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Aus dem Leben eines Künstlers.

Eine wahre Muster-Novelle.

tausend Munden eklen Pechdunst, alles war ausgetrocknet und
dürr, und Schweiß, triescnder Schweiß die einzige Flüssig-

j feit ringsum. Mit wankenden Kniecn und einem mächtigen
grauen Hute, unter dem üppig die blonden Locken hervor-
quollen, durchschritt Emil die Straßen. Staubige Stiefel
! zeigten den Weitgereisten an; die Zunge klebte am Gaumen
und in der Börse war nur noch ein Zehnpfennigstück zu
finden. Das Alles dokumentirte schon von weitem den genialen
Künstler. „Zehn Pfennig und keine Rettung!" seufzte der Un-
glückliche. dem Verschmachten nahe. „O, fände ich Neumann!"
Er schwankte weiter, die schmerzenden, von der Sonne ge-
blendeten Augen schließend.

„Vorsicht!" ries ein vorüber fahrender Kutscher unser'm
Emil zu, der mit dem letzten Aufwand seiner Kräfte sich aus
! den mit Bäumen bepflanzten Nebenweg rettete. Hier sank
| er zusammen; doch Klänge, süß wie Sphärengesang, weckten
! den Betäubten. „Na, Männcken, wie wäre es mit einem
j Glas Soda?" tönte eine liebliche Stimme neben ihm. Hier
war Rettung, hier war Rettung für zehn Pfennige. „Mit
oder ohne?" fragte die holde Seltersbrunnennixc. — „Engel«
Haftes Mädchen!" antwortete Emil, über ihre theilnehmende
Frage gerührt, und schob ihr zehn Pfennig hin — die letzten,
die er hatte.

Wie mundete der kühlende Trunk, von ihrer weißen Hand
: kredenzt! Aber dem idyllischen Bilde fehlte cs nicht an einem düsteren
j Hintergründe. Letzteren bildete der Schutzmann Nr. 2222.
| Vergeblich hatte er um die Liebe der Jungfrau geworben, und

jetzt durchbohrte er den vermeintlichen Nebenbuhler mit einem
Blick, der auch den Kräftigsten zu Boden geworfen hätte.
Emil, durch Rührung und Reise geschwächt, sank natürlich so-
fort in die Kniee, obwohl er den Blick von Nr. 2222 nicht

mit Augen gesehen hatte. Wüthend stürzte Nr. 2222 hervor
und zerrte an Emils Schulter. „Mein Herr, wie können Sie
es wagen, auf offener Straße vor einer Dame zu kniecn?
Folgen Sie mir zur Wache!" Er wollte den Feind vom
Boden reißen, aber dessen bleiches Gesicht und geschlossene
Augen ließen ihn davon abstehen. „Ist er tobt?" Sein
blutiges Herz frohlockte bei dem Gedanken. — — — —
Nein, Emil war nicht todt. Als er die Augen wieder
ausschlug, befand er sich auf dem Sopha eines mäßig großen
Zimmers; neben ihm saß ein junger Mann mit schwarzen
| Locken. Auf den ersten Blick erkannte er seinen alten Freund
. Neumann. Jene Trinkhalle, der Schauplatz obiger Ereigniffe,
stand dicht neben der Kunstakademic; bei'm Verlassen derselben
: hatte Neumann, durch den Menschcnauflauf herbeigczogen, den
! alten, theuren Freund gefunden und in das Zimmer des Haus-
! mcisters der Akademie, Schwolker, gebracht. Frau Schwolker
! bemühte sich um den Patienten. „Womit soll ich das Brod
• belegen, Herr Neumann?" fragte sie, „mit Roth- oder Leber-
wurst?" — „Mit allem, was Sie haben!" war die Antwort.
| Emil erholte sich bald unter dieser Pflege, und nach einer
! halben Stunde waren sie aus dem Wege nach Neumann's
Wohnung. Bei'm Heraustreten aus dem Akademiegcbäude be-
j merkte Emil, wie seine Retterin und Reumann einen zärtlichen
| Blick wechselten; oder täuschte ihn nur die beginnende Eifer-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem Leben eines Künstler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsdatum (normiert)
1884 - 1884
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2014, S. 66
 
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