einstweilen einen Thaler?"

„Zehn Thaler statt eines einzigen, wenn —. ich sie
nämlich hätte," lautete Sterns ziemlich verlegene Antwort,
„aber — ich muß cö Ihnen offen gestehen, Kollege, daß ick
auö Versehen nicht mehr als einen halben Thaler zu mir
gesteckt habe. Hiervon brauche ich aber zehn Silbergroschc»
zum Trinkgeld für die Bedientenschlingel des Präsidenten,
fünf Silbergroschen reichen dann gerade noch für ein Glas
und einen Schnitt Bairisch und den Hausthürcrösfnungs-
groschen für den Nachtwächter kann ich diesem Letzteren erst
Morgen geben. Sie werden diese Rechnung ebenso richtig
alö traurig finden, Kollege!"

„Zum Teufel! Waö fange aber ich an," lispelte ver-
zweifelt Feldner. „Es ist Niemand mehr hier, den ich u»>
ein Darlehen ansprechen möchte, denn meine Bekannten si>E
bereits fort, nur um mich bei dem Präsidenten zu insinuirc»,
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen