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Selbstgefühl.

Cadet (in einer Nadelholzschonung)°. „Im Schatten dieses Waldes werde
ich dereinst als General wandeln!"

Gedankensplitter.

Man hält meist die vergangene Zeit für besser als sie war, die gegen-
wärtige für schlimmer, als sie ist, und die künftige für schöner, als sie
sein wird. _

Der Verstand irrt und fehlt; — die Die Prüderie beweist das Gegentheil
Dummheit ist unfehlbar. von dem, was sie zu beweisen sucht.

Man glaubt oft, ein Diener habe sich zu seinem Vortheil verändert, während
wir uns im Grunde nur an seine Fehler gewöhnt haben.

Im Glück ist die Arbeit ein Ver-
gnügen, im Unglück eine Zuflucht.

Es ist vortheilhafter, ein Hügel in der
Ebene, als ein Berg im Gebirge zu sein.

_ Sirius.

Die Liebe ist die Sonne im Leben; je mehr sie aus demselben verschwindet,
desto tiefer werden darin die Schatten. Sirm,.

Nichts macht so alt, als der Eifer,
jung zu scheinen. Lirm».

Der Styl ist die Handschrift des
Geistes. «. w.

Der Ideal-Realismus.

^8ier Maler Piesemeier hatte recht viel Talent,
aber recht wenig zu essen. Das kleine Vermögen
und die Zimmereinrichtung, die er von seiner
alten Tante geerbt hatte, waren bald aufgezehrt. Eben
jetzt hatte Piesemeier die letzten hervorragenden Jn-
ventarstllcke, den ledcrüberzogenen Lehnstuhl und den
Mahagoni-Cylindertisch, aufgegessen.

Im Anfänge seiner künstlerischen Thätigkeit hatte
der Maler das Banner des Idealismus geschwungen
und lauter wunderschöne Bilder gemalt: Nymphen,
Sirenen, junge Göttinnen und so dergleichen. Den
kleinen Amor hatte er in sieben verschiedenen Arten
gemalt, von denen besonders gelungen waren: der auf
dem Kopfe stehende Amor und der Amor in der
Badewanne. Die Bekenner der idealistischen Richtung
fanden diese Bilder mehr oder weniger hübsch, aber
kaufen wollte sie Keiner.

Darauf begann Piesemeier realistisch, materialistisch
und naturalistisch zu malen. Er malte einen betrunk-
enen Lumpensammler, der eben seine halbverhungerte
Frau ganz todtprügelte, einen wahnsinnigen Ochsen-
knecht und endlich eine Vogelscheuche ans einem Erbsen-
beet, die so natürlich war, daß, wie mehrfach angestellte
Versuche bewiesen, sich kein Spatz an die Erbsen wagte.
Die Realisten, Naturalisten und Materialisten lobten
diese Bilder sehr, aber kaufen wollte sie Keiner.

Als der Maler, der eben den ererbten Petroleum-
kochofen verspeist hatte, den Bilderhändler Miesmacher
um einen kleinen Vorschuß auf seine Bilder beider
Richtungen anging, sagte ihm der Händler, indem er
die Bitte um Vorschuß ganz überhörte:

„Lieber Piesemeier, Sie sind ja 'n talentvoller
Mensch! Sie malen idealistisch, Sie malen realistisch.
Sie malen, was Sie wollen! Aber es ist nix! Es ist
zu gewöhnlich! Wenn Sie haben 'n Namen, können
Sie malen gewöhnlich! Aber so! — Machen Sie sich
'n Namen, machen Sie reden von sich, machen Sie
Sensation, und dann kommen Sie wieder! Adieu,
lieber Piesemeier!"

Der Maler war in Nachdenken versunken und sagte
endlich etwas zögernd: „Was nieinen Sie, Herr Mies-
macher, wenn man einmal versuchte, den Idealismus
und den Realismus mit einander zu combiuiren?"

„Was weiß ich! Combiuiren Sie! Aber machen
Sie nur Sensation, sonst is es nix! Morgen, Herr
Piesemeier!"

Der Maler ging nach Hause, legte sich der Länge
nach auf die noch vorhandenen drei Stühle und begann
nachzusinnen. Plötzlich sprang er auf und begann zu
malen. Vierzehn Tage malte er und lebte in der
Zeit von den drei noch vorhandenen Stühlen und
seinem Bette. Dann war das Bild fertig und er
eilte damit zu dem Händler.

Herr Miesmacher empfing den Maler sehr gering-
schätzig. Aber kaum hatte er einen Blick aus das
Bild geworfen, da ward er lebendig, und je mehr
Blicke Herr Miesmacher auf das Bild warf, um so
lebendiger und erregter ward er.

„Was haben Sie neulich von Vorschuß gesagt,
mein lieber Herr Piesemeier? Setzen Sie sich doch —
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Selbstgefühl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schlittgen, Hermann
Entstehungsdatum
um 1892
Entstehungsdatum (normiert)
1887 - 1897
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Soldat
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 97.1892, Nr. 2460, S. 102

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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