Fliegende Blätter (57.1872 (Nr. 1407-1432))

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Philosophie

Und cs geschah in derselben Zeit, daß ein hoher Herc mit
Tod abging. Man setzte ihm natürlich ein kostbares, groß-
artiges Grabmonnment, das 8 — 14 Tage lang über-
aus zahlreich besucht, bewundert, auch scharf kritisirt und ge-
ladelt wurde. Allmählich aber blieben die Besucher aus und
das stolze Monument fühlte eine peinliche Oede und Langeweile.
Fisher hatten die kleinen und bescheidenen Grabsteine und Kreuze
l« dieser Gegend des Friedhofes mit Neid die Huldigungen
lvahrgenommen, welche demselben erwiesen wurden und sich
allerlei feindselige Glossen zu machen erlaubt. Der vornehme
Grabstein hatte diese seine Nachbar» indeß zuerst stolz ignorirt
u»d sich gefreut — dep. vielen Besuche, die er bekam. Nach-
dem aber seine Gäste fast alle verschwunden waren, da fing er

der Grabsteine.

an, sich um seine Nachbarn umzusehen. Diese bekamen incniger
Besuche als er, aber diese Besuche blieben treu und schienen
nicht mehr zu enden. Jetzt begann der vornehme Stein, diese
kleinen Nachbarn zu beneiden und wollte mit ihnen „gut"
werden. Sie wiesen ihn aber hart ab. Erst »ach und nach
konnte er etwas Theilnahme erringen. Von den Besuchern
dieser seiner Nachbarn lernte er auch die Lösung des Räthsels:
„Die Freunde der Vornehmen sind selten treu^ und ausrichtig.
Sic find häufig mehr Freunde ihres eigenen Vortheiles. Hört
dieser auf, ist's auch mit der Freundschaft aus. Anders ist's
bei armen, einfachen, geringen Leuten; diese haben nicht so
viele Freunde, aber die wenigen, die sie haben, sind es mehr
von Herzen."

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