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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0250
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3. Die St.-Ulrichs-Kirche ist offenbar zeitweilig die
bevorrechtigte Volkskirche und Taufkirche gewe-
sen (unter dem Patronat der Propstei des Kollegiat-
stiftes St. Blasius); diese Sonderstellung endete mit
dem Aufstieg der Pfarrei St. Martini (bis 1204 unter
dem Patronat des Dechanten von St. Blasius). Seit-
dem umfaßte das Kirchspiel den östlichen Teil der
Altstadt sowie das Weichbild Sack.
4. Der Patronat des St.-Blasius-Stiftes über St. Ulrich
(bis 1398 der Propst, danach der Dechant des Kapi-
tels) endete 1420/25 mit der Vertauschung des Pa-
tronates an die Herzöge von Braunschweig-Lüne-
burg (deren Rechte 1569 wieder bekräftigt wurden).
5. Die Braunschweiger Bürger hatten sich 1420/25 er-
folgreich gegen die Inkorporation der Pfarrstelle
gewehrt; die nach 1420/25 wieder selbständige Pfar-
rei unterlag allerdings nicht wie St. Martini einer
wie auch immer gearteten, rechtlichen Einwirkung
des Gesamtrates oder des Rates der Weichbilder
Altstadt und Sack. Betätigungsfeld der Bürger war
das Institut der Alterleute (procuratores, olderlu-
de), nachweisbar seit 1287, und die Möglichkeit zur
Stiftung von Altarkommenden.
6. Die bauliche Erneuerung ab 1494 intendierte einen
völligen Neubau. Die Bauarbeiten wurden wohl um
1510 eingestellt. Durch die Baumaßnahmen entsteht
das ungleiche Nebeneinander von alten und neuen
Gebäudeteilen.
7. Statische Probleme, auch ästhetische, mögen zum
Abbruch von 1544 beigetragen haben. Der Wille zu
einem Weiterbau bestand erklärtermaßen nicht.
Dazu kam in der Bürgerschaft der Unwille über das
lästige Patronatsrecht der Herzöge: Die St.-Ul-
richs-Kirche hätte aus dieser Rechtslage heraus zu-
dem leicht ein katholischer Stützpunkt werden kön-
nen, wie der Vorstoß von 1533 und auch spätere
Einwirkungsversuche des katholischen Landes-
herrn zeigen. Die auch den Lutheranern unange-
nehmen zwinglianischen Tendenzen in der St.-Ul-
richs-Gemeinde wären geeignet gewesen, die
Durchschlagskraft herzoglicher Maßnahmen zu er-
höhen. So nahm die Stadt Braunschweig die erstbe-
ste Gelegenheit wahr, das Kirchengebäude abzurei-
ßen. Allerdings verblieb die Gemeinde St.Ulrici-
Brüdern unter herzoglichem Patronat.
Anmerkungen

1 Die Braunschweiger Kirche St. Ulrich wird in der Literatur sehr
häufig genannt, aber nicht eigentlich erörtert. Kalenderartikel
u.ä. bleiben daher im folgenden durchweg unerwähnt.
Die Geschichte der St.-Ulrichskirche ist bisher am ausführlichsten
behandelt bei H. Dürre: Die Geschichte der Stadt Braunschweig
im Mittelalter. Braunschweig 1861, S. 483-490.
2 Braunschweigische Reimchronik. Hg. von L. Weiland. In: Deut-
sche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, 2.
Bd. Hannover 1877 (= Monumenta Germaniae Historica, Scrip-
torum qui vernacula lingua usi sunt, tomus II), S. 430—585, dort
S. 439, V. 1615-1618.

3 W. Herderhorst: Die Braunschweigische Reimchronik als ritter-
lich-höfische Geschichtsdichtung. In: Niedersächsisches Jahr-
buch für Landesgeschichte 37, 1965, S. 1-34.
4 Vgl. die Einleitung des Herausgebers der Reimchronik, L. Wei-
land (s. Anm. 2), S. 432ff., Zitat S. 432f. — Ferner:K. Kohlmann:
Die Braunschweigische Reimchronik auf ihre Quellen geprüft.
Diss. Phil. Kiel. Kiel 1876. - O. Holger-Egger: Ueber die Braun-
schweiger und Sächsische Fürstenchronik und verwandte Quel-
len. In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde
17, 1892, S. 159-184.
5 H. Bünting: Newe vollständige Braunschweigische und Lüne-
burgische Chronica ... Magdeburg 1620, S. 112.
6 Ph. J. Rehtmeyer: Der berühmten Stadt Braunschweig Kirchen-
historie. Braunschweig 1707, 1. Teil, Kap. II, S. 25. — Supple-
mentband: Der fünfte Teil der „Kirchen-Historie“, Braun-
schweig 1720, 1. Teil, Kap. II, S. 5—7.
7 Rehtmeyer (s. Anm. 6), S. 25f„ Zitat S. 25. - Vgl. Anm. 58
(Rehtmeyer hat also die betr. Urkunde benutzt).
8 Stadtarchiv Braunschweig (künftig: StA Br.): A III 2, Nr. 1—11,
13-51 d, 52-78a, 79-80.
9 StA Br.: BIM, Nr. 11, auch Nr. 4; GII 7, Nr. 1-4 und Nr. 27. -
Die kopiale Überlieferung des Niedersächsischen Staatsarchivs
Wolfenbüttel (künftig: Nds StA Wo.), etwa 32 Slg 71, St. Ulrich,
ist überwiegend sekundär, ebenso VIIB Hs 134, Bd 1, Bll. 330 ff.
10 Urkunden der Stifte und Klöster überwiegend im Nds StA Wo.,
die der Pfarrkirchen zumeist im StA Br. - Im Nds StA Wo. z. B.
die Urkundenfonds 7 Urk (St. Blasius Braunschweig), 8 Urk (St.
Cyriacus Braunschweig), 42 Urk (Stadt Helmstedt, zum Jahr
1421), 139 Urk (Varia Brunsvicensia Nr. 26).
11 StA Br.: B 114, Nr. 14; G II 7 („Sonderarchive“: Pfarrkirche St.
Ulrici“), Nr. 1-5 (Kopialbücher usw.), Nr. 6-21 (Personalia),
Nr. 22—57 (Vermögenssachen usw.), Nr. 58-90 (Sonstiges). —
Weiterhin, ebd.: B IV 11, Nr. 3, 5,14,16,23,28,49, 104,129 und
144. - Ebd.: B IV 2, Nr. 9. - Praktisch unergiebig für die Zeit vor
1544: ebd. F I 7 (Kirchenrechnungen von St. Ulrici-Brüdern) so-
wie auch das Landeskirchliche Archiv in Braunschweig. Im Nds
StA Wo. kann u. a. 11 Alt St. Blasius Nr. 1006, 1172, 1242 heran-
gezogen werden. Reformationsgeschichtliche Akten im StA Br.:
B III 1, Nr. 6; B III 15, Nr. 1 a und Nr. 3. Materialien und Rech-
nungen des Braunschweiger Officials Johann Kerckener
(1511-1541): StA Br.: B I 14, Nr. 6 und Nr. 16.
12 Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, hg. von Hänselmann,
Ludwig und Heinrich Mack. Bd 1.2. 3. Braunschweig usw. 1873,
1900, 1905 (nur wenig zusätzliche Nachrichten). Beachtenswert
ist ferner unter den gedruckten Quellen: Die Vizedominatsrech-
nungen des Domstifts St. Blasii zu Braunschweig 1299-1450. Hg.
vonH. Goetting und H. Kleinau. Göttingen 1958 (= Veröffent-
lichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung H. 8), siehe
das Register.
13 S. o. Anm. 2.
14 A. Bertram: Geschichte des Bisthums Hildesheim. Bd. 1. Hildes-
heim 1899, S. 88-99. -K. Algermissen: Herkunft, Entwicklung
und Wirken Godehards. In: Bernward und Godehard von Hil-
desheim. Hg. von A. Algermissen. Hildesheim 1960, S. 216-230.
- W. Heinemann: Das Bistum Hildesheim im Kräftespiel der
Reichs- und Territorialpolitik vornehmlich des 12. Jahrhunderts.
Hildesheim 1968 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte
Niedersachsens 72), S. 34f.
15 E. Düll: Die Kollegiatstifte St. Blasius und St. Cyriacus zu Braun-
schweig. Braunschweig 1967 (= Braunschweiger Werkstücke 36),
S. 17ff.
16 M. R. W. Garzmann: Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig
im 13. und 14. Jahrhundert. Braunschweig 1976 (= Braunschwei-
ger Werkstücke 53), S. 19 ff.
17 Ebd., S. 20. - Archidiakonatsprobleme, vgl. M. Erbe: Studien zur
Entwicklung des Niederkirchenwesens in Ostsachsen vom 8. bis
zum 12. Jahrhundert, Göttingen 1969 (= Veröffentlichungen des
Max-Planck-Instituts für Geschichte 26), sollen ausgeklammert
bleiben.
18 Nds StA Wo.: 7 Urk 6. -D. Kurze: Pfarrerwahlen im Mittelalter.

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