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174 Disciplinarisch

„Herr Hauptmann, ich bitte gehorsamst um 8 Tage
Urlaub." — „Nein, Du kriegst keinen!" (Mit betrübter Miene
schleicht der Unglückliche von dannen, wird aber sofort zurückgerufen.)

— „Was wolltest Du eigentlich?"' — „Urlaub auf 8 Tage."

— „Kaum sind die Kerle aus dem Feld zurück, so will ein
Jeder Urlaub — nein, Du kriegst keinen Urlaub!" (Abermaliges
Fortschleichen. Plötzlich mag wohl ein milderes Gefühl in des
Hauptmann's Brust die Oberhand gewonnen haben; er läßt durch
die Ordonnanz den Mann noch einmal rufen. Dieser entgegnet
jedoch): „Ich pfeif' dem Herrn Hauptmann jetzt auf seinen
Urlaub!" — (Die Ordonnanz meldet dieses den: Hauptmann.)
„Was! der Kerl lvill keinen Urlaub, — gerade jetzt kriegt
er einen! Feldwebel, 14 Tage Urlaub, nicht gemuckst!"

Münchener Adreßbuch-Studien.

Ist es nicht schrecklich, einige Stunden auf Jemand warten
! zu müssen und dabei keine andere Lektüre, Zerstreuung und
Unterhaltung zu haben als ein Buch, das sich betitelt: „Adreß-
buch von München für das Jahr 1873"?

Vielleicht war mancher meiner Leser schon einmal in ähu-
. licher Lage. Da hat er wahrscheinlich in seiner Verzweiflung
nach alten und neuen Bekannten gesucht, wohl auch seinen ei-
genen Namen wohlgefällig betrachtet, oder er hat vorne unter
den Gewerben Musterung und Zählung gehalten und hat ge-
staunt über das Heer der Bäcker, Schuster und Schneider u. s. w.
und besonders über die Legion der Bierwirthe. — Humor
hat er aber gewiß nicht in diesem prosaischen Buche gesucht und
man hält mich am Ende für verrückt, wenn ich eine humori-
stische Abhandlung darüber schreiben will. „So ein Literat ist
! ein trauriges Geschöpf," höre ich Manchen sagen, „in seiner
| Stoffnoth greift er sogar nach dem nüchternen Adreßbuch! "

Hätt's auch nicht geglaubt, daß ein paar für ver-

Münchener Adreßbuch-Studien.

loren gehaltene Stunden mir in diesem harmlosen Buche eine
Fundgrube von Witz und Laune entdeckten. Und doch ist's
so. Gestatten mir die Betreffenden, mit ihren werthen Namen
unschuldigen Spaß zu treiben, so will ich meine Behauptung
durch einige Proben beweisen.

Sehen wir uns zuerst um, wie es mit der Religion in
München bestellt ist, so finden wir leider das Gerücht bestätigt,
daß die bayerische Hauptstadt „gottlos" ist, wir konnten nüm- !
| lieh keinen „Gott" im Adreßbuch finde», jedoch 7 Heilande;

[ für diese ist aber nur 1 Himmel vorhanden, was um so bedenk-
licher erscheint, als derselbe außerdem nur von 19 Engeln,

4 Seligen und 1 Heiligen bevölkert ist.

Daß es aber heidnische Götter in München gibt, sollte !
j man nicht glauben, cs sind aber in der That 2 Zeus da und
j 34 nicht näher bestimmte Götzen. Da kann es uns freilich !
J nicht Wunder nehmen, daß der Stadt 4 Teufel zugetheilt
| sind und sie mit 9 Höllriegel versehen ist.

Diesen betrübenden himmlischen und höllischen Verhältnissen
entspricht die Statistik der Lebenden bezüglich ihrer Con-
j fessionen: 6 Heiden, I Jnd und nur 4 Christen; ist das j
nicht himmelschreiend? Es sind zwar 2 Tempel vorhanden,

| wir wissen aber nicht, ob es heidnische oder christliche sind, ob s
[ sie viel oder wenig besucht werden; auch 1 Kloster entdeckten j
wir, das ausnahmsweise Kunst und Wissenschaft cultiviren soll. !

An geistlichen Würdenträgern findet sich erstlich 1 Papst.

Weiter sind zu erwähnen nicht weniger als 19 Bischöfe,
die aber sehr friedliebend sind, indem sie nicht täglich und i
stündlich „Erlasse" rc. in die Welt schleudern; außerdem konnten j
wir nur 3 Aebte und 5 Pfaffen bemerken; die vorhandenen

9 Meßner dürften dcßhalb ein ziemlich angenehmes Leben
führen. Wie kann aber die geistliche Behörde gestatten, daß
sich 5 Klaußner in der Residenz aufhalten?

Wir gehen nun auf die weltlichen Würdenträger über,
wobei sich aber zum Theil bedenkliche Resultate Herausstellen:
37 Kaiser und 47 Könige für eine Stadt, das ist gewiß
unerhört. An Gewaltigen minderen Ranges sind da: 2 Prinzen,
1V Herzoge, 15 Fürsten, 7 Landgrafen, 87 Grafen.
Bei einer solchen Fülle von Potentaten haben freilich 11
Herolde vollauf zu thun. Der übrige Hofstaat ist hingegen sehr
dürftig bestellt: 7 Marschalle, nur 1 Hofherr, 3 Hofrciter
und 1 Marstaller; schließlich haben wir 2 Hofweb er und
8 Hofbaueru.

Noch spärlicher sind die militärischen Chargen besetzt. Das
Adreßbuch weist nur 1 Oberst und 6 Junker auf.

An Waffen und Rüstzeug stehen der Stadt zur Ver-
fügung: 1 Pfeil, 1 Knüppel, 3 Bolze, 1 Schwert, und

10 Spieße, 8 Panzer und 3 Helme.

Das bürgerliche Handwerkszeug ist durch manche sehr noth-
wendigc Instrumente vertreten: 2 Beile, 3 Bohrer, 12
Hämmer, 1 Feile, 1 Ahle, 1 Hufnagel, 1 Brenneisen
und 2 Pfanu enstielc. Eine traurige Wahrnehmung war mir
aber, daß 25 Dietriche in der Stadt coursiren; damit mag
ihr geringer Cassabcstand in Verbindung gebracht werden. Wir
fanden nämlich nur 17 Heller, 7 Kreuzer und 15 Thaler. I
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Disciplinarisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Militär <Motiv>
Feldwebel
Disziplinarmaßnahme
Karikatur
Urlaub
Uniform <Motiv>
Hauptmann
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 58.1873, Nr. 1454, S. 174

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