Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
154

Bill Dcadyc und

Biagen versenken. Unglücklicher Weise für Bill waren die Ein-
wohner von Dschagannatha die reinsten Vegetarianer. Sic lebten
nur von Reis, Wurzeln, Gewürzen und ähnlichen Erzeugnissen
des Pflanzenreiches und hielten es nach ihrem Glauben für
sündhaft, Fleisch zu berühren. Die Gesetze zum Schutze jeder
Art von Thicren lauteten strenger, als die englischen Jagd-
gesetze. Die Affen zumal, von denen die Wälder wimmelten,
und die auch häufig die Stadt besuchten, waren für diese
Heiden ein hauptsächlicher Gegenstand großer Verehrung, auf
deren absichtliche Tödtung die Todesstrafe gesetzt war. Bill
hatte hievon keine blasse Ahnung. Als er nun, kaum eine halbe
Meile vom Seegcstade entlegen, in die heiligen Haine eindrang.

erblickte er eine Menge von geschwänzten und nngeschwänzten
Affen, die unter komischen Grimassen und mißtönigem Gezeter
ans den Bäumen von Ast zu Ast hüpften, und die wegen der
stets erfahrenen Schonung gar nicht scheu waren.

„Ah ha," murmelte Bill schmunzelnd, „schon recht ihr
Männchen, ihr gebt das beste Wildpret zu einer schmackhaften
Pastete oder einem saftigen Rostbraten; wartet, ich will Euch
bald kriegen!" Er riß die Flinte von der Schulter, zielte
aus den größten von der Gesellschaft und schoß ihn herab. Der
Wiederhall des Schusses und der Tod ihres Kameraden rief
unter dem übrigen Schwarme ein unbeschreibliches Höllenspektakel
hervor, welches sich fort und fort in die Tiefe des Waldes
vertausendfachte, und als daher Bill, taub für Alles, in seiner
Freßgier noch einen andern aus dem Haufen erlegt l;atte,
rotteten sich die häßlichen Geschöpfe in solcher Stärke und so
unzweideutig zu einem ernstlichen, gemeinsamen Angriffe zusammen,
daß er es jetzt für vernünftiger hielt, mit den zwei erbeuteten,
fetten Jungen schleunigst Kehrt zu machen. Demnach warf er

i e Riesenschlange.

das Wildpret über den Rücken und suchte eiligst den Mceres-
strand zu gewinnen, wo das sichere Fahrzeug seiner harrte,
das ihn vom Schiffe hergetragen. Auf der Rückkehr beschäftigten
sich seine Gedanken ausschließlich mit der herrlichen Mahlzeit,
die er sich von den Affen zurichten wollte; dadurch zerstreut,
merkte er erst, daß er von dem früher eingeschlagenen, einsamen
Pfade abgewichen, als er die ersten Häuser von Dschagannatha
erreicht. Die Einwohner, welche die Schüsse, und das Lärmen
der Affen gehört und Bill jetzt so dreist mit dem Gewehre und
den tobten Thicren die Straße entlang traben sahen, liefen
sofort von allen Seiten herbei und erhoben ein meilenweit
vernehmbares, mörderisches Geheul. Offenbar waren sie schrecklich
erregt; denn sie glauben, daß die Seelen der Verstorbenen in
den Leib der Affen und anderer Thiere überwandern. Deßhnlb
argwöhnte ein Jeder, cs könnte Bill einen Blutsverwandten
gctödtet haben. Nicht lange, und sie drangen wüthend auf Bill ein.
Derselbe wehrte sich recht tapfer und ließ gar Manchen seiner
Widersacher, der sich zu begierig seiner Person zu bemächtigen
strebte, zu seinen Füßen hinpnrzeln. Wenn nicht ein absonder-
licher Zufall eingetreten wäre, hätte sich Bill ohne Zweifel zu
dem rettenden Boote durchgeschlagen. Ein Zebu, einer jener
geheiligten Buckelochsen, die ohnedieß den Weißen feindselig
gesinnt, rannte plötzlich in einem Laufe von hinten hinzu und
stieß den Amerikaner ans das Ziegelpflaster nieder. Sogleich
warfen sich zwölf braune Schurken ctuf den vorwärts Gefallenen,
und nach einer 'kurzen, heftigen Gegenwehr hatten sie ihn an
Händen und Füßen gebunden, worauf sie ihn vor ihren Rad-
schah schleppten.

So ziemlich um die nämliche Zeit hatte der Capitän von
dem bösen Handel Kunde erlangt; der würdige Mann begab
sich unverzüglich nach dem Gerichtshöfe, um sich für den armen
Bill eindringlichst zu verwenden. Umsonst! Die blutigen Affcn-
leichcn und die vielen verwundeten Eingebornen schrieen laut
um Rache gegen den trotzigen Wüthcrich, wofür sie den harm-
losen Kerl ansahen. Der Capitän, welcher der Landessprache
mächtig war, brachte eine beredte Vertheidigung des unglücklichen
Seemannes vor. Der Radschnh schüttelte zu Allem bedenklich
das Haupt und erklärte endlich mit finsterm Antlitze, daß eS
hier keinen Ausweg gäbe; denn die heiligen Satzungen ihrer
Religion und die Schmerzensrufe seiner mißhandelten Unter-
thanen, die ihn rechtmäßig gefangen nehmen hätten dürfen,
erheischten gebieterisch, daß der Verbrecher mit dem Tode bestraft
würde. Der Capitän, welcher mit seinem Hünstein Leute zu
schwach war, um der hunderttausendfältigen Uebcrmacht Gewalt
cntgegcnznsetzen, sah sich gezwungen, den bedauernswerthen Bill
seinem traurigen Schicksale und die spätere Vergeltung für die
Unthat dem glorreichen Sternenbanner zu überlassen.

Während der Capitän heimkehrte, wurde eine feierliche
Ansprache öffentlich verlesen, welche besagte, daß der freche und
ruchlose amerikanische Seemann, der sich des fluchwürdigen Ver-
brechens eines doppelten Affenmordes schuldig gemacht, im An-
gesicht der gesummten Bevölkerung und Schiffsequipage einer
Riesenschlange zum Fressen sollte vorgeworfen werden.
Diese Bekanntmachung wurde von dem Volke jubelnd ausgenommen.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Bill Deadye und die Riesenschlange"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Appetit
Matrose <Motiv>
Unwissenheit
Dschungel <Motiv>
Jagdliches Schießen
Affen
Jagd
Karikatur
Beute
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 69.1878, Nr. 1738 , S. 154
 
Annotationen