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Einzige Verwendung,
Der Antiquar.
Gast: „Aber, lieber Graf, warum lassen Sie den alten
Jakob noch immer serviren? Der kann doch nichts mehr ruhig
halten — der hat ja den Datier er!"
Graf: „Der muß aus Jrrthum besohlen sein — den
halt' ich ja nur noch zum Zuckerstreuen über Erdbeeren!"
Monsterkoncert.
Wicht der Meisen ahnungsvolles Zwitschern,
Nicht der Lerche Sehnsuchtsliederdrang:
Nur der Jubelruf von allen Sängern
Nimmt den König Frühling in Empfang.
_ «. rv.
Immer unzufrieden.
A: „Nun, Ihr Freund hat zu feiner Selterswasferfabrik auch
noch eine Schnapsfabrik errichtet?!"
B: „Jawohl — jetzt kann er doch das ganze Jahr hindurch
jammern. Bei kaltem Wetter klagt er über's Selters-
wasser-, und bei warmem über's Schnaps-Geschäft!"
Der Antiquar.
aren es auch nicht bessere, so waren es jedenfalls glück-
lichere Tage, die der alte Mann einst gesehen. Als
Student ein Liebling der Musen, beglückte ihn sein
dichterisches Talent vollends, ohne ihm, wie so Vielen,
Brod und Anerkennung zu spenden. Auch er gerieth
dadurch auf eine falsche Laufbahn, auch er warf seine
Pandekten weit von sich und huldigte fortan Apoll, bis er, durch
die Noth gezwungen, zu verschiedenen Erwerbszweigen greifen mußte.
Und nun sitzt er bereits seit Jahren hinter seinem Ladentische,
betreibt den Handel mit alten Büchern, liest noch immer wissens-
durstig die ihn interessirenden Bücher und blickt nur dann auf, wenn
Jemand, ob Käufer oder Verkäufer, in den Laden tritt. Das war
auch jetzt der Fall.
Während der Antiquar mit seinem blauen Taschentuche die
Brille säuberlich putzt, langt der junge Student, der vor ihm steht,
in die Tasche, entnimmt derselben ein umfangreiches Bändchen, legt
dasselbe auf das Pult und sagt: „Ein Bändchen Gedichte von
Hieronymus Kraft." Das bleiche abgemagerte Gesicht des Antiquars
wird zusehends bleicher, die Pupillen seiner Augen erweitern sich,
die dürren Hände zittern, indem sie sich mit dem Bändchen be-
schäftigen.
Hieronymus Kraft. Das war ja er gewesen, sein Pseudonym,
sein Dichtername, für dessen Erhaltung und Ueberlieferung auf die
Nachwelt er noch immer Hoffnung hegte, ein Name, dem er Ver-
gangenheit, Gegenwart und Zukunft geopfert hatte. — „Hieronymus
Kraft!" seufzte der Antiquar. „Scheint Ihnen nicht recht bekannt
zu sein, der Verfasser", sagte der Student... „bah, das thut nichts;
die Gedichte sind gut. . . übrigens verkaufe ich Ihnen das Buch
recht billig."
„Billig?" Wie ein Dolchstich traf's ihn. Seine Augen ruhten
unverwandt auf die ihm so lieb und theuer gewesenen Geisteskinder.
X. Hayek.
Liebe, Sehnsucht, Schmerz, Hoffnung, all' das, was er wahrhaft
empfunden, all' das, wofür er gebüßt und gelitten, hier stand es
schwarz auf weiß in unauslöschlichen Lettern, und das wagte man
ihm „billig" zu offeriren!
Der Student wurde ungeduldig. „Kaufen Sie das Buch, oder
kaufen Sie es nicht?" frug er unwirsch.
„Ja, ja, ich kaufe es. Was verlangen Sie dafür?"
„Fünfzig Pfennig' wird doch nicht zu viel sein?"
„Fünfzig Pfen—nige. . . oh!" Auf dem Titelblatte waren
zwei Thaler als Kaufpreis angegeben. „Ein Thaler wird nicht zu
viel sein", lispelte der Antiquar, indem er drei Mark dem Studenten
in die Hand drückte.
„Ein sonderbarer Kauz!" sagte der Student lachend, als er die
Ladcnthüre hinter sich schloß und die drei Mark nochmals ansah.
Einzige Verwendung,
Der Antiquar.
Gast: „Aber, lieber Graf, warum lassen Sie den alten
Jakob noch immer serviren? Der kann doch nichts mehr ruhig
halten — der hat ja den Datier er!"
Graf: „Der muß aus Jrrthum besohlen sein — den
halt' ich ja nur noch zum Zuckerstreuen über Erdbeeren!"
Monsterkoncert.
Wicht der Meisen ahnungsvolles Zwitschern,
Nicht der Lerche Sehnsuchtsliederdrang:
Nur der Jubelruf von allen Sängern
Nimmt den König Frühling in Empfang.
_ «. rv.
Immer unzufrieden.
A: „Nun, Ihr Freund hat zu feiner Selterswasferfabrik auch
noch eine Schnapsfabrik errichtet?!"
B: „Jawohl — jetzt kann er doch das ganze Jahr hindurch
jammern. Bei kaltem Wetter klagt er über's Selters-
wasser-, und bei warmem über's Schnaps-Geschäft!"
Der Antiquar.
aren es auch nicht bessere, so waren es jedenfalls glück-
lichere Tage, die der alte Mann einst gesehen. Als
Student ein Liebling der Musen, beglückte ihn sein
dichterisches Talent vollends, ohne ihm, wie so Vielen,
Brod und Anerkennung zu spenden. Auch er gerieth
dadurch auf eine falsche Laufbahn, auch er warf seine
Pandekten weit von sich und huldigte fortan Apoll, bis er, durch
die Noth gezwungen, zu verschiedenen Erwerbszweigen greifen mußte.
Und nun sitzt er bereits seit Jahren hinter seinem Ladentische,
betreibt den Handel mit alten Büchern, liest noch immer wissens-
durstig die ihn interessirenden Bücher und blickt nur dann auf, wenn
Jemand, ob Käufer oder Verkäufer, in den Laden tritt. Das war
auch jetzt der Fall.
Während der Antiquar mit seinem blauen Taschentuche die
Brille säuberlich putzt, langt der junge Student, der vor ihm steht,
in die Tasche, entnimmt derselben ein umfangreiches Bändchen, legt
dasselbe auf das Pult und sagt: „Ein Bändchen Gedichte von
Hieronymus Kraft." Das bleiche abgemagerte Gesicht des Antiquars
wird zusehends bleicher, die Pupillen seiner Augen erweitern sich,
die dürren Hände zittern, indem sie sich mit dem Bändchen be-
schäftigen.
Hieronymus Kraft. Das war ja er gewesen, sein Pseudonym,
sein Dichtername, für dessen Erhaltung und Ueberlieferung auf die
Nachwelt er noch immer Hoffnung hegte, ein Name, dem er Ver-
gangenheit, Gegenwart und Zukunft geopfert hatte. — „Hieronymus
Kraft!" seufzte der Antiquar. „Scheint Ihnen nicht recht bekannt
zu sein, der Verfasser", sagte der Student... „bah, das thut nichts;
die Gedichte sind gut. . . übrigens verkaufe ich Ihnen das Buch
recht billig."
„Billig?" Wie ein Dolchstich traf's ihn. Seine Augen ruhten
unverwandt auf die ihm so lieb und theuer gewesenen Geisteskinder.
X. Hayek.
Liebe, Sehnsucht, Schmerz, Hoffnung, all' das, was er wahrhaft
empfunden, all' das, wofür er gebüßt und gelitten, hier stand es
schwarz auf weiß in unauslöschlichen Lettern, und das wagte man
ihm „billig" zu offeriren!
Der Student wurde ungeduldig. „Kaufen Sie das Buch, oder
kaufen Sie es nicht?" frug er unwirsch.
„Ja, ja, ich kaufe es. Was verlangen Sie dafür?"
„Fünfzig Pfennig' wird doch nicht zu viel sein?"
„Fünfzig Pfen—nige. . . oh!" Auf dem Titelblatte waren
zwei Thaler als Kaufpreis angegeben. „Ein Thaler wird nicht zu
viel sein", lispelte der Antiquar, indem er drei Mark dem Studenten
in die Hand drückte.
„Ein sonderbarer Kauz!" sagte der Student lachend, als er die
Ladcnthüre hinter sich schloß und die drei Mark nochmals ansah.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Einzige Verwendung" "Der Antiquar"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 95.1891, Nr. 2403, S. 58
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg