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Der Besuch im Carcer.

Wie ein Reh eilte das Mädchen die Treppe hinunter.
Nach wenigen Sekunden war sie wieder zur Stelle.

„Ja wohl, Herr Direktor, die Schlüssel stecken, sowohl
der zum Vorstur wie der zur Zelle. Befehle» Sie sonst etwas?"

„Nein, ich danke."

Anny verabschiedete sich. Lächelnd blickte Samuel ihr nach.

„Ein reizendes Känd!" murmelte er vor sich hin. „Ich
gäbe väl darom, wenn meine Winfriede nur halb so väl savoir
vävre besäße, — von Jsmenen ganz zu geschweige». Däser
Ouaddler äst ein paganus, ein liomo incultus, und dessenohn-
geachtet verstäht er cs, eine Charitin großzuzähen, während äch,
der seingebäldete Kenner des classischen Alterthoms, äch, der
llomo, oui nil llumani alienom äst, nächt äm Stande bün,
eine meines Bäldongsgrades würdige Nachkommenschaft zu er-
zielen."

Er strich sich einige Mal über das glattrasirte Kinn, nahm
dann seinen Hut vom Tisch und klomm die Stiege zum
Carcer hinan.

Wilhelm Rumpf war höchlich überrascht, als sich schon
nach so kurzer Gefangenschaft die Thüre in den Angeln drehte.
Sein Staunen erreichte jedoch den Zenithpunkt, als er in dem
unerwarteten Besucher den Direktor Samuel Heinzerling erkannte.

„Non, Rompf?" sagte der ehrenfeste Pädagoge.

„Was wünschen Sie, Herr Direktor?" entgegnete der
Schüler im Tone einer resoluten Verstocktheit.

„Äch wollte mäch einmal erkondigen, ob Sä in sich gehn,
und einsähn, daß solche Puerilitäten der Aufgabe des Gymna-
siums und dem in däsen Mauern herrschenden Geiste vollständig
zowäder laufen..."

„Ich bin mir nicht beivußt..."

„Was, Rompf? Sä wollen säch noch auf die Hünter-
beine stellen? Sehn Sä einmal, was würden Sä wohl sagen,
wenn Sä an meiner Stelle wären! Wörden Sä nächt däsen
onartigen, öbermöthigen Wälhelm Rompf aus Gamsweiler noch
ganz anders bei den Ohren nähmen? Hä?"

„Herr Direktor..."

„Das sänd doch Kändereien, wä man sä einem anstän-
digen jongen Mann aus gooter Famülie nächt zotraut! Wässen
j Sä was? Beim nächsten dommen Streich würde ich Sä re-
legären!"

„Relegiren. . .?"

„Ja, Rompf! Relegären! Drom gähn Sä än stich und
lassen Sä dä Ongezogenheiten, die Ihnen wahrhaftig keine
Ehre machen... Ich wüderhole Ihnen: sätzen Sä säch ein-
mal an meine Stelle! ..."

Wilhelm Rumpf ließ das Haupt nachdenklich auf die
Brust sinken. Er fühlte, daß die angedrohte Relegation nur
noch eine Frage der Zeit sei. Mit einem Male zuckte ein

diabolischer Gedanke durch sein Gehirn.

„Wenn ich denn einmal fortgejagt werden soll", sprach er
zu sich selbst, „so mag es denn auch mit Eclat geschehen!"

Er lächelte wie der verbrecherische Held eines Senjations-
romans nach gelungener Missethat zu lächeln pflegt und sagte
im Tone einer beginnenden Zerknirschung:

„Sie meinen, Herr Direktor, ich solle mich an Ihre
Stelle versetzen. . .?"

„Ja, Rompf, das meine ich."

„Gut, wenn Sie's denn nicht anders haben wollen, so
wünsche ich viel Vergnügen!"

Und damit sprang er zur Thüre hinaus, drehte den
Schlüssel um und überließ den armen Direktor seinem unver-
hofften Schicksale.

„Rompf! Was fällt Ahnen ein! Äch relegäre Sä noch
heute! Wollen Sä augenbläcklüch öffnen! Angenbläckläch,
sage äch!"

„Äch gäbe Ähnen härmät zwei Ständen Carcer", ant-
wortete Rumpf mit Würde. „Sä haben sülbst gesagt, ich solle
| mäch an Ähre Stelle Versätzen."

„Rompf! Es geschäht ein Onglöck! Ein Onglöck, sage
äch! Offnen Sä! Äch befähle es Ähnen!"

„Sä habe» nächts mähr zo besühlen! Äch bän gägen-
würtäg där Därcctor! Sä sänd der Prümaner Rompf! Seien
Sä stüll! Äch dolde keine Wäderrüde!"

„Läber Rompf! Äch wülls Ihnen für düsmal noch ver-
zeihen. Bitte, machen Sä hübsch auf. Sä sollen müt einer
gelinden Strafe dorchkommcn. Sä sollen nächt relegärt werden.
Ich verspreche es Ihnen! Hären Sä?"

Der „lübe Rompf" hörte nicht. Er hatte sich leise über
den Vorflur geschlichen und eilte jetzt die Treppe hinab, um
siegreich zu entweichen.

Als er an der Thüre des Pedellen vorüberkam, packte ihn
eine prickelnde Idee.

Er legte das Auge an's Schlüsselloch. Ouaddler stand
just aus der Leiter, den Rücken nach der Psorte gekehrt und
mühte sich, einen schwer bekleisterteu Tapetenstreifeu an die
Wand zu kleben. Wilhelm Rumpf klinkte ein wenig auf und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Der Besuch im Carcer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 57.1872, Nr. 1428, S. 170
 
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