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Der neue Kommandant.
sind die Löcher offen, und wenn die Thore zu sind, sind die
Löcher zu!"
„Lieutenant, Sie sind des Teufels! Wie sollen die Löcher
zu sein, wenn die Thore zu sind?"
„Befehlen Herr Kommandant, die Löcher sind doch zu!"
stöhnte der geknickte Lieutenant, alle Kraft zusammenraffend und
ließ dann den Kopf auf die Brust sinken, als wenn es für
diese Welt Matthäi am Letzten wäre. Der Kommandant stutzte
nun auch, er sagte vertrauensvoll und tröstend:
„Na, kommen Sie mit, Lieutenant, das wollen wir bald
kriegen!"
Er suchte noch etwas Vernünftiges aus dem Lieutenant
Schneidauf hernuszupressen, endlich aber verzweifelte er vollstän-
dig an diesem Vorhaben und warf nur von Zeit zu Zeit
einen Blick auf den Armen, ungefähr wie man einen Men-
schen anblickt, der zwar aus dem Jrrenhause entlassen ist, von
dem man aber doch nicht ganz genau weiß, ob er nicht im
nächsten Augenblick etwas Unerhörtes thnn wird. — Endlich kamen
sie dem Thore näher, wildes Schreien und Rufen tönte ihnen
entgegen; die Compagnie in voller Auflösung, die Zugbrücke
nicht aufgezogen, das Thor nicht geschlossen.
Der Kommandant brauste heran.
„Hauptmann, was machen Sie? warum sind die Leute
nicht angetreten? warum ist Nichts geschehen?" —
Der Hauptmann, schwitzend am ganzen Körper, glühend
roth vor Aufregung, war erst keines Wortes mächtig, endlich
aber faßte er sich und brachte dasselbe vor, was der Lieutenant
dem Kommandanten schon erklärt hatte.
„Nun und warum ist dann nicht wenigstens die Zugbrücke in
die Höhe gezogen? — Der Feind läuft uns ja geradezu in's
Thor!"
„Befehlen, Herr Kommandant, weil wir das Thor wieder
aufgemacht haben, und weil wir dazu erst die Zugbrücke
niederlassen mußten, weil die Ketten über das Thor führen."
Nun wurde unter des Kommandanten Leitung der Verschluß
wieder hergestellt, und als das Thor geschlossen war, trat der
Kommandant siegesgewiß vor die Thorflügel; entsetzt taumelte
er zurück, es flirrte ihm vor den Augen: die Sehlöcher waren
dunkel. — Jetzt steckte er die Hand in eines von den Löchern,
ein kaltes, feuchtes Holz lag davor; der Kommandant schüttelte
sich wie im Fieber.
„Ich hab's," brüllte da Lieutenant Schneidauf los, „die
Zugbrücke liegt ja vor den Löchern!"
Ein Moment lautloser Stille trat ein, dann schlug sich
der Kommandant mit der flachen Hand vor die Stirne und
öffnete den Mund zum Reden, aber er redete Nichts; denn im
selben Moment schallten aus der Gegend des andern Thores
Flintenschüsse und gleich darauf Hurrahrufen. Dort hatten die
neuen Sehlöcher eine solche Verwirrung hervorgebracht, daß der
Feind fast ohne Widerstand in die Stadt einrückte.
Der Kommandant aber verließ seit jenem Abend sein
Haus nur noch, um nach wenigen Wochen der guten Stadt £.
auf immer den Rücken zu kehren. Man sagte er habe sich an
jenem Manoeuvreabend erkältet, die Herren Officiere aber sagten
in ihrem Kreise anders. — Wenigstens blieb ihm noch die
Kraft, um Versetzung einzukommen.
Als die alte Postkutsche wiederum mit dem Herrn Kom-
mandanten durch das Thor von £. rollte, da warf dieser einen
zornigen Blick auf die verhänguißvolleu Thorflügel und ein
leiser Fluch entrang sich seiner Brust. Albrccht L.I
Der neue Kommandant.
sind die Löcher offen, und wenn die Thore zu sind, sind die
Löcher zu!"
„Lieutenant, Sie sind des Teufels! Wie sollen die Löcher
zu sein, wenn die Thore zu sind?"
„Befehlen Herr Kommandant, die Löcher sind doch zu!"
stöhnte der geknickte Lieutenant, alle Kraft zusammenraffend und
ließ dann den Kopf auf die Brust sinken, als wenn es für
diese Welt Matthäi am Letzten wäre. Der Kommandant stutzte
nun auch, er sagte vertrauensvoll und tröstend:
„Na, kommen Sie mit, Lieutenant, das wollen wir bald
kriegen!"
Er suchte noch etwas Vernünftiges aus dem Lieutenant
Schneidauf hernuszupressen, endlich aber verzweifelte er vollstän-
dig an diesem Vorhaben und warf nur von Zeit zu Zeit
einen Blick auf den Armen, ungefähr wie man einen Men-
schen anblickt, der zwar aus dem Jrrenhause entlassen ist, von
dem man aber doch nicht ganz genau weiß, ob er nicht im
nächsten Augenblick etwas Unerhörtes thnn wird. — Endlich kamen
sie dem Thore näher, wildes Schreien und Rufen tönte ihnen
entgegen; die Compagnie in voller Auflösung, die Zugbrücke
nicht aufgezogen, das Thor nicht geschlossen.
Der Kommandant brauste heran.
„Hauptmann, was machen Sie? warum sind die Leute
nicht angetreten? warum ist Nichts geschehen?" —
Der Hauptmann, schwitzend am ganzen Körper, glühend
roth vor Aufregung, war erst keines Wortes mächtig, endlich
aber faßte er sich und brachte dasselbe vor, was der Lieutenant
dem Kommandanten schon erklärt hatte.
„Nun und warum ist dann nicht wenigstens die Zugbrücke in
die Höhe gezogen? — Der Feind läuft uns ja geradezu in's
Thor!"
„Befehlen, Herr Kommandant, weil wir das Thor wieder
aufgemacht haben, und weil wir dazu erst die Zugbrücke
niederlassen mußten, weil die Ketten über das Thor führen."
Nun wurde unter des Kommandanten Leitung der Verschluß
wieder hergestellt, und als das Thor geschlossen war, trat der
Kommandant siegesgewiß vor die Thorflügel; entsetzt taumelte
er zurück, es flirrte ihm vor den Augen: die Sehlöcher waren
dunkel. — Jetzt steckte er die Hand in eines von den Löchern,
ein kaltes, feuchtes Holz lag davor; der Kommandant schüttelte
sich wie im Fieber.
„Ich hab's," brüllte da Lieutenant Schneidauf los, „die
Zugbrücke liegt ja vor den Löchern!"
Ein Moment lautloser Stille trat ein, dann schlug sich
der Kommandant mit der flachen Hand vor die Stirne und
öffnete den Mund zum Reden, aber er redete Nichts; denn im
selben Moment schallten aus der Gegend des andern Thores
Flintenschüsse und gleich darauf Hurrahrufen. Dort hatten die
neuen Sehlöcher eine solche Verwirrung hervorgebracht, daß der
Feind fast ohne Widerstand in die Stadt einrückte.
Der Kommandant aber verließ seit jenem Abend sein
Haus nur noch, um nach wenigen Wochen der guten Stadt £.
auf immer den Rücken zu kehren. Man sagte er habe sich an
jenem Manoeuvreabend erkältet, die Herren Officiere aber sagten
in ihrem Kreise anders. — Wenigstens blieb ihm noch die
Kraft, um Versetzung einzukommen.
Als die alte Postkutsche wiederum mit dem Herrn Kom-
mandanten durch das Thor von £. rollte, da warf dieser einen
zornigen Blick auf die verhänguißvolleu Thorflügel und ein
leiser Fluch entrang sich seiner Brust. Albrccht L.I
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der neue Commandant"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 58.1873, Nr. 1449, S. 132
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg