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Gleiche Ursachen und verschiedene Wirkungen.

„Wo kann ich sein gesund, wenn de Masscmatten nischt
gaihn?" antwortete Hirsch durch eine Gegenfrage.

Auf Roscnstern's thcilnahmsvollc Erkundigungen erzählte
nun Hirsch, daß seiner Niederlassung in dem benachbarten
Städtchen Wolkenberg von dem dortigen gestrengen Herrn
Bürgermeister alle nur erdenkbaren Hindernisse in den Weg
gelegt würden.

„Ich hob Alles versucht," schloß Hirsch seinen weit-
läufigen Bericht, „aber nix hat geholfen. Der Wolken-
bcrger Borgemahster is ahn unerbittlicher Mann un wenn
mer ihm wollte vielleicht kimmen mit Bestechlichkaht, so ließ
er user') mer gleich in's Gefängniß werfen."

„Weiter iS cS nir un da willst Du gleich verzweifeln,
Härschlebcn," fragte Nosenstern jetzt ruhig. „Laß Der's
verßählen, 's is mir gegangen grad' äso, wie's is gegangen
Dir, un 's war aach grad' in der Szeit, wo ich mer hob,
hier in Fuchshain etablircn gewellt mit lange und kurze
Waar'. Geb nur Obacht, was ich Der sog! Ich kimm'
also aach mit mahn Anliegen zum Borgemahster, fohrt mer
der aach grob an und schlagt mer meine Bitt' rund ab.
Ich stcll's ein nochmal vor un da fragt er mer: „Wie
steiht'S mit Eurem Vermeigen, wenn Ihr wollt' anfangcn
ahn Geschäft?" Gab ich drahf die Schuwe^): „Grauß-
| mächtigster Herr Borgemahster, Mesummen^) hob ich
I nich viel, aber domit hat's kahne Gefahr, ich wcrd' mer's
I schon bald genug verdienen!" — Wie das der Borgemahster
hört, fchlogt er mer mei Bitt' rund ab un sagt: „Ich soll
machen, daß ich fortkimm." Ahfdringlich wollt' ich nich
; werden un deshalb ging ich, aber am nächsten Tog ganz in
der Früh war ich schon wieder beim Herrn Borgemahster,

I um ßu wiederholen mahn Bittgesuch. Wie ich aber damit
j bin noch nich ßur Hälfte fertig, macht der gewaltige Mann
| de Thir asf und steckt mer, ohne ßu antworten, ßur Thir
! enauS. Was kann da sain! Is cs nich heint, so is es
morgen! — Ich geh hahm, un verlier aber de Korasch doch
nich, un wie'ö wieder is am andern Morgen, so mach ich
mich wieder ahf'n Weg ßum Herrn Borgemahster. Aber
wie ich wollt' eben anfangen mahne Red, kommt er ganz
wild ahf mer los un — waih geschrien! — da hatt' ich
aach schon ahne Ohrfeig ahf'n Backen, daß ich glaabte, mei
Rösch **) wäre kaporcS gegangen. Ich sag also gor nir un
geh wieder hahm. Da setz ich mer aber hin und mach einen
Schreibebricf, wurin ich sag: „Gewaltiger Herr Borgemahster!
Se hoben mehr gcschlogcn ahne Ohrfeig ahf de Back, daß
mer gewackelt hoben alle Zähn'. Glaabcn Se aber nich,
daß ich das laß ahf mer sitzen. Ich nihm die Ohrfeig un
wende mer damit an de Regierung un da wollen mehr seh'n,
j ob die Toleranz so weit geht, daß man sich soll gefallen
I lassen fer umsonst ahne Ohrfeige. Ich verbleib Isaak
Rosenstern." — Den Brief schick ich also an den Herrn

H Wahrhaftig.

0 Antwort.

3) Geld.

4) Kopf.

Borgemahster un's iS aach noch kahne Stunde d'rahf, so
kimmt als Antwort ahn Schrcibebricflich, wo d'rcin ßu lesen
stciht: „Wissen Se was, Herr Nosenstern? Kimmen Se
noch ahnmol ßu mir; asö ich Se hob was ßu sogen!" —
Das hatte mer der Herr Borgemahster geschrieben un wie
ich hingeh, so is er ganz fraindschastlich un sagt: „Rosen-
sternleben, mer wollen die Sach Niederschlagen!" — „Is
mer aach recht," sog ich un fünf Minutchcn drahf Hab ich
mahne Konßisjohn ßnr Niederlassung in Fuchshain! — Nu,
Härschlebcn, was sagst De daßu?"

„Was soll ich daßu sogen — ä Kochem') bist De,"
sprach Hirsch voll aufrichtiger Bewunderung für seinen
pfiffigen Freund.

„Nu, was ich Hab gekonnt machen, das kannst Du
aach machen," sagte Rosenstern. „Ass der's nischt kimmt
an ohf ahne Orfeig un asö De's anfangst mit Seachel* *),
so muß Der's aach glickcn, wie's hat geglickt mir."

Hirsch sah die Richtigkeit dieser Behauptung vollkommen
ein und versprach den Rath Rosensterns ganz genau zu
befolgen. Nachdem man noch verschiedene Gcschäftöangcle-
genheitcn besprochen hatte, trat Hirsch seinen Heimweg an,
auf welchem er sich das soeben gehörte Verfahren Roscnstern's
noch genauer cinzuprägen suchte. An einem eben so glück-
lichen Erfolge war nach der Meinung des hocherfreuten Hirsch
gar nicht zu zweifeln.

Ungefähr acht Tage mochten seit jenem Abend vergangen
sein, als Nosenstern wieder in seinem Schreibstübchen saß.
Die Geschäfte des Tages waren beendet, aber trotz der schon
ziemlich eingetretenen Dunkelheit hatte Nosenstern noch nicht
die Lampe angezündet. Wenn er nicht gerade in seinen
dicken Handlungöbüchern zu thun hatte, so liebte er es, in
traulicher Dämmerung die GcschäftSangclegcnhcitcn des TagcS
nochmals vor seinem Geiste Revue passircn zu lassen. In
dieser angenehmen Beschäftigung sollte er aber auch heute
wieder gestört werden, denn unerwartet klopfte Jemand an
der Thüre. Dießmal gab es nicht erst die wichtigen Bücher
zu verschließen und rasch ließ deshalb Nosenstern sein „Herein!"
erschallen.

Wieder war cs Hirsch, der eintrat. Es war jedoch
bereits so dunkel in dem Schrcibstübchen, daß Nosenstern
seinen Freund nur an der Stimme erkannte.

„Stoß Der nich an de eiserne Gcldkass'," warnte
Nosenstern. „Bleib dort staih'n, ich will gleich Licht machen."

„Laß Dir sogen, Rosenstcrnleben, daö hat kahne Me-
hore^), 'S iS mer sogar lieber, wenn De noch nich anstichst
de Lamp'," bat eifrig Hirsch. „WaS ich Dir hob ßu crßählen,
hört sich am Besten an im Finstern."

„S'is Dir doch nich gcpassirt ahn Malchr?" forschte
theilnahmsvoll Nosenstern, dem der traurige Ton aussiel,
welcher in der Stimme seines Freundes lag.

') Ein Kluger, Cchlaukopf.

*) Verstand.

3) Eile.
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