I- «031.
Modernes Märchen.
Ein reicher Mann hatte drei Söhne. Als er suhlte, daß !
sein Ende nahe sei, rief er dieselben zu sich und theille
sein ganzes Vermögen unter sie. Nur einen Ring und drei
Thaler behielt er und versprach demjenigen den Ring, der
einen Thaler am uiinü heften ausgäbe. Der Ring aber war
mehr werth, als sein ganzes großes Vermögen. Dann gab
er jedem Jünglinge einen Thaler, und dieselben entfernten sich.
Am Abend aber kamen sie wieder. Da fragte der Vater
seine drei Söhne: „Was habt Ihr mit Euren Thalern ge-
macht?" — Der älteste Sohn sprach: „Ich habe mir ein
j Lotterieloos gekauft!"
Der Zweite sprach: „Ich gab den Thaler einem Boten,
! der Geld für eine politische Fraktion sammelte!"
Der Jüngste aber sagte leise: „Mich dauerte der schöne,
blanke Thaler, ich wollte ihn nicht verschwenden, und deßhalb
schenkte ich ihn einem Vagabunden, der mich um eine Gabe
! anftchte!"
Da ries der Vater vergnügt aus: „Dir, mein jüngster
? Sohn, gebührt der Ring. Denn ein Lotterieloos ist fteilich
eine sehr unnütze Ausgabe, aber man hat doch noch immer
einen Schatten Hoffnung, daß der Thaler sich vertausendfache. j
Geld für eine politische Gesellschaft herzugeben, ist ebenfalls :
unnütz, aber es haben doch meistens die Vorsitzenden dcs
; Vereins Nutzen von dem Geld. Aber ehe ein Vagabund vom
Geld wahren Nutzen habe, eher fiele die Welt in Stücke!"
Dein „Schach!" dringt in die Ferne; ängstlich hegen
Dich Thurm und Läufer, Bauer und das Pscrd —
Mich Armen opfert man der Stellung wegen,
Nicht so viel wie ein Roß gelt' ich an Werth."
Die Dame sprach: „Wohl bin ich nianchmal mächtig,
Oft aber ist die Macht nur leerer Schein,
Denn rückt Ihr schwachen Bauern vor bedächtig,
So sperrt Ihr mich in Eurer Mitte ei».
Das Pferd bleibt Pferd, und springt cs auch verwegen,
Der Läufer rennet stets im schiefen Lauf —
In Euch jedoch begrüß' ich den College»,
Zieht Ihr bis in die achte Reih' hinauf.
Und ist das eitle Spiel erst aus, dann schwinden
Die Unterschiede ganz — man räumt uns ab,
Und Bauer, Königin und Läufer finden
In Einer Schachtel ihr gemeinsam Grab.
8 Morgenstern.
Eine Schach-Fabel.
Zur stolzen Königin sprach einst der Bauer:
„Wie schnöd und elend ist mein Lebensloos!
Mein Weg ist mühsam und von langer Dauer,
Du aber eilst in Schritten riesengroß.
Modernes Märchen.
Ein reicher Mann hatte drei Söhne. Als er suhlte, daß !
sein Ende nahe sei, rief er dieselben zu sich und theille
sein ganzes Vermögen unter sie. Nur einen Ring und drei
Thaler behielt er und versprach demjenigen den Ring, der
einen Thaler am uiinü heften ausgäbe. Der Ring aber war
mehr werth, als sein ganzes großes Vermögen. Dann gab
er jedem Jünglinge einen Thaler, und dieselben entfernten sich.
Am Abend aber kamen sie wieder. Da fragte der Vater
seine drei Söhne: „Was habt Ihr mit Euren Thalern ge-
macht?" — Der älteste Sohn sprach: „Ich habe mir ein
j Lotterieloos gekauft!"
Der Zweite sprach: „Ich gab den Thaler einem Boten,
! der Geld für eine politische Fraktion sammelte!"
Der Jüngste aber sagte leise: „Mich dauerte der schöne,
blanke Thaler, ich wollte ihn nicht verschwenden, und deßhalb
schenkte ich ihn einem Vagabunden, der mich um eine Gabe
! anftchte!"
Da ries der Vater vergnügt aus: „Dir, mein jüngster
? Sohn, gebührt der Ring. Denn ein Lotterieloos ist fteilich
eine sehr unnütze Ausgabe, aber man hat doch noch immer
einen Schatten Hoffnung, daß der Thaler sich vertausendfache. j
Geld für eine politische Gesellschaft herzugeben, ist ebenfalls :
unnütz, aber es haben doch meistens die Vorsitzenden dcs
; Vereins Nutzen von dem Geld. Aber ehe ein Vagabund vom
Geld wahren Nutzen habe, eher fiele die Welt in Stücke!"
Dein „Schach!" dringt in die Ferne; ängstlich hegen
Dich Thurm und Läufer, Bauer und das Pscrd —
Mich Armen opfert man der Stellung wegen,
Nicht so viel wie ein Roß gelt' ich an Werth."
Die Dame sprach: „Wohl bin ich nianchmal mächtig,
Oft aber ist die Macht nur leerer Schein,
Denn rückt Ihr schwachen Bauern vor bedächtig,
So sperrt Ihr mich in Eurer Mitte ei».
Das Pferd bleibt Pferd, und springt cs auch verwegen,
Der Läufer rennet stets im schiefen Lauf —
In Euch jedoch begrüß' ich den College»,
Zieht Ihr bis in die achte Reih' hinauf.
Und ist das eitle Spiel erst aus, dann schwinden
Die Unterschiede ganz — man räumt uns ab,
Und Bauer, Königin und Läufer finden
In Einer Schachtel ihr gemeinsam Grab.
8 Morgenstern.
Eine Schach-Fabel.
Zur stolzen Königin sprach einst der Bauer:
„Wie schnöd und elend ist mein Lebensloos!
Mein Weg ist mühsam und von langer Dauer,
Du aber eilst in Schritten riesengroß.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine Schach-Fabel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1884
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1889
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2031, S. 201
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg