Ein gelöstes Problem. 99
farbig grau waren, wie alle Räume des Hauses. Ringsum ! „Himmel, werden diese Geschöpfe denn noch wachsend"
standen Bücherregale, welche eine Bibliothek ausschließlich mathe- I ries Schulze.
malischen Inhaltes beherbergten. „Nein, sie sind bereits ausgewachsen. Der Körper bleibt
Um einen Tisch in der Mitte saß etwa ein Dutzend der | verkümmert, alle Lebensenergie geht in das Hirn, welches den
wunderlichsten Geschöpfe. Sie hatten die Größe etwa zehn- ! Schädel zu immer mächtigerer Entwickelung drängt."
jähriger Kinder, magere, spinnbeinige Glieder, oben kürbisgroße Die „Denker" 'nahmen von dem Eintritt der Beiden keine
Köpfe mit grauen Gesichtern, welche aus den schwächlichen ! Notiz, eben so wenig von den erklärenden Worten des Direktors.
Schultern unaufhörlich wackelten. 1 Wie dieser versicherte, sahen und hörten sie nicht, wenn sie
rechneten, und sie rechneten immer. Ihr äußeres Wahrnehmungs- j
vermögen war abgestumpft. Jetzt rutschte einer der Gnomen
von dem Arbeitstische herab und — Schulze traute seinen
Augen nicht — kroch auf allen Vieren zu dem nächsten
Bücherregal.
„O, warum kann der arme Bursche nicht gehen?" frug
Schulze mitleidig.
„Sie können Alle nicht gehen!" meinte der Direktor un-
befangen. „Der Kopf ist zu schwer — sie bewegen sich immer
so mit Bemühung sämmtlicher Extremitäten fort!"
„Nicht einmal gehen können sie — nun, diese „Denker"
haben es weit gebracht!" schrie Schulze entrüstet.
„Wozu sollten sie gehen? Das kann ein Jeder. Sic
können denken — sie erfüllen damit ihren Zweck!"
Der entrüstete Schulze wollte etwas erwidern und faßte !
den Direktor in's Auge. Nun prallte er zurück, erst jetzt j
erkannte er ihn — seinen Rivalen, Professor Müller aus Jena.
„Hören Sie, Herr Prosesior Müller", donnerte er, „ich
hätte das bester gemacht!"
„Sie?!" schrie der Andere, jetzt plötzlich grob werdend,
„Sie?! was haben denn Sie geleistet? Wie haben Sie Ihren
Zweck erfüllt? Gleich laste ich Sie „einstampfen" und ein
neues Geschöpf aus Ihren Elementen erzeugen!" — — -
Schulze schrie empört auf — da — da sah er plötzlich
den röthlich blinkenden Kupferkestel vor sich und Viktoria mit
Besen und nassen Scheuerlappen.
„Ick gloobe. Sie schlafen man hier, Herr Schulzen —
jeh'n Sie nu in Ihr Zimmer 'rin!"
Es war nur ein Traum gewesen. Er war nicht in
Gefahr, „cingestampft" zu werden, und seine Hypothese war
immer noch eine Hypothese!
•E. o. Kapff-«sskntl,er.
farbig grau waren, wie alle Räume des Hauses. Ringsum ! „Himmel, werden diese Geschöpfe denn noch wachsend"
standen Bücherregale, welche eine Bibliothek ausschließlich mathe- I ries Schulze.
malischen Inhaltes beherbergten. „Nein, sie sind bereits ausgewachsen. Der Körper bleibt
Um einen Tisch in der Mitte saß etwa ein Dutzend der | verkümmert, alle Lebensenergie geht in das Hirn, welches den
wunderlichsten Geschöpfe. Sie hatten die Größe etwa zehn- ! Schädel zu immer mächtigerer Entwickelung drängt."
jähriger Kinder, magere, spinnbeinige Glieder, oben kürbisgroße Die „Denker" 'nahmen von dem Eintritt der Beiden keine
Köpfe mit grauen Gesichtern, welche aus den schwächlichen ! Notiz, eben so wenig von den erklärenden Worten des Direktors.
Schultern unaufhörlich wackelten. 1 Wie dieser versicherte, sahen und hörten sie nicht, wenn sie
rechneten, und sie rechneten immer. Ihr äußeres Wahrnehmungs- j
vermögen war abgestumpft. Jetzt rutschte einer der Gnomen
von dem Arbeitstische herab und — Schulze traute seinen
Augen nicht — kroch auf allen Vieren zu dem nächsten
Bücherregal.
„O, warum kann der arme Bursche nicht gehen?" frug
Schulze mitleidig.
„Sie können Alle nicht gehen!" meinte der Direktor un-
befangen. „Der Kopf ist zu schwer — sie bewegen sich immer
so mit Bemühung sämmtlicher Extremitäten fort!"
„Nicht einmal gehen können sie — nun, diese „Denker"
haben es weit gebracht!" schrie Schulze entrüstet.
„Wozu sollten sie gehen? Das kann ein Jeder. Sic
können denken — sie erfüllen damit ihren Zweck!"
Der entrüstete Schulze wollte etwas erwidern und faßte !
den Direktor in's Auge. Nun prallte er zurück, erst jetzt j
erkannte er ihn — seinen Rivalen, Professor Müller aus Jena.
„Hören Sie, Herr Prosesior Müller", donnerte er, „ich
hätte das bester gemacht!"
„Sie?!" schrie der Andere, jetzt plötzlich grob werdend,
„Sie?! was haben denn Sie geleistet? Wie haben Sie Ihren
Zweck erfüllt? Gleich laste ich Sie „einstampfen" und ein
neues Geschöpf aus Ihren Elementen erzeugen!" — — -
Schulze schrie empört auf — da — da sah er plötzlich
den röthlich blinkenden Kupferkestel vor sich und Viktoria mit
Besen und nassen Scheuerlappen.
„Ick gloobe. Sie schlafen man hier, Herr Schulzen —
jeh'n Sie nu in Ihr Zimmer 'rin!"
Es war nur ein Traum gewesen. Er war nicht in
Gefahr, „cingestampft" zu werden, und seine Hypothese war
immer noch eine Hypothese!
•E. o. Kapff-«sskntl,er.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein gelöstes Problem"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1884 - 1884
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2018, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg