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Auch ein Nebel.
Freundin: „Ich bemerke, liebe Auguste, daß Dein Mann seit
! Kurzem ausfallend verstimmt ist; sehlt ihm 'was?"
Frau: „Meine Frühjahrs-Toilette!"
Rache ist süß.
(Zwei Bilder auS dem Theaterlcben.)
Kapellmeister Glätzle, seit Jahren die Theaterkapclle einer kleinen Stadt
Siiddeutschlands dirigircnd, war in Folge seiner großen Strenge bei seinen
Musikern wenig, ja gar nicht beliebt.
Besonders Einer derselben hatte schon seit Langem eine Pike aus ihn
und ersann eines Abends ein Mittel, sich an seinem Quälgeist zu rächen.
Der Kapellmeister trug nänilich schon seit Jahren eine Perücke. Der Musiker
hatte nun unbemerkt einen seidenen Faden am Theatcrvorhang befestigt und am
j Ende desselben, daS er, in nächster Nähe des Dirigenten sitzend, in der Hand
j hielt, ein Stückchen Schusterpcch angeklebt. Er benützte einen günstigen Moment
und-daS Pechkügelche» war der Perücke des Kapellmeisters angedrückt!
Wenige Sekunde» später ivird das Zeichen zum Anfang gegeben. Ter Kapell-
meister schlägt den ersten Takt und
der Vorhang erhebt sich.
Rache ist süß.
II.
Der Baron — so nannte man den schlanken Herrn,
der seit einigen Monden durch sein elegantes Auftreten,
seine schönen Pferde, seinen Aufwand und seine unfehl-
bare Anwesenheit an allen Bergnügungsorten allgemeines
Aussehen erregte. — Nur Wenige waren so glücklich, seine
nähere Bekanntschaft zu machen und seinen Namen zu
kennen; für die ganze Stadt war er nur „der Baron".
Selbstverständlich war er auch jeden Tag im Theater,
und da er auf einem der exponirtcstcn Plätze des ersten
Ranges mit möglichst ausfallenden Kravatten zu er-
scheinen pflegte, gehörte er zu denjenigen, welche ohne
Gage mitspielen.
Der Baron war Enthusiast auch im Gebiete der Kunst, 1
und der Beifall, den er spendete, war stets so lebhaft, |
daß er nicht in dem allgemeinen Lärm verschwand, sondern
sich ganz besonders geltend machte. Der Baron war ivic
ein Thermometer, der die Temperatur des Hauses an-
zeigte und aus den man nur zu sehen brauchte, um den
Grad des Beisalles oder Mißfallens zu erkennen, den
ein neues Stück oder die Leistung eines Schauspielers
fand. Die Primadonna, die erste Liebhaberin, die prima
ballorina — jede konnte den Baron zu ihren glühendsten
Verehrern zähle», ja seine Begeisterung umfaßte auch die
Heldendarstellerin, wie die Soubrette und fand kaum bei
den älteren Mitgliedern des Oorps cke Lallst ihre Grenze.
So sehr der Baron den Damen hold war, so wenig
Beifall fanden bei ihm die Repräsentanten der männlichen
Rollen, und besonders der Komiker hatte daS Unglück,
ihm stets zu mißfallen. Diese Eigenthllnilichkeit erregte
natürlich alsbald den Univillen aller männlichen College»,
und als eines Abends der Baron durch die lebhafte
Äeußerung seiner Antipathie den Komiker um die Ehre
eines zweiten Hervorrufes gebracht hatte, schwur ihm
dieser unter Zustimmung seiner Freunde fürchterliche Rache.
Der Baron hatte die Gewohnheit, jeden Tag vor den
Fenstern aller Damen, die er anbetctc, vorbeizureiten und
da die Zahl derselben keine geringe war, so führte ihn
sein Weg säst durch alle Hauptstraßen der Stadt. Die
Angebeteten verfehlten dabei nicht, an ihren Fenster» zu
erscheinen und den eleganten Gruß des Reiters mit einem
dankbaren Lächeln zu erwidern.
Am Tage nach jener Vorstellung, die mit dem Rache-
schwur des Komikers hinter dem Vorhang endete, trat
der Baron seine Tournee wieder an. ES war ein
herrlicher Frühlingsmorgen Das Pferd, welches der
Baron ritt, war ein prächtiges Thier. Ein neuer
Anzug, der gestern aus Paris eingctrossen, und frische
Veilchen im Knopfloch erhöhten den bezaubernden Ein-
druck des Reiters und mit siegcsgewisser Miene blickte
derselbe nach dem Fenster der Primadonna, die in
reizendem Morgenanzug sichtbar wurde und huldvoll
hcrablächeltc. Aber was ist das? DaS huldvolle Lächeln
artete sofort in ein Helles Lachen aus! Der Baron ver-
stand nicht, was das bedeute. Als aber auch am Fenster
der Soubrette sich das Lachen wiederholte und der Baron
alsbald ivahrnahm, daß auch die Leute auf der Straße
lachten, da sah er sich nach allen Seiten um und entdeckte
tvenige Schritte hinter sich einen Reiter, dessen Anzug
Auch ein Nebel.
Freundin: „Ich bemerke, liebe Auguste, daß Dein Mann seit
! Kurzem ausfallend verstimmt ist; sehlt ihm 'was?"
Frau: „Meine Frühjahrs-Toilette!"
Rache ist süß.
(Zwei Bilder auS dem Theaterlcben.)
Kapellmeister Glätzle, seit Jahren die Theaterkapclle einer kleinen Stadt
Siiddeutschlands dirigircnd, war in Folge seiner großen Strenge bei seinen
Musikern wenig, ja gar nicht beliebt.
Besonders Einer derselben hatte schon seit Langem eine Pike aus ihn
und ersann eines Abends ein Mittel, sich an seinem Quälgeist zu rächen.
Der Kapellmeister trug nänilich schon seit Jahren eine Perücke. Der Musiker
hatte nun unbemerkt einen seidenen Faden am Theatcrvorhang befestigt und am
j Ende desselben, daS er, in nächster Nähe des Dirigenten sitzend, in der Hand
j hielt, ein Stückchen Schusterpcch angeklebt. Er benützte einen günstigen Moment
und-daS Pechkügelche» war der Perücke des Kapellmeisters angedrückt!
Wenige Sekunde» später ivird das Zeichen zum Anfang gegeben. Ter Kapell-
meister schlägt den ersten Takt und
der Vorhang erhebt sich.
Rache ist süß.
II.
Der Baron — so nannte man den schlanken Herrn,
der seit einigen Monden durch sein elegantes Auftreten,
seine schönen Pferde, seinen Aufwand und seine unfehl-
bare Anwesenheit an allen Bergnügungsorten allgemeines
Aussehen erregte. — Nur Wenige waren so glücklich, seine
nähere Bekanntschaft zu machen und seinen Namen zu
kennen; für die ganze Stadt war er nur „der Baron".
Selbstverständlich war er auch jeden Tag im Theater,
und da er auf einem der exponirtcstcn Plätze des ersten
Ranges mit möglichst ausfallenden Kravatten zu er-
scheinen pflegte, gehörte er zu denjenigen, welche ohne
Gage mitspielen.
Der Baron war Enthusiast auch im Gebiete der Kunst, 1
und der Beifall, den er spendete, war stets so lebhaft, |
daß er nicht in dem allgemeinen Lärm verschwand, sondern
sich ganz besonders geltend machte. Der Baron war ivic
ein Thermometer, der die Temperatur des Hauses an-
zeigte und aus den man nur zu sehen brauchte, um den
Grad des Beisalles oder Mißfallens zu erkennen, den
ein neues Stück oder die Leistung eines Schauspielers
fand. Die Primadonna, die erste Liebhaberin, die prima
ballorina — jede konnte den Baron zu ihren glühendsten
Verehrern zähle», ja seine Begeisterung umfaßte auch die
Heldendarstellerin, wie die Soubrette und fand kaum bei
den älteren Mitgliedern des Oorps cke Lallst ihre Grenze.
So sehr der Baron den Damen hold war, so wenig
Beifall fanden bei ihm die Repräsentanten der männlichen
Rollen, und besonders der Komiker hatte daS Unglück,
ihm stets zu mißfallen. Diese Eigenthllnilichkeit erregte
natürlich alsbald den Univillen aller männlichen College»,
und als eines Abends der Baron durch die lebhafte
Äeußerung seiner Antipathie den Komiker um die Ehre
eines zweiten Hervorrufes gebracht hatte, schwur ihm
dieser unter Zustimmung seiner Freunde fürchterliche Rache.
Der Baron hatte die Gewohnheit, jeden Tag vor den
Fenstern aller Damen, die er anbetctc, vorbeizureiten und
da die Zahl derselben keine geringe war, so führte ihn
sein Weg säst durch alle Hauptstraßen der Stadt. Die
Angebeteten verfehlten dabei nicht, an ihren Fenster» zu
erscheinen und den eleganten Gruß des Reiters mit einem
dankbaren Lächeln zu erwidern.
Am Tage nach jener Vorstellung, die mit dem Rache-
schwur des Komikers hinter dem Vorhang endete, trat
der Baron seine Tournee wieder an. ES war ein
herrlicher Frühlingsmorgen Das Pferd, welches der
Baron ritt, war ein prächtiges Thier. Ein neuer
Anzug, der gestern aus Paris eingctrossen, und frische
Veilchen im Knopfloch erhöhten den bezaubernden Ein-
druck des Reiters und mit siegcsgewisser Miene blickte
derselbe nach dem Fenster der Primadonna, die in
reizendem Morgenanzug sichtbar wurde und huldvoll
hcrablächeltc. Aber was ist das? DaS huldvolle Lächeln
artete sofort in ein Helles Lachen aus! Der Baron ver-
stand nicht, was das bedeute. Als aber auch am Fenster
der Soubrette sich das Lachen wiederholte und der Baron
alsbald ivahrnahm, daß auch die Leute auf der Straße
lachten, da sah er sich nach allen Seiten um und entdeckte
tvenige Schritte hinter sich einen Reiter, dessen Anzug
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Rache ist süß"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1884 - 1884
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2023, S. 138
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg