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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0210
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Der unruhige Verlauf der Tiefenlinien und die Heraus-
bildung von Einzelstrukturen westlich des Nußberges
signalisieren die Auswirkung der Auslaugungsprozesse
in der Subrosionssenke des Salzstocks.
Alte geologische und
neue archäologische Befunde
Mit Hilfe von Kartierungen, Gutachten, Bohrungen,
Schürfen, Baugruben, Sondierungen, Luftbildern und
geschichtlichen Baugrunddaten erstellte Stegmann
(1969) die geologische Karte auf der topographischen
Grundlage eines Übereinanderdrucks mit dem Stand
der Jahre 1650 resp. 1750 (Dürrkopf et. al., 1958).
Diese geologischen Befunde wurden aus interdiszipli-
nären Gründen auf die Karte von Sander et al. (1930 -
Rötting 1981, 706 f.) übertragen, die den stadttopogra-
phischen Stand von 1400 darstellt.
Die in den letzten neun Jahren erfolgten archäologi-
schen Ausgrabungen im Stadtgebiet führten durch
neue Aufschlüsse und sedimentgeologische Untersu-
chungen zu erweiterten und differenzierteren Kennt-
nissen, die einerseits die bestehende geologische Karte
korrigieren helfen und andererseits das Verständnis
des Archäologen für die Qualität des Siedlungsgrundes
vertiefen (vgl. Beitrag Rötting Arbeitsstand, Abb. 7 -
in diesem Band).
Dies betrifft u. a. die an der Hagenbrücke ausgegra-
bene Kemenate, die auf einer bisher noch nicht bekann-
ten Insel in der Oker lag, oder das Gebiet des Packhofs,
wo ein W/E-gerichteter Wasserlauf mit dunklen humo-
sen Tonen und Schluffen (Stillwassersedimente) nach-
gewiesen wurde, der in die Okerniederung einmündet
(Rötting 1981, 696, 711 ff., Abb. 2-4).
Die Befunde am Packhof (Abb. 5, Farbtafel 10) sind
zeitlich differenziert zu deuten:
a) natürlicher Wasserlauf: Rennelberg als Einzugsge-
biet.
b) Uferbefestigung des Wasserlaufs (Wehrgraben)
durch Uferpalisaden in Fortsetzung des westlichen
Graben-Mauersystems Heinrichs des Löwen um die
Altstadt. Dadurch entstanden stillwasserähnliche Be-
dingungen wie in Totarmen eines Flusses. Bei Hoch-
wasser der Oker kam es zum Rückstau und zur Sedi-
mentation humoser Ton/Silt-Gemische, wobei im
Laufe der Zeit die Uferpalisaden einsedimentiert wur-
den.
c) Schließlich wurde der ehemalige Graben mit über-
wiegend sandigem Schuttmaterial anthropogen aufge-
schüttet.
Gewässernetz und Topographie des mittelalterlichen
Stadtgebiets veranlassen im Hinblick auf die Beurtei-

lung des Siedlungsgrundes und die Anlage einer Furt im
Zusammenhang mit Erosions-, Transport- und Sedi-
mentationsprozessen in der Okerniederung zu einer
Stellungnahme: Im Gegensatz zur oftmals über-
schwemmten, sumpfigen Okerniederung boten sich
sowohl die aus Sand und Kies bestehenden erhöhten
Uferbereiche als auch die in der Niederung gebildeten
Halbinseln und Inseln (z.B. Katharinenkirche, Burg
Dankwarderode) als günstiger Baugrund an. Jede Er-
weiterung des Siedlungsraums war mit technischem
Aufwand verknüpft. Aller Wahrscheinlichkeit nach
wird an den Prallhängen im Bereich des Aegidienhügels
und am Westrand des Bürgerparks Erosion stattgefun-
den haben. Diese erodierten Sedimente sind mögli-
cherweise an Gleithängen im Bereich der Schuhstraße
und des Karrenführerplatzes sowie um die Burginsel
herum abgelagert worden. Auf Grund der geologischen
Gegebenheiten wäre ein günstiger Furtverlauf südlich
der Burginsel zu erwarten (vgl. Abb. 2).
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts existierte ein ca.
300 m breiter Befestigungsgürtel, der sich mit ca. 30 m
breiten Wallgräben aus der Zeit vor 1400 überschnitt.
Durch Einebnung der Wälle und durch die generelle
Verschüttung ab 1879 ergaben sich Aufschüttungen un-
terschiedlicher Liegezeit und Mächtigkeit.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Die Okerniederung und das zentrale Stadtgebiet liegen
über einer in die Kreideformation eingetieften Rinne,
die ca. 50 m Quartärsedimente aufgenommen hat und
die Position der westlichen Randsenke eines unter dem
östlichen Stadtgebiet befindlichen Salzstocks ein-
nimmt.
Die Kongruenz von Randsenke und morphologischer
Rinne ist nicht zwingend auf jüngste Bewegungen des
Salzstocks zurückzuführen, doch reagierten offenbar
die quartären Glazial- und Flußsysteme auf eine vorge-
zeichnete morphologische Wegsamkeit im Bereich der
Rand- und Subrosionssenke.
Die am Packhof beobachtete Einsedimentierung der
Uferpalisaden wird auf die Anlage des Befestigungssy-
stems der Altstadt im 12. Jh. zurückgeführt. Doch ist
generell zu erwarten, daß im Bereich der Okerniede-
rung Setzungsprozesse in den tonig-siltigen Sedimen-
ten seit dem Mittelalter stattgefunden haben, die neben
der Wasserverdrängung durch Kellerbauten zu einem
Grund- und Flußwasserspiegelanstieg führten.
An der Oberfläche ergibt sich eine klare Gliederung
durch die oftmals überflutete sumpfige Okerniederung
mit ihren dunklen, humosen Tonen und Schluffen so-
wie durch die erhöhten Uferplätze der weichselzeitli-
chen Niederterrasse mit hellen Sand- und Kiesflächen
als günstigem Siedlungsgrund.

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