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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0231
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Handwerker. In diesem Zusammenhang verdienen
insbesondere die reichen Funde von Hol^geschirr und
Hol^gerätschaften Beachtung, die aus Fundschichten des
14.-15. Jhs. am Packhof (10) geborgen werden konn-
ten. Es handelt sich u.a. um Schüsseln, Näpfe, Teller,
Löffel, Daubenschalen, Kreisel, einen Schuhleisten
und eine Trippe. Eine Auswahl davon ist abgebildet
bei Rötting (Kurzberichte: Stadtgrabung 10, Fund-
katalog; in diesem Band).
Für die Herstellung der gedrechselten Schüsseln, Näp-
fe, Tellerund Kreisel wurde Ahorn-Holz (Acer) bevor-
zugt. Daneben fand auch das Holz der Ulme (Ulmus)
Verwendung. Schalen, die nur auf ihrer Innenseite ge-
drechselt und auf der Außenseite grob geschnitzt sind,
bestehen aus Eschen-Holz (Fraxinus excelsior). Dau-
bengefäße sind durchweg aus Fichten-Holz (Picea
abies) geböttchert worden. Weichholz diente zur An-
fertigung von Schuhleisten (Pappel, Populus) und Trip-
pen (Weide, Salix). Einer der Löffel, der sich durch
seine besonders gelungene Form auszeichnet, wurde
aus Tannen-Holz (Abies alba) hergestellt. Für den
kunstvollen Abtsstab aus dem Grab des 13. Jhs. in
St. Aegidien (36) fand Holz von Ahorn und Kiefer (Pi-
nus) Verwendung.
Ob alle Holzgegenstände Produkte Braunschweiger
Handwerker sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Für
die Gebrauchsgegenstände ist das freilich anzunehmen.
Die verwendeten Laubhölzer standen in den Wäldern
um Braunschweig sowie auch im nahegelegenen Harz
zur Verfügung. Von dort dürfte jedenfalls das für die
Böttcher-Arbeiten verwendete Fichten-Holz stam-
men. Tannenholz oder eventuell auch der fertige Löffel
wurde aus den weiter südlich gelegenen Gebieten Mit-
teleuropas importiert. Die nächsten Tannen-Vorkom-
men befinden sich im Thüringer Wald. Unklar ist noch,
ob es sich bei dem Abtsstab von St. Aegidien um ein Er-
zeugnis heimischen Handwerks handelt (Rötting 1979:
40 u. WHier ding 1979a: 46).
Natürlich kann ein gewisser Handel mit Holzgegen-
ständen nicht ausgeschlossen werden, zumal ganz ähn-
liche Gefäßtypen aus Lübeck (Neugebauer 1975) und
Magdeburg (Nickel 1980) bekannt sind. Soweit die
Magdeburger Funde zeigen (Süss 1980), wurden weit-
gehend die gleichen Holzarten verwendet. Angesichts
der Tatsache, daß die verwendeten Laubholzarten in
weiten Teilen Mitteleuropas zur Verfügung gestanden
haben, ist allerdings eher an eine heimische Produktion
solcher Gerätschaften zu denken. Eine Absicherung
dieser Vorstellung ist freilich erst durch neue Gra-
bungsbefunde oder eventuell auch durch schriftliche
Quellen zu erwarten. Auf diese Weise wäre auch zu
klären, ob die Drechsler- und Böttcher-Arbeiten in ge-
trennten Werkstätten oder im gleichen Betrieb durch-
geführt worden sind.

Zusammenfassung
Die bislang über das mittelalterliche Braunschweig vor-
liegenden paläo-ethnobotanischen Befunde haben be-
reits eine Reihe von Erkenntnissen zu Fragen der dama-
ligen Ernährungssituation ermöglicht, ökologische
und pflanzensoziologische Auswertungen der Diaspo-
ren-Funde erlauben darüber hinaus Aussagen über die
natürlichen und anthropogenen Vegetationsverhält-
nisse sowie über die Produktionsbedingungen in Gar-
ten- und Ackerland. Auf diese Weise zeichnen sich die
Umweltverhältnisse der mittelalterlichen Stadt z.T.
schon recht gut ab. Die Untersuchung der Holzgerät-
schaften ermöglicht zudem Einsichten über die mate-
riale Umwelt des holzverarbeitenden Handwerks.
Weitere paläo-ethnobotanische Analysen, die in enger
Zusammenarbeit mit archäologischen Untersuchungen
durchzuführen sind, werden zur Absicherung und Er-
weiterung der bisherigen Vorstellungen beitragen. Da-
bei sind insbesondere Differenzierungen in zeitlicher
und lokaler Hinsicht sowie auch Befunde sozio-öko-
nomischer Art zu erwarten.

Anmerkungen
1 Original in der Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel.
2 Ich möchte nicht versäumen, auch an dieser Stelle den Ausgräbern,
Herrn Dr. F. Niquet (1972) und Herrn H. Rötting M. A. (seit
1976) und ihren Mitarbeitern für die Berücksichtigung paläo-
ethnobotanischer Belange herzlich zu danken.
3 Den an der Aufarbeitung der Proben für längere Zeit beteiligten
studentischen Hilfskräften Brigitte Baar, Maren Matthies, Uwe
Fohrmann und Wolfgang Riehm ist für ihre sorgfältige und mühe-
volle Arbeit sehr zu danken. Die Finanzierung dieser Arbeiten
wurde dankenswerterweise aus Mitteln des Instituts für Denkmal-
pflege - Archäologische Denkmalpflege - ermöglicht.
4 Die Fotos wurden freundlicherweise von Herrn Lutz Pape, Au-
ßenstelle Braunschweig des Instituts für Denkmalpflege im Nie-
dersächsischen Landesverwaltungsamt, angefertigt, wofür ihm an
dieser Stelle herzlich gedankt sei.

Literatur

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Wissenschaft 5/1980: 110-121.
Bakels, C. C., 1980: Een Sittards beerput en mestvaalt. Plantenresten
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lerei. - Köln, 221 S. (2. Aufl.).
Behre, K. E., 1978: Formenkreise von Prunus domestica L. von der
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München.

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