13t
Doctor Lepke.
mir, ohne noch zu wissen, wie ich mich aus dieser Schlinge ziehen
würde. Toni's Mutter bat mich, ich möge sie nach Hause begleiten,
denn sie fürchte, daß ihre Tochter zum zweiten Male — ohnmächtig
werde. Was konnte ich thun? Ich mußte sie Beide nach Hause
begleiten und gute Miene zum bösen Spiel machen. Die Damen
ließen mich nimmer aus. Sie hatten mich so umgarnt, daß ich schon
nach fünf Tagen den Berlobungsring mit Toni wechselte. Die Alte
war stolz darauf, ihre Tochter an Doctor Lepke verheirathen zu können.
Erst nach einer Woche gelang es mir, Paris zu verlassen, und
unter dem Vorwände dringender Familienangelegenheiten reiste ich
nach Wien ab. Ich traf daselbst völlig erschöpft und verwirrt ein,
ohne zu wissen, wie sich diese Geschichte lösen würde. Vor Allem
besuchte ich meinen Freund, Doctor Lepke, um ihm zu berichten,
was vorgefallen. Er war aber nicht in Wien; seine Frau sagte
mir nur, daß ihr Mann bald nach meiner Abreise zu einer Consul-
tation nach Triest berufen wurde.
Drei Tage verweilte ich in Wien und sann darüber nach, was
zu thun wäre. Am vierten Tage, als ich eben einen Entschluß
gefaßt, stürzte plötzlich die Frau meines Freundes voll Wuth und in
größter Aufregung in meine Wohnung herein.
„Ha! mein Mann Dieser Betrüger! Ich werde ihn dem
Gerichte übergeben. .. nein ... das ist schrecklich . . .!"
„Um Gotteswillen, Frau Doctor, was ist denn geschehen? . . ."
„Sie fragen, was geschehen ist? Ha!. . . Ein Scandal!..
Eine Criminalgeschichte ist das!. . . Hier . .. hier lesen Sie.. ."
Bei diesen Worten übergab sie mir eine Nummer des Tageblattes,
in welcher ich eine mit Rothstift unterstrichene Notiz sofort
bemerkte:
„Unser Linzer Correspondent berichtet uns Folgendes: Als
unlängst die gegenwärtig beurlaubte Schauspielerin unseres
Theaters, Fräulein Antonie P . . ., die Pariser Bilderausstellung
besuchte, wurde .sie plötzlich von einem Unwohlsein befallen.
Die erste Hilfe leistete ihr ein zufällig anwesender junger Arzt.
Diese Bekanntschaft, welche unter etwas tragischen Umständen
gemacht wurde, wird im Laufe des nächsten Monats mit einem
Ehebunde zwischen dem jungen Arzte und seiner Patientin
schließen. Unsere Leser werden darüber wohl ein wenig erstaunt
sein, wenn sie erfahren, daß dieser Arzt niemand Anderer war,
als der in Wien bestbekannte Doctor der gesammten Heilkunde,
Herr Josef Lepke. Unser Correspondent fügt hinzu, daß Fräu-
lein Antonie P. . . nach ihrer Vermählung mit Doctor Lepke
der Linzer Bühne keineswegs den Rücken kehren, sondern auch
weiters im Theater auftreten wird, und zwar unter dem Namen
Antonie Lepke."
Mit zitternden Händen faltete ich das Tageblatt zusammen
und wurde ganz bleich und niedergeschlagen. Frau Lepke lief
wüthend und schnaubend im Zimmer herum.
„Nun, was sagen Sie dazu? was? Pepi betrügt mich, er
gibt vor, daß er nach Triest zur Consultation muß, indessen sucht
er sich in Paris eine andere Frau! Und noch dazu eine Schau-
spielerin — ha! ha! ha!. . . ein junger Arzt!... so ein alter
Geck!. . . Frau Lepke Schauspielerin! Das ist ja aber famos!
Ich muß sofort nach Linz, um mit dieser sauberen Dame zu sprechen
und sie zu fragen, was mit mir geschehen wird. Vielleicht wird
man mich in Spiritus setzen und eine Conserve aus mir machen!"
Nachdem sie diese Capitalidee gefaßt, verließ sie schleunigst mein
Zimmer und ich hörte, wie sie noch aus der Stiege mit Bigamie
und Criminal drohte.
Ich saß den ganzen Tag zu Hause und wagte keinen Schritt
auf die Straße hinaus. Des anderen Abends fiel wie eine Bombe
mein Freund Pepi in mein Zimmer herein.
„Herrgott von Sachsen! Weißt Du nicht, was da wieder
geschehen ist? Meine Frau reiste gestern nach Linz ab und ließ
einen Brief zurück, daß sie mich sammt meiner Schauspielerin ein-
sperren lassen werde. Soeben kam ich aus Triest und finde diesen
Brief. Meine Frau ist nun wirklich abgereist — erbarme Dich,
was soll das Alles bedeuten? Was soll ich machen? Ist meine
Frau am Ende gar..." — „Verrückt geworden!" ergänzte ich
kaltblütig. — „Glaubst Du?" — „Ich bin sogar überzeugt davon!"
— „Das kann schon sein! Das ist sehr möglich! Ich gehe gleich
zur Polizei - Direction und lasse sie als eine Verrückte nach Hause
schicken!" Mit dieser löblichen Absicht verließ er mich, und — wie
ich durch's Fenster sah — lief er schnurstracks zur Polizei-Direction.
Noch am selben Abend reiste ich nach Linz ab und begab mich
in die Wohnung des Fräulein Antonie P. . ., reots Frau Antonie
Lepke in spe. Ich traf in der Wohnung nur ihre Mutter. Als
mich die Alte erblickte, sprang sie wie eine wilde Eule auf mich zu.
„Ha! da kommen Sie also!" platzte sie mit pathetisch-tragischer
Stimme los, „Sie kommen wohl wegen meiner Tochter — Sie
Betrüger! Ah, zu spät, mein Herr! Ihre Frau war bereits bei
mir und entlarvte Sie! Dieser teuflische Plan wird Ihnen nicht
gelingen; meine Tochter geht nicht in Ihre Falle. . ."
Diese Extase unterbrach das Erscheinen der Tochter. Als diese
mich sah, fiel sie in Ohnmacht — aber diesmal wirklich!
Ich machte mich aus dem Staube, nicht neugierig, zu erfahren,
welches Mittel bei einer echten Ohnmacht wirksamer wäre, Wasser
oder Luft?
Als ich nach Wien zurückkam, munkelte man gerüchtweise, daß
Doctor Lepke sich von seiner Frau scheiden lasse. Es kam aber
bis heute nicht dazu und es scheint, daß sie sich endlich doch ver-
söhnt haben.
So viel steht aber fest, daß mein Freund mich nicht mehr
kennen will. Er drohte sogar, daß er Fräulein Helene, meine
Braut, in Kenntniß setzen wird, wie ich mich in Paris aufgeführt.
Aber Sie, hochverehrte Leser, werden doch ganz gut einsehen,
daß ich eigentlich unschuldig bin. Uebrigens — weiß der Teufel!
Eine fremde Permanenzkarte benütze ich in meinem Leben nicht wieder!
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Doctor Lepke.
mir, ohne noch zu wissen, wie ich mich aus dieser Schlinge ziehen
würde. Toni's Mutter bat mich, ich möge sie nach Hause begleiten,
denn sie fürchte, daß ihre Tochter zum zweiten Male — ohnmächtig
werde. Was konnte ich thun? Ich mußte sie Beide nach Hause
begleiten und gute Miene zum bösen Spiel machen. Die Damen
ließen mich nimmer aus. Sie hatten mich so umgarnt, daß ich schon
nach fünf Tagen den Berlobungsring mit Toni wechselte. Die Alte
war stolz darauf, ihre Tochter an Doctor Lepke verheirathen zu können.
Erst nach einer Woche gelang es mir, Paris zu verlassen, und
unter dem Vorwände dringender Familienangelegenheiten reiste ich
nach Wien ab. Ich traf daselbst völlig erschöpft und verwirrt ein,
ohne zu wissen, wie sich diese Geschichte lösen würde. Vor Allem
besuchte ich meinen Freund, Doctor Lepke, um ihm zu berichten,
was vorgefallen. Er war aber nicht in Wien; seine Frau sagte
mir nur, daß ihr Mann bald nach meiner Abreise zu einer Consul-
tation nach Triest berufen wurde.
Drei Tage verweilte ich in Wien und sann darüber nach, was
zu thun wäre. Am vierten Tage, als ich eben einen Entschluß
gefaßt, stürzte plötzlich die Frau meines Freundes voll Wuth und in
größter Aufregung in meine Wohnung herein.
„Ha! mein Mann Dieser Betrüger! Ich werde ihn dem
Gerichte übergeben. .. nein ... das ist schrecklich . . .!"
„Um Gotteswillen, Frau Doctor, was ist denn geschehen? . . ."
„Sie fragen, was geschehen ist? Ha!. . . Ein Scandal!..
Eine Criminalgeschichte ist das!. . . Hier . .. hier lesen Sie.. ."
Bei diesen Worten übergab sie mir eine Nummer des Tageblattes,
in welcher ich eine mit Rothstift unterstrichene Notiz sofort
bemerkte:
„Unser Linzer Correspondent berichtet uns Folgendes: Als
unlängst die gegenwärtig beurlaubte Schauspielerin unseres
Theaters, Fräulein Antonie P . . ., die Pariser Bilderausstellung
besuchte, wurde .sie plötzlich von einem Unwohlsein befallen.
Die erste Hilfe leistete ihr ein zufällig anwesender junger Arzt.
Diese Bekanntschaft, welche unter etwas tragischen Umständen
gemacht wurde, wird im Laufe des nächsten Monats mit einem
Ehebunde zwischen dem jungen Arzte und seiner Patientin
schließen. Unsere Leser werden darüber wohl ein wenig erstaunt
sein, wenn sie erfahren, daß dieser Arzt niemand Anderer war,
als der in Wien bestbekannte Doctor der gesammten Heilkunde,
Herr Josef Lepke. Unser Correspondent fügt hinzu, daß Fräu-
lein Antonie P. . . nach ihrer Vermählung mit Doctor Lepke
der Linzer Bühne keineswegs den Rücken kehren, sondern auch
weiters im Theater auftreten wird, und zwar unter dem Namen
Antonie Lepke."
Mit zitternden Händen faltete ich das Tageblatt zusammen
und wurde ganz bleich und niedergeschlagen. Frau Lepke lief
wüthend und schnaubend im Zimmer herum.
„Nun, was sagen Sie dazu? was? Pepi betrügt mich, er
gibt vor, daß er nach Triest zur Consultation muß, indessen sucht
er sich in Paris eine andere Frau! Und noch dazu eine Schau-
spielerin — ha! ha! ha!. . . ein junger Arzt!... so ein alter
Geck!. . . Frau Lepke Schauspielerin! Das ist ja aber famos!
Ich muß sofort nach Linz, um mit dieser sauberen Dame zu sprechen
und sie zu fragen, was mit mir geschehen wird. Vielleicht wird
man mich in Spiritus setzen und eine Conserve aus mir machen!"
Nachdem sie diese Capitalidee gefaßt, verließ sie schleunigst mein
Zimmer und ich hörte, wie sie noch aus der Stiege mit Bigamie
und Criminal drohte.
Ich saß den ganzen Tag zu Hause und wagte keinen Schritt
auf die Straße hinaus. Des anderen Abends fiel wie eine Bombe
mein Freund Pepi in mein Zimmer herein.
„Herrgott von Sachsen! Weißt Du nicht, was da wieder
geschehen ist? Meine Frau reiste gestern nach Linz ab und ließ
einen Brief zurück, daß sie mich sammt meiner Schauspielerin ein-
sperren lassen werde. Soeben kam ich aus Triest und finde diesen
Brief. Meine Frau ist nun wirklich abgereist — erbarme Dich,
was soll das Alles bedeuten? Was soll ich machen? Ist meine
Frau am Ende gar..." — „Verrückt geworden!" ergänzte ich
kaltblütig. — „Glaubst Du?" — „Ich bin sogar überzeugt davon!"
— „Das kann schon sein! Das ist sehr möglich! Ich gehe gleich
zur Polizei - Direction und lasse sie als eine Verrückte nach Hause
schicken!" Mit dieser löblichen Absicht verließ er mich, und — wie
ich durch's Fenster sah — lief er schnurstracks zur Polizei-Direction.
Noch am selben Abend reiste ich nach Linz ab und begab mich
in die Wohnung des Fräulein Antonie P. . ., reots Frau Antonie
Lepke in spe. Ich traf in der Wohnung nur ihre Mutter. Als
mich die Alte erblickte, sprang sie wie eine wilde Eule auf mich zu.
„Ha! da kommen Sie also!" platzte sie mit pathetisch-tragischer
Stimme los, „Sie kommen wohl wegen meiner Tochter — Sie
Betrüger! Ah, zu spät, mein Herr! Ihre Frau war bereits bei
mir und entlarvte Sie! Dieser teuflische Plan wird Ihnen nicht
gelingen; meine Tochter geht nicht in Ihre Falle. . ."
Diese Extase unterbrach das Erscheinen der Tochter. Als diese
mich sah, fiel sie in Ohnmacht — aber diesmal wirklich!
Ich machte mich aus dem Staube, nicht neugierig, zu erfahren,
welches Mittel bei einer echten Ohnmacht wirksamer wäre, Wasser
oder Luft?
Als ich nach Wien zurückkam, munkelte man gerüchtweise, daß
Doctor Lepke sich von seiner Frau scheiden lasse. Es kam aber
bis heute nicht dazu und es scheint, daß sie sich endlich doch ver-
söhnt haben.
So viel steht aber fest, daß mein Freund mich nicht mehr
kennen will. Er drohte sogar, daß er Fräulein Helene, meine
Braut, in Kenntniß setzen wird, wie ich mich in Paris aufgeführt.
Aber Sie, hochverehrte Leser, werden doch ganz gut einsehen,
daß ich eigentlich unschuldig bin. Uebrigens — weiß der Teufel!
Eine fremde Permanenzkarte benütze ich in meinem Leben nicht wieder!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Doctor-Lepke"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 95.1891, Nr. 2411, S. 131
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg